Lore der Staffel Tiger

Kapitel I

„Black Tiger Leader an Alle: EM-Signaturen auf Minimum, nur Thrusters verwenden! Stealth-Modus. Funkstille. Ausführung der gebrieften Manöver Gamma! Achtet auf die Kollisionswarner, ihr fliegt blind!“

Die Anordnungen kommen direkt und unmissverständlich. Jahrelange Routine als Jagdpilot lassen die Befehle schon fast von alleine ertönen. Der Schwarm F7A Hornets gleitet in den Nebel aus photosphärischen Störungen, als wären sie Raubvögel, die durch Wolken schweben.

Staffelleiter Garruz „Cardsharp“ Ordo hört in seinem Headset ein leises Knistern, das sich langsam stakkatoartig verstärkt, je tiefer er in die Anomalie des Helios-Systems eindringt. Der Timer in seinem Cockpit tickt … Piep … „Yaw, halbrechts, 48 Grad, Geschwindigkeit beibehalten für 24 Sekunden“, gibt ihm der Nav-Computer vor. Weiteres Ticken und Rauschen … Piep … „Pitch, Steigung, 24 Grad, Geschwindigkeit auf 86 m/Sekunde für 36.5 Sekunden“, ertönt wieder die Stimme seines IFCS aus dem Headset.

Die Manövriertriebwerke brummen, dann leuchten sie kurzzeitig auf. Ein kleiner Ruck geht durch das Cockpit, als der Jäger nach oben gedrückt wird. Wenn alles wie gebrieft abläuft, müsste der Schwarm in wenigen Minuten aus dem Nebel in einer Fingertip-Formation auftauchen und die Zielsatelliten, die sich außerhalb der Anomalie auf einem Patrouillenkurs befinden, mit Bordwaffen bekämpfen.

… Piep … „Yaw, 45 Grad, Pitch, Steigung 90 Grad für 11 Sekunden, Manövertriebwerke aus.“ Das war das Abschlussmanöver. Jetzt nur nicht voreilig die Zielerfassungssensoren aktivieren. Verhalten schimmern vereinzelnd Sterne durch das Cockpit, der Nebel schwindet und das tiefe Schwarz des Weltalls bricht über die Piloten herein.

„Wie majestätisch“, denkt Garruz kurz, als er die acht Hornets neben ihm aus dem Nebel auftauchen sieht, nur angetrieben durch die Massenträgheit. „Eine fast perfekte Formation“, murmelt er und muss mit einem Anflug von Stolz schmunzeln. Noch wurden sie von den Zielsatelliten und den Sensoren der Carrack, die in dieser Übung als C&C-Schiff fungierte, nicht entdeckt. Nacheinander schalten die Hornets die Ziele auf. Genau getimed ergießt sich eine Wand von Geschossen wie eine Feuerwalze auf die sechs Satelliten.

„Black Tiger Bravo an Black Tiger Leader: Alle Ziele wie befohlen vollständig zerstört“, meldet Lt. „Hunter“, einer der Wing Commander.

„Black Tiger Leader an alle: Kampfmodus, Angriffsmanöver Zero, Carrack ausschalten“, ertönt die Stimme des Squad Leaders in den Kopfhörern der Piloten.

Ziel des zweiten Teils des Manövers sollte sein, das C&C-Schiff mit Raketendummies auszuschalten. Die Triebwerke der Hornets leuchten auf, während sich der Schwarm in zwei Rotten aufteilt und die Carrack in einer Zangenformation angreift.

Die Formationen sind schon fast in Schussweite der Carrack, als der Missionsabbruch durch die Feuerleitstelle über Funk angeordnet wird: „Black Tiger, hier OPS, Manöver abbrechen und sofort zur Basis zurückkehren, Notfallprotokoll.“

„Verdammt, was ist denn los?“, funkt Garruz ungehalten zurück.

„Ich wiederhole“, hört der Squad Leader nicht weniger ungehalten die Antwort der OPS, „Notfallprotokoll! Briefing der Squad Leader um 15:00 auf der Tigers Claw.“

„Hier Black Tiger Leader, verstanden.“

„Mist, verdammter, es lief zum ersten Mal alles wie geschmiert, alle waren in Bestform und nun wird dieses wichtige Manöver abgebrochen“, hört er sich sagen. „Black Tiger Leader an alle: Abbruch! Ich wiederhole: Abbruch! Notfallprotokoll. Zurück zur Basis, Echelon-Formation. Debriefing 18:00.“

Auf dem Rückflug gehen ihm einige Gedanken durch den Kopf. Was wohl geschehen ist? Captain Allston, der Offizier der OPS, würde nicht ohne Grund ein so wichtiges Übungsmanöver abbrechen. „Vielleicht ist ja etwas auf der Station auf Helios IV vorgefallen“, vermutet Garruz. In den letzten Wochen kamen immer wieder merkwürdige Meldungen von der Station und die geheimen Lieferungen auf diesen ansonsten völlig uninteressanten und trostlosen Eisplaneten waren auch ziemlich verdächtig.

Als er mit dem Commander der Tigers Claw Commodore Sansky darüber reden wollte, bekam er nur eine harsche Antwort zurück. „Sie sind Squad Leader und für die Sicherheit dieses und der anderen Schiffe inklusive der Frachtschiffe in diesem System zuständig. Andere Dinge haben Sie nicht zu interessieren. Sehen Sie lieber zu, dass Sie Ihre Staffel auf Vordermann bringen. Ich hatte Sie angefordert, weil ich dachte, Sie wären ein außergewöhnlicher Staffelleiter. Sie können gerne wieder zurück zur Squadron 42 auf die Paul Steed, wenn Ihnen dieser Posten nicht gefällt.“

Es blieb ihm nur eines zu tun: Er salutierte, machte kehrt und ging in die Offiziersmesse, um sich einen „Sky“ Single Malt zu genehmigen und sich bei einer Runde Poker zu entspannen. So hatte er den Commodore noch nie erlebt. Seit der Versetzung zur „Black OPS“-Abteilung der UEE hatte er ein verdammt ungutes Gefühl bei der Sache. Und sein Gefühl trügte ihn nie.

Die Tigers Claw ist mit der Sicherung der Militärbasis auf Helios IV beauftragt, einer sehr mysteriösen Basis. Den Piloten war es nur selten gestattet, auf der Station zu verweilen, höchstens mal um ein wenig Landgang zu genießen, sich in der ungewöhnlich gut ausgestatteten Krankenstation durchchecken zu lassen oder eine der wenigen Bars der Station zu besuchen. Trotz des Status Black OPS war der Zugang der Tigers Claw-Piloten sehr beschränkt. Schwer bewaffnete Marines bewachten sämtliche Zugänge der Station und einige Bereiche wurden durch Special Forces nochmals gesondert gesichert. Man muss kein Genie sein, um zu erahnen, dass diese Station keine Gewöhnliche ist. „Unser Black OPS-Hauptquartier … das ich nicht lache“, hört sich Garruz schon wieder zu sich selbst sagen. „Und ich muss aufhören, Selbstgespräche zu führen…“

Helios IV taucht im Sichtfeld der Piloten auf, daneben ein kleiner dunkler Fleck, der immer deutlicher zu erkennen ist. Positionslichter blinken auf, die erste Rotte Gladius-Jäger fliegt am eigenen Schwarm vorbei, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass die Hornets nichts Böses im Schilde führen. Eine weitere Rotte folgt der ersten in einem sicheren Abstand.

„Ah, das muss Lt. Skinners Wing sein“, denkt Garruz Ordo. „Er fliegt immer mit zwei Rotten, um seine Stärke nicht zu verraten.“ Garruz wackelt ein wenig mit den Flügeln und „Lt. Skinner“ erwidert den Gruß. Sie haben sich in den ersten Wochen eine Kajüte geteilt und sich sogar ein wenig angefreundet. „Lt. Skinner“ ist ein Mann der klaren Worte, auch wenn diese manchmal schon sehr direkt sind. Viele kommen damit nicht klar, aber Garruz empfindet es als durchaus angenehm, immer zu wissen, woran man mit ihm ist.

