Terra Gazette: Warum Gaith Riberio aus dem Rennsport ausgestiegen ist



12. Oktober 2946

von Riley Rudin

Redaktionsmitglied

Das vergangene Jahr lief für Gaith Riberio so gut wie perfekt. Er gewann jedes Open-Canopy-Rennen (Rennen mit offenem Cockpit), an dem er teilnahm, mit Ausnahme eines einzigen, dessen Ausgang so umstritten war, dass einige seiner Fans noch immer darüber debattieren. Bei seinen Fans und anderen Rennpiloten war er für seine beinahe unheimliche Fähigkeit bekannt, präzise und dennoch aggressive Richtungswechsel zu vollführen. Ebenso waren viele erstaunt, dass der kirschrote Hochglanzlack auf seiner von ihm selbst modifizierten 2942er Drake Dragonfly trotz seines kühnen Flugstils scheinbar nie einen Kratzer abbekam.

Der Hang des Rennpiloten, sich zur Schau zu stellen, reichte auch über die Rennstrecke hinaus. Riberios exzessives Partyleben lieferte viel Futter für Skandalblätter, deren Aufmerksamkeit seinen Bekanntheitsgrad nur noch vergrößerte. Schwergewichtige Sponsoren stiegen ein und die Open-Canopy-Racing-Liga (OCRL) tat alles, um Riberios Bad-Boy-Image zu vermarkten. Und dann, als gerade alles optimal zu laufen schien, stieg Gaith Riberio aus dem Rennsport aus.

Nachdem Riberio sein erstes Rennen verpasst hatte, drückte Darryl Misko, Präsident der Open-Canopy-Racing-Liga, die Enttäuschung seiner Organisation so aus: „Wir sind alle von dieser überraschenden Wendung schockiert. Gaith Riberio hat seine Verpflichtungen gegenüber der Liga, seinen Sponsoren und – am schlimmsten – gegenüber den Fans der OCRL missachtet.“

Kurz darauf verkündete Riberio formal seinen Rückzug in einer knappen Videobotschaft. Dabei behauptete er, der Entschluss, seine Rennkarriere zu beenden, habe mit den „idiotischen neuen Regeln und Vorschriften zu tun, die die OCRL eingeführt habe“. Diese Anschuldigung versetzte die Welt des Open-Canopy-Racing in Aufruhr und richtete die Aufmerksamkeit auf eine Reihe von Regeländerungen, die zuvor wenig bis gar nicht wahrgenommen worden waren.

Vor dem Februar-Rennen in Nemo, dem ersten an dem Riberio nicht mehr teilnahm, passte die OCRL eine Reihe von Regeln und Vorschriften an, die dazu dienen sollten, den Sport sicherer zu machen. Diese Änderungen beinhalteten neue Grenzwerte für das Übertakten von Komponenten, ein Verbot bestimmter Ultraleicht-Legierungen in Rümpfen und vieles mehr. Damals bestand Misko darauf, dass diese Anpassungen zwingend notwendig waren: „Das Open-Canopy-Racing bringt unbestreitbar einige Risiken mit sich. Aber das bedeutet nicht, dass wir die Sicherheit unserer Piloten aufs Spiel setzen. Wir glauben, die neuen Regeln werden unseren Fans aufregende Erlebnisse und unseren Piloten noch mehr Sicherheit bringen. Das ist eine Win-Win-Situation.“

Einige Rennpiloten in der OCRL waren über die Änderungen nicht glücklich, darunter Gaith Riberio und Meredith Aguilar. Aguilar ist die einzige Person, die Riberio seit seinem Einstieg auf der Rennstrecke  geschlagen hat. „Riby und ich haben viel über die Änderungen gesprochen“, berichtet Aguilar. „Uns erschienen viele der neuen Regeln extrem willkürlich. Er war davon überzeugt, dass die ganze Sache nur noch eine Zirkusshow war, um die Liga interessanter für potentielle Käufer zu machen.“

Im vergangenen Jahr hatte es Gerüchte gegeben, wonach Eldora Equity Partners ein Angebot für die OCRL vorbereiten würde. Darryl Misko, dessen Familie die Liga seit 43 Jahren besitzt, würde ein Vermögen machen, wenn der Deal über die Bühne ginge.

Darauf angesprochen, wischte Misko die Kritik an den neuen Regeln beiseite und beharrte darauf, dass diese nur im Interesse der Piloten seien. „Die Liga hat sich nach jahrelangen Recherchen und Untersuchungen von Rennunfällen auf diese neuen Regeln verständigt. In dieser Liga geht es darum, den besten Piloten zu feiern, nicht den letzten überlebenden.“

Misko und die OCRL verteidigten engagiert die neuen Regeln und starteten sogar eine Werbekampagne, in welcher die Fortschritte für die Sicherheit der Piloten hervorgehoben wurden. Derweil verweigerte Riberio nach seiner Ausstiegserklärung jedes Interview. Die Leute wollten mehr darüber erfahren, was den aussichtsreichsten Jungstar dieses Sports zum Ausstieg veranlasst hatte, dennoch schwieg er – bis jetzt.