„Black Tiger, hier Docking-Offizier, Landebucht Bravo klar zur Landung, Anflugvektor Hotel.“

Die Stimme des Docking-Offiziers reißt Garruz aus seinen Gedanken. „Hier Black Tiger Leader, verstanden, komme jetzt rein.“

Wie ein riesiges Maul öffnet sich der Bug der Tigers Claw und verschluckt nacheinander den Schwarm Hornets. Sofort nach dem Landen sind die Techniker zur Stelle, Schläuche und Kabel werden angeschlossen, um den Jäger schnellstmöglich durchzuchecken und wieder einsatzfähig zu machen.

Die Piloten der Black Tiger-Staffel steigen aus ihren Cockpits und sammeln sich um ihren Squad Leader.

„Keine Zeit für das Debriefing, aber um es kurz zu machen: Alles lief bestens, bis zum ärgerlichen Abbruch. Debriefing um 18:00, ich muss jetzt direkt zum Commodore, irgendetwas ist vorgefallen, weiteres um 18:00. Wegtreten!“

Die Piloten salutieren und machen kehrt in Richtung der Unterkünfte. Ein paar Stunden Ruhe wird ihnen guttun.

„Ach, Lt. „Hunter“, kurze Anmerkung.“

„Ja, Sir?“ Erwartungsvoll sieht Lt. Ian „Hunter“ John seinen Squad Leader an.

„Sie waren ja eingeteilt als Wing Commander und Sie haben da draußen einen guten Job gemacht, aber ihre Funkdisziplin ist immer noch unter aller Sau. Sie reden zu viel, vor allem im Gefecht. Die Meldung „Alle Ziele wie befohlen vollständig zerstört“ ist vier Worte zu lang. „Ziele zerstört“ hätte vollkommen ausgereicht. Merken Sie sich das fürs nächste Mal.“

„Ja Sir, aber ich wollte doch nur…“

„Wegtreten Sie Quasselstrippe“, unterbricht ihn Garruz barsch. „Das darf doch nicht wahr sein, er wollte tatsächlich mit mir diskutieren.“ Kopfschüttelnd macht er sich auf den Weg zum Briefing Room des Commodores.

Als Garruz den abgedunkelten Briefing Room betritt, sieht er sofort an den Gesichtern der Anwesenden, dass irgendetwas nicht stimmt.

„Ah, Commander, da sind Sie ja. Wir sind vollzählig, nehmen Sie Platz“, hört er Commodore Sansky sagen, bevor er Meldung machen kann.

„Ich komme gleich zum Punkt. Sie wollen sicher wissen, was vorgefallen ist und weshalb ich Sie hierher befohlen habe.“

Die etwa zwei Dutzend Führungsoffiziere der Tigers Claw sehen sich fragend an.

„Ist etwas auf der Station vorgefallen, Commodore?“ Wie aus einem anderen Raum hört Garruz seine Stimme und beißt sich zugleich auf die Lippe, weil er mal wieder viel zu neugierig ist.

Der Commodore sieht ihn scharf an. „Trotz meiner Warnung konnten Sie es nicht lassen, sich über die Station auf Helios IV zu erkundigen, Commander.“ Es klingt wie ein Vorwurf, aber irgendwie anders als beim letzten „Meinungsaustausch“ zum Thema Geheimbasis. „Sie haben aber leider Recht. Laut offizieller Meldung hat sich um 14:22 in einem Hochsicherheitsbereich der Station ein Unfall ereignet. Der verantwortliche Chef-Wissenschaftler hat die Station unter Quarantäne gesetzt. Niemand darf den Sektor verlassen. Die Kräfte vor Ort haben alles unter Kontrolle.“

„Was ist passiert, gibt es Opfer oder Verletzte?“ Captain Allstons Frage trifft genau den Punkt. Das wäre auch Garruz‘ nächste Frage gewesen.

„Der Punkt ist, dass die offiziellen Meldungen gelogen sind! Mir liegen inoffizielle Informationen vor, dass mehr als 376 Personen Tod sind oder schon bald Tod sein werden. Ein guter Freund, der als Biologe auf der Station arbeitet, konnte mich kurz vor dem Unfall kontaktieren. Ein äußerst gefährliches Virus wurde freigesetzt und die Bereiche wurden abgeschottet. Es gibt keinerlei Hoffnung mehr für die Infizierten.“

Ein Raunen geht durch den Saal. „Das ist doch Wahnsinn, wir müssen was tun und die Leute da rausholen“. Garruz hält es bei der Bemerkung nicht mehr auf seinem Stuhl.

„Und was dann, Commander? Wenn ich den Informationen glauben kann, und das tue ich, ist jeder, der mit dem Virus in Berührung kommt, innerhalb weniger Minuten Tod! Keiner unternimmt etwas! Ich werde ihnen sagen, was wir tun werden. Wir gehen an die Öffentlichkeit. Ich bin Soldat und kein Massenmörder.“

Garruz tritt an den Commodore heran. „Massenmörder? Wovon sprechen Sie da verdammt nochmal?“

Dem Captain der Tigers Claw weicht die Farbe aus dem Gesicht. Mit einem Male sieht er zehn Jahre älter aus. „Den Informationen zufolge wird ein biologischer Kampfstoff gegen die Vanduul auf der Station entwickelt. Mein Freund ließ mir schon vor Tagen die Beweise zukommen. Er wollte sich nicht an einem Genozid beteiligen und bat mich, dieses schreckliche Verbrechen an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich vermute, dass der Geheimdienst dahinter gekommen ist und alle involvierten Wissenschaftler und möglichen Informationslücken nun kurzerhand eliminiert. Während der letzten Kommunikation sagte er mir, dass sie den Virus an Menschen testen wollen. Dies wäre eine gute Gelegenheit. Ich glaube nicht an einen Unfall. Dieses Virus wurde absichtlich freigesetzt.“

Mit ernstem Gesicht schaut der Commodore in die Runde. Per Knopfdruck schaltet er die taktischen Displays an und das Helios-System erscheint auf einem der Monitore. „Dies sind meine Befehle: Wir verlassen das System über den Sprungpunkt Taranis Richtung Terra und schlagen uns bis zum Senat durch. Die Wahrheit muss an die Öffentlichkeit kommen. Ich rechne damit, dass die UEE alles unternehmen wird, um uns aufzuhalten. Es wird also unverzichtbar sein, auf ehemalige Kameraden zu schießen. Wer damit nicht einverstanden ist, kann umgehend das Schiff verlassen, ich würde das vollkommen verstehen.“

Die Offiziere schauen sich kurz an, jedoch bleiben alle im Raum und nehmen Haltung an.

„Na dann! Gefechtsbereitschaft herstellen, alle auf ihre Posten! Wegtreten!“

Garruz macht schon Richtung Hangar kehrt, als ihn der Commodore ruft. „Nicht Sie Ordo, Sie bleiben!“

„Ja Sir. Was kann ich tun?“

„Die UEE wird uns nicht so einfach aus dem System lassen. Ich bin mir sicher, dass der Geheimdienst die Kommunikation zurückverfolgen konnte…“

Der Kommunikator des Commodore piept. „Ja, Ops, was gibt es?“

„Sir, ich habe gerade einen Funkspruch abgefangen, der besagt, dass wir mit einem gefährlichen Virus infiziert sind und dass die Tigers Claw unter allen Umständen zu vernichten ist. Der Angriffsbefehl wurde an die Flotte gegeben.“

„Ich komme, roter Alarm, Schilde hoch.“ Der Commodore blickt den Squad Leader besorgt an. „Verdammt, das ging ja schnell. Es geht los. Garruz, ich vertraue Ihnen die Informationen auf diesem Datenkristall an. Starten Sie Ihre Staffel und versuchen Sie sich durchzuschlagen, egal was kommt!“

„Ich bin für die Sicherheit der Tigers Claw zuständig, ich fliehe nicht wie ein Feigling, ich bleibe und kämpfe.“

„Dann ist alles verloren." Der Commodore packt Garruz energisch an den Schultern. „Sie müssen durchkommen. Ich gebe Ihnen mit der Tigers Claw Rückendeckung und komme nach, sobald Sie durch den Sprungpunkt durch sind. Verdammt noch eins, gehorchen Sie wenigstens dieses eine Mal!“

„Ja, Sir, verstanden Sir, ich starte sofort. Haben Sie noch etwas für mich?“

„Ja. Es gibt jemanden beim UEE-Geheimdienst, dem ich voll vertraue, wenn möglich, lassen Sie ihm die Infos zukommen. Es ist Admiral Bowen. Wir waren zusammen auf der Akademie. Er wird Ihnen weiterhelfen können. Er hat einige vage Infos schon von mir erhalten, aber bislang nichts Konkretes.“

„Jawoll, Sir, verstanden.“

Garruz will salutieren, doch er gibt dem Commodore die Hand. „Wir sehen uns am Sprungpunkt Sir. Und falls es Sie tröstet: Es ist mir eine Ehre unter Ihnen zu dienen. Sie haben meinen Respekt und mein vollstes Vertrauen.“

„Verschwinde endlich, Nervensäge“, befiehlt der Commodore salopp.

Der Squad Leader öffnet über seinen Kommunikator einen Kanal zu seiner Staffel: „Hier Commander Garruz, sofort alle zu den Maschinen! Alarmstart! Das ist keine Übung! Treffpunkt Nav Point Omega, weitere Befehle folgen. Funkstille bis zum Eintreffen am Sammelpunkt.“ Ohne die Rückmeldungen seiner Staffelpiloten abzuwarten, setzt er sich im Laufschritt Richtung Hangar in Bewegung.

Alles läuft automatisch ab. Jeder Handgriff sitzt. Nach wenigen Minuten wird die erste F7A Hornet der Black Tiger-Staffel ins All katapultiert. Im Sekundentakt folgen die anderen 36 Maschinen.

Als Garruz im Cockpit durch die Beschleunigung in seinen Sitz gedrückt wird, bekommt er die Meldungen seiner „Wing Commander“, dass alle Maschinen der Staffel gestartet und einsatzbereit sind. Er schaut unbewusst auf den Timer seines IFCS. „Das gibt’s doch nicht … Rekordzeit.“ So schnell waren sie noch nie gestartet.

Wie bereits zigmal geübt, setzen sich die Hornets in Wings aufgeteilt vom Trägerschiff ab, während die Tigers Claw sich zwischen ihnen und die angreifende Flotte schiebt und die elektronischen Störmaßnahmen zum Verwirren der feindlichen Sensoren aktiviert.

„Tatsächlich, es klappt“, murmelt Garruz. Sämtliche Schiffe sind vom Radar nicht zu erfassen, einige Wings der Tiger-Staffel leuchten zwar ab und zu auf dem Schirm auf, aber Garruz weiß, dass nur ein Nahbereichssensor diese kleinen Schiffe, wenn überhaupt, erfassen kann.

Mit der EM-Signatur auf einem Minimum und ohne Zwischenfälle erreichen alle Black Tiger-Piloten den Sammelpunkt Omega. Garruz hatte den Sammelpunkt ausgewählt, weil er am Rande einer Anomalie liegt, deren elektrostatische Entladungen nur begrenzt einen Funkkontakt ermöglichen und somit so gut wie nicht aufklärbar sind.

„Black Tiger Leader an alle: Keine ausführlichen Erklärungen möglich. Zur Situation: Die Tigers Claw wird von eigenen Schiffen angegriffen. Wir haben wichtige Informationen erhalten, welche dringend zum Senat auf Terra gelangen müssen. Die Tigers Claw deckt unseren Sprung durch den Sprungpunkt. Ab sofort alle Freund/Feind-Kennungen ausschalten. Wir schießen erst zurück, wenn wir angegriffen werden und nur zur Selbstverteidigung. Ghost 1 und 2 sofort den Anflug zum Sprungpunkt Taranis erkunden, ob feindfrei. Ghost 6 und 7 im Abstand dahinter, Kontakt zur Staffel halten.“

„Ghost 1 und 2 bestätigt, sind schon unterwegs“, hört Garruz über das Headset vom Wing Leader der Aufklärer, Lt. „Whisper“, und knapp danach: „Ghost 6 und 7, verstanden“.

Die vier tiefschwarzen Hornet Ghost, die extra für Aufklärungsaufträge konzipiert wurden, lösen sich von der restlichen Staffel und verschwinden ohne jede Spur in der Dunkelheit des Alls.

„Hier Garruz.“ Unbewusst lässt der Squad Leader das „Black Tiger Leader“ vor dem Funkspruch weg. Irgendwie fühlt er sich nicht mehr als Mitglied der UEE. Es ist einfach zu unfassbar zu realisieren, was gerade geschieht. „Ich verlange viel von Euch, aber es ist besonders wichtig, dass wir unseren Auftrag ausführen. Wir werden direkt zum Sprungpunkt fliegen und zur Erde springen. Nach dem Sprung sammeln wir uns und warten auf die Tigers Claw. Abmarsch in Rotten, aufgelockerte Echelon-Formation, die Wing Commander übernehmen, Abflug!“

Nacheinander lösen sich die Hornets aus dem gewitterdurchwühlten Nebel und nehmen Kurs auf das Sprungtor. Mit tiefer Sorge um seine Kameraden auf dem Mutterschiff nimmt Garruz seine Position weit vorne in der Formation ein.

Viele Minuten verstreichen und Garruz beginnt sich etwas zu entspannen. „Black Tiger Leader, hier „Whisper“, mehrere Vanguards incoming, 10 Uhr“, tönt es in seinem Kopfhörer.

„Verdammt, ausgerechnet die Vanguard-Staffel.“ Das Schwesterschiff der Tigers Claw hatte vor ein paar Tagen erst nagelneue Vanguards mit „Sonderausstattung“ erhalten. Diese Schiffe waren zwar größer und nicht so manövrierfähig wie eine Hornet, aber dafür um ein vielfaches besser gepanzert und mit einer enormen Feuerkraft versehen. Sie mussten schon vor dem Angriff auf die Tigers Claw in Richtung Sprungtor gesendet worden sein, um diese zu blockieren. Mit ihrer großen Reichweite waren diese neuen Schiffe gerade auch für solche Langstreckeneinsätze gedacht.

„Ghost 1, hier Black Tiger Leader, beschatten und weiter melden, Leader an alle: Vanguards incoming, Combat Mode, wenn möglich durchbrechen.“

Sie sind entdeckt. Garruz schaltet sein Radar auf Aktiv, welches vorher auf Passiv geschaltet war, um seine Signatur zu verschleiern.

„Sie müssen durchkommen, sonst ist alles verloren!“, ertönt die Stimme des Commodore in Garruz Ohr, während er auf die ankommenden Signaturen auf dem Radarschirm starrt. Doch er ist niemand, der vor einem Kampf flüchtet.

„Leader an alle: Angriffsformation X-Ray, konzentriert das Feuer auf das Führungsschiff.“

Nacheinander kommen die Bestätigungen rein und die „Black Tiger“ schwärmen aus und gehen in Angriffsposition. Die Formation der Vanguard lockert ebenfalls auf. Sie greifen an. Noch bevor die Hornets in Reichweite sind, eröffnen die Vanguard mit ihren schweren Railguns das Feuer. Genau das ist der Plan des Manövers „X-Ray“. Den Feind zum Feuern zwingen und Lücken aufreißen.

Die Hornets weichen ohne eigene Verluste aus und versuchen sich von der Flanke oder von hinten tote Räume zu eröffnen, in denen man hineinstoßen und somit die Formation aufbrechen kann. Das gelingt sogar relativ gut, denn die linke Flanke der Vanguard-Staffel bricht auf. Ein Feuerball blitzt kurz im linken Sichtfeld von Garruz auf.

„Verdammt! Meldung!“, zischt Garruz ins Mikrofon.