Während der Recherche zu dieser Geschichte erhielt ich eine Nachricht von jemandem, der behauptete, Gaith Riberio zu vertreten. In der Nachricht wurde ich unter einer Vorbedingung zu einem Interview eingeladen: Sein gegenwärtiger Aufenthaltsort musste geheim bleiben.

Nachdem ich zu meiner Sicherheit einen Trupp Personenschützer engagiert hatte, machte ich mich zu dem vereinbarten Treffpunkt auf. Während wir uns in einer ruhigen Bar eine Flasche Sky teilten, stellte ich ihm die Frage, auf die alle eine Antwort haben wollten: Warum diese Geheimniskrämerei nach seinem Ausstieg?

Riberio atmete tief durch und lachte: „Um ehrlich zu sein, es wurde mir alles etwas zu viel. Ich wollte immer nur Rennen fliegen, aber als Profi immer mit Sponsoren, Fans und Paparazzi zu tun zu haben, das fühlte sich alles vollkommen falsch an. Auf die Strecke zu gehen, machte einfach keinen Spaß mehr, also bin ich nicht mehr hingegangen“.

In den nächsten Stunden erzählte Riberio sehr detailliert von seiner Liebe zum Open-Canopy-Racing. Der Kick, den er bei einer perfekt ausgeflogenen Kurve bekommt. Das Gefühl von Kraft, das ihn überwältigt, wenn die Triebwerke seiner Dragonfly zum Leben erwachen. Den Stolz, den er und sein Team aus dem Feintuning der Komponenten ziehen. Seine Liebe für den Rennsport ist unbestreitbar, genauso wie seine Enttäuschung über die neuen Regeln und Vorschriften der Liga.

„Glauben Sie mir, ich weiß besser, wie hoch ich meinen Reaktor aufdrehen kann, als irgend so ein Holzkopf im Büro, der einen künstlichen Grenzwert festlegt, damit die Liga ein paar Zehntelprozentpunkte Versicherungsprämie sparen kann. Nach einer ganzen Reihe solcher dämlicher Vorschriften fühlte sich das Ganze mehr nach Kastration als nach Rennsport für mich an“.

Nachdem ich Gaith Riberios Kommentare Darryl Misko mitgeteilt hatte, schüttelte dieser nur niedergeschlagen den Kopf. „Wir haben Ansprechpartner vor Ort, damit uns Piloten mit Rückmeldungen wie dieser erreichen können. Ich wünschte, er hätte die richtigen Kanäle benutzt, um uns seine Probleme mitzuteilen. Vielleicht hätten wir etwas machen können.“

Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, Riberio wieder in die Liga aufzunehmen, seufzte Misko schwer: „Ich sage einfach mal, das wäre ziemlich schwierig. Er hat eine Reihe von Verträgen mit Sponsoren und der Liga gebrochen. Es würde eine Menge Mühe für ihn bedeuten, das alles wieder zurechtzurücken.“

Für seinen Teil scheint Riberio mit der gegenwärtigen Situation zufrieden zu sein. Er fliegt noch immer Rennen, allerdings sind die Strecken, auf denen er heute antritt, alles andere als legal, geschweige denn offiziell. Laut Riberio sind Untergrund-Rennen populärer als jemals zuvor, da die Piloten sich hier zusammenfinden, um wirklich an ihre Grenzen zu gehen. Er behauptet, die Bezahlung sei vergleichbar und das Fehlen von Vorschriften befreiend. Er fliegt sogar unter einem Alias und empfindet die Anonymität als entlastend, nachdem er den größten Teil des vergangenen Jahres im Fokus der Medien stand.

Natürlich ist nicht alles perfekt. Auf die Frage, ob er den irgendetwas von der Profiliga vermisse, antwortet er sofort: „Ich vermisse die kirschrote Lackierung meines Bikes. Wollte nicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen, also habe ich es neu lackiert.“ Auf die Frage nach seiner jetzigen Farbe lächelt Riberio, „Sage ich Ihnen gerne … wenn Sie es für sich behalten.“

Für den Augenblick scheint Gaith Riberio sehr zufrieden, wie er sein Leben lebt. Außerhalb des Rampenlichts im Schatten der schwach beleuchteten Untergrund-Rennstrecken.

Übersetzung:  korasani   Korrektur:  Malu23   Originaltext