„Hier „Goose“, meinen Wing Commander hat‘s erwischt.“

„Copy, „Goose“, Ausweichmanöver Charlie, Black Tiger 3, Position übernehmen!“

Wie programmiert rotiert die Formation durch, um sich gegenseitig Deckung zu geben. „Goose‘“ Wing verlässt dabei die Angriffsposition und Black Tiger 3 übernimmt. Diese Rotationsmanöver hat Garruz bis zum Erbrechen geübt, um Munition zu sparen und um Verluste zu vermeiden.

„Stiletto", Achtung du hast einen am Arsch, hochziehen!“, hört Garruz jemanden über Funk schreien und er meint „Lt. Hunter“ herauszuhören. „Na los … komm schon, ich bin gleich dran, „Stiletto“, halt noch ein wenig aus!“

Ein weiterer, aber größerer Lichtblitz breitet sich aus, als die Triebwerke einer Vanguard explodieren. „Woooohooo!“, ertönt es in den Kopfhörern.

Die Formation der Feinde bricht auf und die schweren Jäger nehmen eine Defensiv-Formation ein.

Die Vanguards erweisen sich als widerstandsfähiger als Gedacht. Viele scheinen schon schwere Schäden aufzuweisen und ziehen Plasmaspuren hinter sich her. Doch die Kampfkraft ist nach wie vor ungemindert.

„Black Tiger Leader an alle: Angriffsmanöver Zero! Ziel: Führungsschiff!“

Das Führungsschiff der Angreifer ist für einen Moment ohne Flügelmann. Diese Schwäche nutzt Garruz ohne Verzögerung aus. Wie ein Wolfsrudel nimmt die Black Tiger-Staffel eine Zangenformation ein, zündet die Nachbrenner und greift das Ziel von der Flanke aus an, denn genau dort befindet sich der Schwachpunkt.

Mehrere Rauchspuren und Feuerlanzen lösen sich aus unzähligen Rohren. Eine Hornet erhält schwere Treffer durch den Geschützturm der Vanguard und muss den Angriff abbrechen, aber die Treffer und die Raketen der anderen Jäger zeigen Wirkung. Schwer beschädigt kommt das Schiff ins Trudeln und es versagt die Energieversorgung. Die restlichen Vanguards weichen aus, um sich neu zu formieren.

„Black Tiger Leader an alle: Gute Arbeit, sammeln an Sammelpunkt Echo. Meldung!“

Nacheinander kommen die Meldungen rein. Verluste: Eine Hornet Totalschaden, drei weitere schwer beschädigt, aber manövrierfähig. Kaum sind Meldungen mit dem Codewort „Tiger“ zu vernehmen, mit welchem die Piloten die Einsatzbereitschaft ihres Jägers bestätigen, viele geben die Meldung „Winchester“ (nur noch Bordwaffen) aus.

„Das sieht nicht gut aus“, geht es Garruz durch den Kopf. „Wir haben uns gut geschlagen, aber ein weiteres Gefecht können wir uns nicht mehr leisten.“

Die Entscheidung über das weitere Vorgehen wird ihm in diesem Moment aber auch schon abgenommen. „Black Tiger Leader, hier „Whisper“, mehrere Bandits incoming, Vanguards und Sabres.“

„Uff …“ Garruz merkt wie sein Puls in die Höhe geht. Er atmet tief durch: „Hier Black Tiger Leader: Alle ab in den Nebel! Manöver Gamma! Ich wiederhole, Manöver Gamma!“

Nach einer harten Wende und einer Strecke, die unendlich erscheint, kommt der Nebel auf sie zu.

Garruz schaut auf seinen Timer. Die Sabres müssten sie eigentlich durch ihre höhere Maximalgeschwindigkeit ohne Weiteres einholen können. Er liebt die F7A Hornet. Ein robustes und extrem zuverlässiges Schiff mit überdurchschnittlicher Bewaffnung für diese Schiffsklasse. Durch das letzte Tech Upgrade wurde die Effizienz nochmals um etwa 20% gesteigert, aber in diesem Moment kommt es ihm so vor, als hätte man die Triebwerke dabei ausgelassen. „Komm schon, komm schon, komm schoooon!“ Garruz beißt die Zähne zusammen, der Nebel kommt immer näher.

Plötzlich bricht die Hölle über die „Black Tiger“ herein. Mit grellen Lichtblitzen wird mit einem Schlag der Wing von Lt. „Goose“ aus dem All gefegt.

„Feind! 3 Uhr! Hochziehen!“, schreit Garruz ins Mikrofon, während er reflexartig das Steuer hart nach oben reißt, so dass ihm schon fast schwarz vor Augen wird. Im Augenwinkel sieht er, dass sein Wing instinktiv das Gleiche macht.

„Merkt euch eines ihr Maden: Raus aus dem Feuer, über den Feind in eine taktisch gute Position gelangen und dann von oben herabstoßen!“, hört er seinen Fluglehrer sagen.

„Woher kommen die denn, Scheiße, was ist mit meiner Aufklärung?“ Das waren die ersten unkontrollierten Gedanken. Doch dann kommt der kühle Kopf zurück.

„Sabres sind Tarnkappenjäger … man sieht sie erst, wenn überhaupt, wenn es zu spät ist.“ Der Spruch des Offiziers bei der Einweisung in den neuen Jäger vom Typ Sabre kommt Garruz jetzt ziemlich makaber vor.

Weitere Explosionen tauchen unterhalb von Garruz‘ Position auf. Er ist sicher, dass es keine Sabres sind. Der Jagdinstinkt des alten Kampfpiloten bricht durch: „Alpha Wing, Tally Ho! Ziel 3 Uhr unterhalb.“

Garruz drückt das Steuer hart nach unten, um auf den feindlichen Wing Leader der hinteren Formation herabzustoßen. Seine Flügelmänner folgen ihm. Die Mantis Gatlings rütteln an den Waffenhalterungen, als sie der Sabre ihre heißen und tödlichen Küsse entgegensenden. Der erste Feuerstoß trennt den rechten Flügel des Wing Leaders sauber, wie mit einer Schweißnaht, ab. Der zweite Feuerstoß zertrümmert das Cockpit des rechten Flügelmannes und der Dritte lässt die Sabre in einem grellen Lichtblitz verschwinden. Eine weitere Sabre wird durch die Trümmer der Explosion schwer beschädigt und muss den Angriff abbrechen.

Garruz zieht eine harte Wende, um sich dem nächten Wing Sabres von der Flanke aus zu nähern. „Wow, da muss ich ja den Reaktor erwischt haben. Memo an mich: Falls ich mal eine Sabre fliege, unbedingt den Reaktor durch zusätzliche Panzerung vor Beschuss von oben schützen.“ Diese Aktion verschafft wichtige Zeit, damit sich der Rest der Staffel neu formieren kann.

Somit ist das Überraschungsmoment vorbei, das jedoch mindestens sechs Hornet-Piloten das Leben gekostet hat.

„Hunter“ an Black Tiger Leader: Wir haben eine Mission! Sie müssen durchkommen! Fliegen Sie in Richtung Nebel, wir geben Deckung!“

Garruz weiß, dass „Lt. Hunter“ Recht hat. Außerdem müssten jeden Moment die langsameren Vanguards eintreffen, dann wäre alles verloren. Garruz, der noch immer den Wing Leader der nächsten Feindformation im Visier hat, zögert nicht weiter und schießt zwei Heatseeker auf ihn ab. Der Gegner versucht abzutauchen und zündet die Gegenmaßnahmen, doch den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Beide Raketen zerfetzen das Triebwerk. Der Wing bricht auseinander und die drei anderen Sabres brechen ab, um sich neu zu formieren. Somit ist der Weg zum Nebel frei.

„Hier Ghost 1, die Vanguards sind gleich bei euch, wir versuchen sie aufzuhalten.“

„Ghost 1 hier Black Tiger Leader. Ihr habt nicht die geringste Chance gegen diese Kampfmaschinen! Versteckt euch im Nebel! Das ist ein Befehl!“

„Negativ, Sir, alles Gute, es war mir eine Ehre. Out.“

„Verdammt! Whisper!“ „Black Tiger Leader an alle: Durchbrechen Richtung Nebel! Wer noch genug Munition hat, gibt Feuerschutz! Im Nebel Manöver Gamma! Out“.

Während Garruz mit Nachbrenner zum Nebel steuert, blickt er in die Richtung, aus der die Vanguards kommen müssten. Er kann schwache Lichtblitze erkennen. Da, schon wieder eine etwas größere Explosion. Jetzt ein großer Lichtblitz. „Verdammter Narr…“

Der Annäherungssensor seines Radars fängt an, hektisch zu piepen und Garruz schaut auf den Schirm. Die Vanguards. Er beißt sich auf die Lippe, denn er erkennt, dass er es nicht mehr vor dem Feind in den Nebel schaffen wird.

„Bandits, 9 Uhr, hoch, incoming“, schnauft Garruz in das Mikrofon.

„Hier „Stiletto“, habe ebenfalls Bogey auf 12 Uhr, hoch.“

„Jetzt ist es vorbei, wir sind von der einzigen Möglichkeit, zu überleben, abgeschnitten. Von vorne, aus der Richtung des Nebels, kommen sie jetzt auch. Glückwunsch, die Sabre haben uns so lange aufgehalten … die Falle schnappt zu…“ Nun kann er das Schiff aus 12 Uhr ebenfalls sehen, aber es taucht nicht auf dem Radar auf. „Oh Mann, eine Idris … was denn noch?“

„Black Tiger Leader an alle: Jeder für sich! Macht das Beste draus. Viel Glück.“

Die Vanguard sind schon fast in Schussweite und die Idris steuert direkt auf sie zu. In Richtung 3 Uhr wäre noch Raum, aber da geht es zurück zu Helios IV.

„OK Alpha Wing, abtauchen, wir versuchen die Idris zu unterfliegen.“

Lichtpunkte lösen sich von der Fregatte, erst wenige, dann immer mehr, Dutzende…

Eine Idris ist mit vielen Raketenwerfern ausgestattet und es scheint, dass sie alle auf den Wing von Garruz abgeschossen werden.

„Alpha Wing, Gegenmaßnahmen auf mein Zeichen!“

Die ersten Raketen kommen in einem kleinen Bogen auf die Hornet zu. Doch Garruz stutzt. „Komischer Anflugvektor“, denkt er, als die Raketen knapp am Alpha Wing vorbeiziehen und Kurs auf die Vanguards nehmen, die fast in Schussweite herangekommen sind. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgen die Piloten die Raketen, die jetzt nacheinander in die Formation der Vanguards einschlagen. Mehrere Explosionen, immer mehr Raketen und ein völliges Chaos bei den Verfolgern.

„Ja! Jaaaa! Verdammt es ist die Aquitane!“, ertönt es laut aus dem Kopfhörer.

„Black Tiger Leader, hier ist Captain Gerald von der „Aquitane“, ich hoffe, wir kommen nicht zu spät, aber wir hatten da ein paar Probleme mit zwei Bengal.“

Jubel bricht unter den Piloten der Black Tiger-Staffel aus. Nun beginnen auch die Geschütztürme der Idris zu feuern.

„Wir geben euch Deckung, versteckt euch im Nebel.“

„Was ist mit der Tigers Claw?“, will Garruz wissen.

„Sie hat es leider nicht geschafft, ein paar Retaliator haben es durch unsere Verteidigung geschafft und konnten ihre Torpedos platzieren. Der Reaktorkern wurde beschädigt. Das Schiff war nicht mehr zu retten. Es ist explodiert. Wahrscheinlich keine Überlebenden. Commodore Sansky befahl mir, dass ich mich mit meinem Begleitschiff lösen und ihren Rückzug sichern sollte.“

„Verdammte Dreckskerle! Wie konnte es soweit kommen. Gerald, wie sieht es aus, können zumindest unsere zusammengeschossenen Hornets bei euch landen?“

„Negativ, das Landedeck steht in Flammen und unser Reaktorkern sieht auch nicht viel besser aus, als der der Tigers Claw. Wir mussten auch ein paar Torpedotreffer einstecken. Energie und die Feuerleitzentrale funktionieren, aber ich weiß nicht mehr, wie lange noch. Haut lieber ab, solange ihr noch könnt.“

Mittlerweile waren weder Vanguards noch andere feindliche Schiffe zu orten.

„OK, aber einige Sabres sind sicher noch in der Nähe, Gerald.“

„Lassen Sie das meine Sorge sein, ich habe da noch etwas in der Hinterhand, ich werde die Sabres schon erwischen.“

„Hier Garruz, verstanden. Vielen Dank.“

„Black Tiger Leader an alle: Ab in den Nebel, sofort!“

Er schaut sich um, als erschreckend wenig die Bestätigung zurückfunken. Bei einigen ist die Kommunikation ausgefallen und sie antworten mit Flügelwackeln, aber nur noch etwa die Hälfte der Piloten ist noch am Leben. Garruz schluckt.

So schnell die schwer beschädigten Hornets können, bewegen sie sich auf den Nebel zu. Als Garruz zurückblickt, schießt die Idris gerade Sonden ab, die in einiger Entfernung detonieren und eine Schockwelle aussenden. „Schlau, der alte Knabe. Durch die Schockwelle werden die Sabres sichtbar wie bei einem antiken Echolot, zwar nur kurz, aber es reicht für eine Zielerfassung.“ Wieder spucken die Raketenwerfer dutzendweise ihre tödliche Ladung ab. Einige Lichtblitze zeigen an, dass nur wenige Raketen ihr Ziel verfehlen. Blitze zucken aus den Anomalien. Die ersten Hornets werden vom Nebel verschluckt. Garruz lässt den Kanal offen, um die Funksprüche mitzuhören. Bruchstückhaft bekommt er einige Meldungen mit.

„…Verschossen … krscchht … das wars schrrr … keine Muniton mehr…. Fieeep … Kernbruch … alle in die Rettungskapseln…. Schuuuuuuu …“

Dann bricht der Funkkontakt ab und eine Schockwelle schüttelt die Piloten durch.

„Kernbruch“, denkt Garruz. „Das war‘s dann wohl.“

Die Minuten verrinnen nur sehr langsam. Garruz schießen tausende von Gedanken durch den Kopf. Er hasst es, untätig warten zu müssen. "Dieses unnütze Rumsitzen! Wie lange warten? Was als nächstes? Wer ist noch am Leben?" Garruz hat „Stilettos“ und „Hunters“ Stimmen gehört, aber von den Anderen weiß er nicht, ob sie noch mit dabei sind. "Lange können wir hier nicht mehr bleiben, über kurz oder lang müssen wir hier raus."

Nach etwa 30 langen Minuten entschließt er sich mal kurz nach dem Rechten zu sehen und gibt seinem Wingman ein Zeichen, was er vorhat. Vorsichtig zieht er die Maschine nur mit den Thrustern um 90 Grad nach oben. Vereinzelt sichtbarwerdende Sterne und dunkle Fetzen zeigen ihm an, dass er sich dem Rand des Nebels nähert. „Thruster aus und hinaustreiben lassen.“ Wie gehabt.

Als er eine Position mit einem guten Ausblick erreicht, traut er seinen Augen kaum. Nur wenige hundert Meter entfernt zieht langsam eine Reclaimer ihre Bahn, wobei die Greifarme des „fliegenden Schrottplatzes“ fleißig Trümmer einsammeln. Eine halb zerschossene Hornet wird grad in den Bauch der Reclaimer gezogen.

Diese Art von Schiffen wird meistens von Piraten oder Schrottsammlern benutzt, die sich wie die Geier auf die Reste einer Schlacht stürzen, um so viel verwertbares Material wie irgend möglich zu Geld zu machen. Nicht selten ist dabei schon so manches wichtiges Militärgut in falsche Hände geraten. Die UEE hat zwar auch ein paar dieser hässlichen Dinger, aber meistens werden private Bergungsfirmen mit dem Schrottsammeln beauftragt, sobald sichergestellt ist, dass sich kein wichtiges Material mehr in den Wracks befindet.

„Da! Eine Rettungskapsel der Aquitane!“ Die Reclaimer nimmt sie an Bord. Es gibt also Überlebende. Wieder eine… Garruz entschließt sich, die aktiven Sensoren einzuschalten. Am Rande des Nebels werden diese sowieso nur wenig anzeigen können.

Als das Radar die Reclaimer aufschaltet, ist Garruz auch nicht viel schlauer als zuvor. „Hmmm, ein Schiff des KARTELLS, ohne weitere Signatur. Merkwürdig.“

DAS KARTELL ist der UEE nicht sehr zugetan, aber auch nicht feindlich gesonnen. Sie haben den Nachbarsektor zur Verteidigung übertragen bekommen.

„KRT Freki. Komischer Name“, denkt Garruz.

Plötzlich kommt ein Funkspruch auf dem Black Tiger-Kanal rein.

„Tiger Staffel, hier Colonel Obutu, erster Offizier der „Aquitane“, bitte melden.“

„Hier Black Tiger Leader, schön Sie zu hören.“

„Gott sei Dank, Sie leben! Wir müssen uns beeilen. Bringen Sie den Rest Ihrer Staffel zur Reclaimer, sie wird uns hier rausbringen.“

Garruz sieht die Chance und seine Laune ändert sich schlagartig. „Können wir dem KARTELL trauen?“, fragt er, ohne dabei zu bedenken, dass jemand zuhören könnte.

„Sie können ja hierbleiben und warten, bis ihre „Kumpels“ kommen, Alter. Ich bin hier jedenfalls gleich weg, mit oder ohne Sie“, hört er eine raubeinige Stimme aus dem Hintergrund.

„Geben Sie mir fünf Minuten", antwortet Garruz, ohne lange zu überlegen.

"Dann kommen wir. Out.“

Garruz bringt seine Hornet wieder zurück in den Nebel und signalisiert den Anderen ihm zu folgen. Als alle in Reichweite der KRT Freki sind, werden die einsatzbereiten Hornets im Bauch des Schrottsammlers verstaut.

Ohne Umwege begibt sich Garruz auf die Brücke der Reclaimer. Einige mehr oder weniger unverletzte Mannschaftsmitglieder der Aquitane liegen oder sitzen in den Gängen rum. Ein dreckverschmierter Crewmen kümmert sich um die Wunden.

„Die restlichen Hornets würde ich sprengen. Ich hab nicht mehr so viel Platz. Diese fünf hier, dann ist Schicht im Schacht! Auch die Rettungskapseln werd ich wieder über Bord werfen.“ Das war die raubeinige Stimme aus dem Funkspruch gerade. Das muss der Captain sein.

Garruz nickt ihm zu.

„Übrigens, falls es wichtig sein sollte, ich bin Captain Sixxjo von der Forschungsstaffel Auriga des KARTELLS. Ich habe die Information über diese Raumschlacht bekommen und bin so schnell ich konnte hierhergeflogen. Mann, das hat sich ja mal gelohnt. Ich hab noch zwei schrottreife Sabre und eine halbwegs brauchbare Vanguard im Bauch und gleich nehm ich noch die Idris an den Haken! Das wird ne fette Prise geben!“

Garruz blickt den Mann erstaunt an. „Das soll unsere letzte Option sein?“, denkt der Pilot.

Colonel Obutu von der Aquitane kommt dazu. „Sixxjo ist eingeweiht, ich habe ihm von allem berichtet, was vorgefallen ist. Er hat sich bereiterklärt, uns mitzunehmen, wir verschwinden von hier.“

„Mir wäre die Reise in meiner Hornet aber lieber und Terra ist nur zwei Sprünge von hier entfernt. Ich muss sofort dorthin.“

„Tja, Junge“, gibt der Captain der KRT Freki zum Besten. „Die Sprungpunkte sind aber blockiert. Da ist kein Durchkommen. Ein paar Klicks von hier haben wir eine versteckte Basis. Dort geht’s hin und dann heißt es abwarten und Rum trinken. Bis dahin hab ich auch ein paar Käufer für eure Hornets gefunden.“

Garruz greift fast automatisch zu seiner Pistole, doch Sixxjo schlägt sich vor Lachen auf die Oberschenkel. „Hohohoho Mann, dein Gesicht hättest du sehen sollen. Ey Mann, ich wollt dich nur verarschen. Nein, kein Thema, ich bring euch erstmal zu meinen Chef und dann sehen wir weiter. Wird schon schiefgehen.“

Garruz schaut Colonel Obutu besorgt an.

„Sie haben es gehört … wird schon schiefgehen.“ Obutu beginnt ebenfalls zu lachen.


Kapitel 2

Garruz kommt es so vor, als vergehen die Tage wie in Zeitlupe. Dadurch, dass sich die Idris im Schlepptau befindet, kommt die KRT FREKI nur sehr langsam voran. Erst vorgestern hatte man den Rand des Nebels erreicht, welcher das Entdecken der Schiffe unmöglich macht und schleicht sich nun durch ein Asteroidenfeld. Immerhin konnten in der Zeit die Verwundeten versorgt und die Transponder der Schiffe ausgebaut oder umprogrammiert werden. Der Schiffsingenieur der Reclaimer und sein Team erweisen sich sehr hilfreich und mit Hilfe der Überlebenden der Aquitaine konnten sogar einige Hilfssysteme und ein paar Manövrierdüsen der Fregatte wiederhergestellt werden. Somit kam man auch relativ zügig durch das Asteroidenfeld, weil die Aquitaine viele Manöver aktiv unterstützen konnte. Garruz‘ Ungeduld steigert sich von Tag zu Tag ins Unermessliche.

„Captain Sixxjo!“ Dieses Mal klingt er besonders genervt, als er, wie jeden Tag, den Captain der FREKI nach dem Zielort der Reise fragt.

„Hmm, okay…“, hört Garruz den raubeinigen Captain sagen. „Wir sind wohl soweit außer Gefahr, dass ich dir wohl endlich unser Reiseziel verraten kann, bevor du mir den Schädel wegpustest oder dir deiner wegfliegt vor lauter Ungeduld. Wir fliegen abseits der Routen nach Charon, um dort die Schiffe zu zerlegen und ihnen ein paar neue Systeme zu spendieren.“

„Charon? Da herrscht doch Bürgerkrieg! Wieso Charon, nun rücke endlich mit der Sprache raus, ich habe es satt, im Trüben zu fischen.“

Als Colonel Obutu dazukommt, beginnt Sixxjo endlich zu erzählen. „Also, soweit ich das sehe und soweit unsere Aufklärung berichtet, werden wir nicht verfolgt und das Verschwinden der Fregatte wurde auch noch nicht bemerkt. Es ist auch unmöglich, unserer Spur durch den Nebel zu folgen. Wir konnten ein paar Klicks durch Cruise Mode gutmachen. Die Idris hält sich tapfer, ohne die reparierten Manöverdüsen hätten wir das nicht geschafft. Wir befinden uns nun am Rande zum Charon-System, dem Ziel unserer Reise. Im Charon-System unterhalten wir eine größere Basis und haben Zugang zu Ausrüstungen, die wir in die Schiffe einbauen werden, die wir nach der Schlacht bergen konnten. Die bekommen als Erstes mal eine neue ID. Ebenso wird die Idris umgebaut und wieder einsatzfähig gemacht.“

Garruz merkt, wie sich sein Gesicht rot färbt und sein Puls in die Höhe schießt. „Das dauert alles viel zu lange! Da draußen sind Menschen für ihre Überzeugung gestorben. Sie haben auf Freunde und Kameraden geschossen. Auf Helios wird ein Virus entwickelt, um eine gesamte Rasse auszulöschen. Wir müssen sofort nach Terra, um diese wichtigen Informationen zum Senat zu bringen. Ich verlange, dass meine Schiffe startklar gemacht werden, um den Rest kümmere ich mich dann schon!“

„Tut mir leid, was geschehen ist, Garruz, aber ohne die notwendigen Reparaturen auf Charon wirst du nicht weit kommen. Alle Sprungpunkte sind hermetisch abgeriegelt. Wir müssen einen anderen Weg finden.“ Der ehemalige UEE-Kampfpilot erkennt sofort, dass Sixxjo recht hat. Auch Colonel Obutu muss dem Schrottsammler zustimmen. Garruz‘ Blutdruck verringert sich. Nun kehrt auch seine Analysefähigkeit wieder zurück. Er versucht so viele Informationen wie möglich zu erhalten, um Alternativpläne entwickeln zu können.

„Was sind das für Schiffssysteme, von denen du sprachst?“, will er von Sixxjo wissen.

„Nun ja, ich darf dir nicht alles verraten, aber wir haben einen gewissen Einfluss auf die Firmengruppe GNP, welche, wie du sicher weißt, diverse Waffen-, Sensoren- und Schiffssysteme entwickelt. Diese werden in die Schiffe eingebaut. Wir könnten sogar noch einige spezielle Modifikationen einbauen, die nur dem KARTELL zu Verfügung stehen.“

Garruz und Colonel Obutu schauen sich überrascht an. Er hatte mal ein Dossier über das KARTELL gelesen, aber dass sie so gut organisiert sind, hätte er niemals vermutet.

„Jaaa, da staunt ihr, was?“, sagt Sixxjo mit einem stolzen Unterton in der Stimme.

„Und der Bürgerkrieg hier im System?“, will Garruz weiter wissen.

„Och, der … ja der ist sehr gut fürs Geschäft und um unsere Operationen zu verschleiern. Außerdem treibt er der den Preis für Waffen in die Höhe und die Leute zahlen ein Heidengeld, um aus dem System fliehen zu können. Die Kopfgelder sind auch nicht von schlechten Eltern. Keine Angst, sobald wir die restlichen Piratenclans assimiliert haben, werden wir das System wieder stabilisieren. Dann gehen die Grundstückspreise wieder in die Höhe, die Einwohner zahlen gutes Geld, um wieder nach Hause zu kommen, und der Markt findet reißenden Absatz von Agrargerätschaften, was wiederum gut fürs Geschäft ist.“

„Ja, dass DAS KARTELL so vorgeht, stand auch so in diesem Dossier“, denkt Garruz, spricht es aber nicht aus. Garruz‘ Alarmglocken schrillen. Er beginnt zu verstehen, mit welcher Organisation er es zu tun hat. Ein Satz aus dem Dossier fällt ihm in diesem Moment besonders ins Gedächtnis: „DAS KARTELL hat den Ruf, jegliche Güter in kürzester Zeit besorgen zu können, sofern die Bezahlung stimmt.“ Eine Frage liegt Garruz schon seit Beginn der Reise auf der Zunge, doch jetzt scheint sie angebrachter als je zuvor. „Was hat DAS KARTELL davon, wenn ihr mir helft?“

„Das, mein Freund, ist eine Frage an den Falschen. Die musst du schon meinem Chef stellen. Ich habe lediglich den Auftrag, euch reisefertig zu machen. Sobald die Schiffe einsatzbereit sind, geht’s in das Centauri-System und wenn wir in unserer Basis im Charon-System angekommen sind, werden alle deine Fragen beantwortet.“

„In das Centauri-System? Das ist ja am anderen Ende der Galaxis! Das ist inakzeptabel!“, erwidert Garruz.

„Das, oder ich setze dich und deine Leute auf Charon III ab, dann müsst ihr alleine klarkommen. Corran hat sicher ein interessantes Angebot für euch, das solltest du dir anhören.“

„Corran? Corran Dekkard? Das ist doch der Kopf des KARTELLS. Colonel Obutu, sag doch auch mal etwas, was hältst du davon?“

„Den Colonel kannst du getrost weglassen, Garruz. Ich habe meine Entscheidung schon getroffen.“

Die Worte des ehemaligen UEE Offiziers klingen bedächtig, ja fast schon traurig. „Ich hatte ja lange genug Zeit, um mir Gedanken zu machen. Was habe ich für eine Wahl? Sobald ich durch einen Scanner in den UEE-kontrollierten Welten gehe, werde ich festgenommen. Ich kann wohl kaum auf einen fairen und öffentlichen Prozess hoffen, nachdem was vorgefallen ist. Ich werde mich dem KARTELL anschließen. Hier ist der einzige Ort, wo ich wohl noch ein paar Jahre unentdeckt Leben kann. Sixxjo hat mir einen Posten auf einem Forschungsschiff angeboten. Außerdem können die grad ein paar Leute mit militärischer Ausbildung und Erfahrung gut gebrauchen. Die Bezahlung ist auch sehr gut. Wir können im Moment wenig tun, außer etwas Gras über die Sache wachsen zu lassen. Mit der Zeit wird es uns schon gelingen, die Infos nach Terra zu schmuggeln. Wer könnte das sonst, wenn nicht DAS KARTELL?“

Garruz sollte eigentlich überrascht sein, aber irgendwie konnte er sich das schon denken. „Okay, ich werde mit Corran Dekkard reden. Vielleicht hat er ja Wege und Möglichkeiten…“

Sixxjo nickt zustimmend. „Haut euch noch ein wenig aufs Ohr, wir sind in ein paar Stunden da, aber wir müssen nochmal durch das Gedinasho-Asteroidenfeld, in dem unsere Basis liegt. Das Feld hat so seine Tücken.“

Trotz des Rates kann Ordo nicht schlafen. Zu viele Gedanken schießen ihm durch den Kopf. „Ich muss mit meinen Piloten reden, ich kann ihnen die Entscheidung nicht abnehmen.“ Mit diesen Gedanken fällt er schließlich doch in einen kurzen, unruhigen Schlaf.

Als er wieder erwacht, lässt er seinen übrig gebliebenen Wing antreten und erklärt die Situation. „Stiletto“ und auch „Hunter“ sind ebenfalls der Meinung, das Gespräch mit Corran Dekkard abzuwarten. Die übrigen Piloten sind zwar auch nicht von der Situation begeistert, aber sie leben und haben immerhin ein paar Optionen zur Wahl. Einstimmig wird der Vorschlag angenommen, nach dem Gespräch mit dem Kopf des KARTELLS zu entscheiden.

Die restlichen Stunden vergehen relativ schnell, vor allem, weil die Anspannung unter der Crew steigt. Deutlich sind die Geräusche zu vernehmen, wenn kleinere Asteroiden gegen die Außenhülle schlagen oder entlangschrammen.

Garruz ist grad dabei, sein Schiff zu inspizieren, als der Deckoffizier der FREKI über die Lautsprechanlage den Eintritt in das Feld lautstark ankündigt. Er begibt sich auf die Brücke.

„Wir sind gleich da, nur noch ein paar Kilometer“. Sixxjo hat sich tatsächlich angewöhnt, eine kurze Meldung zu machen, wenn ihm Ordo über den Weg läuft, um nervigen Fragen zuvorzukommen.

Einige Bojen weisen den Weg zur Basis, die gut versteckt in einen der großen Asteroiden hineingebohrt wurde.

„Gedinasho Basis, hier KRT FREKI, bitte um Andockerlaubnis.“, funkt Sixxjo die Basis an.

„Hier Gedinasho Basis, willkommen daheim, Sixxjo“, ertönt es aus dem Lautsprecher auf der Brücke. Einige Rotten Cutlass flankieren nun die Reclaimer mit der Idris im Schlepptau.

Ohne weitere Probleme kann die Idris von der FREKI getrennt und an der Basis angedockt werden. „Meine Herren! Willkommen beim KARTELL! Bitte folgen Sie mir“, gibt sich Sixxjo übertrieben freundlich, zeigt Garruz und Obutu den Weg und macht einen Diener dabei.

Die Asteroidenbasis des KARTELLS ist einer Geheimbasis der UEE ebenbürtig, muss Garruz eingestehen. Einige Staffeln Cutlass und dutzende kleinere Transportschiffe finden Platz im Innern des Felsbrockens.

„Keine Jäger? Nur Cutlass als Geleitschutz?“, richtet Garruz die Frage an Sixxjo, der lautstark von einigen anderen Kollegen begrüßt wird.

„Ja, du wirst hier keine Jäger finden. Die Cutlass ist vielseitiger und man kann mit ihr auch Transporte durchführen. Waren und Personen, du verstehst was ich meine?“

Garruz nickt nur einmal kurz. „Klar, damit lässt sich besser Schmuggeln“, denkt er sich.

Beide ehemaligen UEE-Offiziere sind sehr beeindruckt von der Basis und dem Material, das verwendet wird. Die Station macht einen guten Eindruck. Auch scheint sie permanent gewartet und repariert zu werden. Hier und da liegen ein paar Schläuche rum und ein Licht flackert, aber das hat man schon auf so manchen Stationen gesehen. Alles in allem eine sehr gut gewartete Station.

Sixxjo bemerkt, dass sich Garruz erstaunt umschaut. „Alle Stationen, die als Hauptquartier in einem System dienen, sehen so aus. Das ist Corran sehr wichtig. Wir haben noch mehrere Basen auf Charon III, aber diese hier ist unser Kontrollzentrum.“

Garruz nickt anerkennend. „Wann können wir mit Dekkard reden?“

„Er ist auf dem Weg und wird morgen oder übermorgen hier sein. Ich zeige euch eure Quartiere. Ruht euch aus, ich hole euch, wenn er da ist.“

„Danke Sixxjo“, sagt Garruz. Der raubeinige Captain sieht ihn verwundert an. Zum ersten Mal hört er dieses Wort aus Ordos Mund. Er lächelt.

„Dankt mir nicht zu früh, ich würde euch alle für ‘n Kasten Rum ans Messer liefern!“

Sehr froh, endlich aus dem alten Blecheimer zu sein und etwas Sinnvolles zu tun, indem Garruz und der Rest der „Black Tiger“ die beschädigten Schiffe wieder kampftauglich machen, vergehen die zwei Tage, bis Dekkard eintrifft, wie im Fluge.

Garruz Ordo ist sehr beeindruckt von der Effektivität und Professionalität, mit der die Schiffe erst zerlegt, dann repariert und wieder neu aufgerüstet werden. Dabei wird ihm bewusst, dass einige ehemalige UEE-Techniker, Ingenieure und auch Offiziere ihren Weg zum KARTELL gefunden haben.

Auch die Ausrüstung ist Erstklassig. GNP versorgt das KARTELL mit nagelneuer Technik wie das von der UEE Navy in Auftrag gegebene V601-11 RADAR, oder die neuesten Antriebe aus der GNP Tonnere-Serie. Es scheint, dass es tatsächlich so ist, wie alle behaupten: DAS KARTELL kann alles besorgen.

Garruz liegt grad im Bauch seiner Hornet, um neue Leitungen zu installieren, als Sixxjo zu ihm kommt.

„Dekkard dockt in wenigen Minuten an, er will dich umgehend sehen.“

Ordo gibt das Werkzeug einem Techniker, gibt ihm noch ein paar Anweisungen und zieht dann den Overall aus, um sich im nahe gelegenen Waschbereich die Hände zu säubern. Dann folgt er Sixxjo in den Kommandobereich der Station.

Als das Schott zur Kommandobrücke aufgeht, sieht sich Garruz zum ersten Mal dem Kopf der umstrittensten Organisation im bekannten Universum gegenüber. Corran Dekkard ist etwa Ende 40, gutaussehend mit blondem, gepflegtem, lockigem Haar.

„Sie sind also Commander Garruz „Cardsharp“ Ordo von der legendären „Black Tiger“-Staffel. Wissen Sie, dass Sie einige meiner besten Piloten auf dem Gewissen haben und mich eine Menge Credits gekostet haben?“

„Sir, ich verstehe nicht …“, erwidert Garruz.

„Das „Sir“ können Sie weglassen. Einfach nur Dekkard oder auch „Chef“. Ja, bei einigen Aktionen haben Sie viel Material vernichtet. Aber Sie konnten ja nicht ahnen, dass das meine Leute waren. Der Vorfall 2938 im Tohil-System … eine komplette Lieferung war Futsch und ich musste meine Basis aufgeben. Aber lassen wir die alten Geschichten ruhen. Ich habe so einiges gehört, aber bitte berichten Sie mir erst einmal.“

Dekkard bietet Garruz einen Platz an und stellt ihm einen „Sky Single Malt“ hin. „Immer noch Ihre bevorzugte Marke, oder?“

Garruz beginnt zu berichten und Dekkard hört gespannt zu. Ab und zu nickt er oder fragt nach kleineren Details, aber ansonsten unterbricht er nicht die Erzählungen. Nach Beendigung der Ausführungen des Kampfpiloten sieht Dekkard den nun doch sehr bedenklich wirkenden Mann ernsthaft an, indem er sich nach vorne beugt.

„Garruz. Das ist mein Angebot: Wir haben im KARTELL eine äußerst schlagkräftige Truppe in dem Bereich „Raumüberlegenheit“ unter dem Kommando von drei sehr fähigen Admirälen als Bereichsleiter. Wir brauchen immer gute Piloten, die unsere Handelsrouten, Basen und Konvois sichern. Wir sind militärisch organisiert und zahlen außergewöhnlich guten Sold. Treten Sie mit Ihren Piloten dem KARTELL bei und ich werde Sie beschützen, ihre Identität geheim halten und Ihnen zu gegebener Zeit helfen, die Informationen nach Terra zu bringen. Ich gebe Ihnen eine eigene Staffel und die Aquitaine als Flaggschiff. Was sagen Sie?“

Garruz blickt Dekkard aus den Augenwinkeln heraus an. „Was ich schon Sixxjo vor ein paar Tagen fragte. Was hat DAS KARTELL davon?“

Dekkard kneift die Augen zusammen. „Sie lernen schnell, gute Frage. Zum einen habe ich einige Schiffe, die noch Piloten brauchen. Die könnte ich auch verkaufen, aber für meine Zwecke sind sie unbezahlbar. Zum anderen ist draußen an der Basis eine echt hübsche Fregatte angedockt. Auch diese ist für meine Pläne extrem wertvoll.“

„Sie haben genügend Mittel, um sich auch so alles schnell beschaffen zu können“, fällt ihm Garruz ins Wort. „Um eine Partnerschaft zu beginnen, benötigt es eine gewisse Ehrlichkeit. Vertrauen muss man sich verdienen, aber ich muss grundsätzlich auf Ehrlichkeit bestehen, sonst muss ich Ihr Angebot ablehnen.“

„Nun gut. Um ehrlich zu sein, sind die Informationen auf dem Datenkristall von unermesslichem Wert für mich und für meine Forschungen. Ein Virus, das nur für den genetischen Code der Vanduul generiert wurde. Ich will ein Gegenmittel erforschen und es dann zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt bringen. Das sollte mich dann zum Marktführer in der Genforschung katapultieren.“

Garruz hatte es eigentlich schon erahnt. Dekkard geht es nur um zwei Dinge: Credits und Macht. „Eigentlich genau wie ein kleiner mieser Straßengauner“, denkt er, aber tief im Innern hat er schon seit seinem Abflug mit Sixxjo seine Wahl getroffen. „Was ist so verkehrt daran, sich irgendwann mal mit der Tasche voller Credits auf Goss niederzulassen und sich ein Strandhaus zu kaufen? Was bietet dir die UEE? Mieses Essen, schlechte Quartiere, einen jämmerlichen Lohn und eine magere Rente, mit der man nicht mal eine Woche Urlaub auf Goss machen könnte.“

Außerdem hat er nicht die geringste Wahl und das ist das, was Garruz am meisten frustriert.

„Abgemacht!“ Garruz steht auf, salutiert und gibt Corran Dekkard die Hand.

„Herzlich willkommen im KARTELL, Captain. Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass wir auch militärische Ränge haben? Ab sofort sind Sie im Dienst des KARTELLS im Rang eines Captains. Welchen Namen soll Ihre Staffel haben?“

„Garruz muss nicht lange überlegen: „Tiger Staffel. Sir.“

„Einverstanden, die haben wir tatsächlich noch nicht. Bringen Sie Ihre Schiffe auf Vordermann, ich erwarte Sie in drei Monaten im Centauri-System. Wenn Sie etwas benötigen, dann brauchen Sie nur etwas zu sagen.“

Autor: Kyle_Hawk_Casey Korrektur: Malu23