Terra Gazette: Hungersnot in Fora



6. Mai 2945

von Riley Rudin

freier Korrespondent

HYPERION, FORA: Sophia Ruiz hat seit fünf Tagen nichts mehr gegessen. Die 108-Jährige hat ihr gesamtes Leben auf Hyperion im Fora-System verbracht. Sie hat miterlebt, wie die Wüste mit den Hyper-Staubstürmen die Stadt langsam zurückerobert hat. Sie musste mit ansehen, wie Banditen und Geächtete die Kontrolle über ein System übernommen haben, dem die UEE geschworen hatte, es zu beschützen. Sie hat dort ausgeharrt, wo es nur wenig andere geschafft haben und sie hat ihre Welt noch nie in so einem schlimmen Zustand erlebt wie heute.

Seit sechs Monaten ist Hyperion von einer schlimmen Nahrungsmittelknappheit betroffen und nur wenige außerhalb des Fora-Systems wissen überhaupt davon. Wie Sophia Ruiz stehen die Menschen jeden Tag länger geduldig in den Schlangen vor den Lebensmittelausgaben, um dafür am Ende immer weniger Essen in den Händen zu halten. „Jeden Tag wird die Schlange länger“, sagt Sophia. „Jeder scheint darunter zu leiden, aber niemand unternimmt wirklich etwas dagegen.“

Während die offiziellen Versorgungsquellen für Nahrungsmittel langsam erlahmen, boomt auf Hyperion der Schwarzmarkt. Beim Besuch eines solchen Handelsplatzes sieht man Lebensmittel, welche die örtlichen Verkaufsregale füllen könnten, die bis für das Zehnfache des üblichen Ladenpreises verkauft werden. Zu diesen Preisen kann man mit dem durchschnittlichen Monatseinkommen eines Arbeiters auf Hyperion gerade einmal den Wochenbedarf einer vierköpfigen Familie decken.

Für viele wie Curtis Deacon ist die Nahrungsmittelbeschaffung zu einer schier unmöglichen Aufgabe geworden: „Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Meine Kinder brauchen was zu Essen. Sich in die Schlangen einzureihen, heißt nicht unbedingt, dass man auch Essen bekommt. Aber woanders hingehen, ist auch keine Lösung.“ Deacon gibt zu, dass er in der Vergangenheit Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt eingekauft hat. Aber damit hat er seine wenigen Ersparnisse aufgebraucht und jetzt weiß er nicht mehr, was er noch tun soll. Hungrig, erschöpft und mit Tränen in den Augen wendet er sich mit seinem Hilferuf direkt an die UEE: „Bitte, wir brauchen eure Hilfe! Ich schaff‘ das hier nicht mehr alleine. Wenn ich keine Hilfe kriege, bin ich nicht derjenige, der am meisten leidet. Es sind meine Kinder.“

Bis vor Kurzem sind die Hilferufe der Bevölkerung Hyperions auf taube Ohren gestoßen. Zwar verbreiteten sich die Nachrichten über die Hungersnot immer mehr im Spectrum, dennoch hält der Senat derzeit aufgrund geplanter Budgetkürzungen alle Ausgaben zurück. Mit der drohenden Kürzung des Militäretats vor Augen, widerstrebt es den Senatoren, Credits für neue Initiativen bereitzustellen.

Während die UEE die Probleme im Fora-System nur sehr schleppend angeht, eilen besorgte Bürger und Zivillisten zu Hilfe. Xavier Yu arbeitet für die auf Terra beheimatete Non-Profit-Organisation „Empire’s Overlooked“ („Die vom Imperium Übersehenen“), die sich für die nicht im Senat vertretenen Systeme einsetzt. Yu beklagt, dass die Teilnahmslosigkeit gegenüber der Hungersnot in Fora nur der jüngste Schandfleck in der Politik der UEE gegenüber dem System sei. „Die UEE hat die Bewohner Foras im Stich gelassen“, sagt Yu. „Der Senat hat darüber gesprochen, Hilfslieferungen zu veranlassen. Mehr ist nicht passiert, es wurde nur geredet und noch mehr geredet.“

Vor Kurzem hat Yu einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der sowohl den Menschen auf Hyperion helfen als auch den Ursachen der Krise auf den Grund gehen würde. Jedoch hat Senatorin Glasi von Vosca die Abstimmung über den Vorschlag verhindert. Senatorin Glasi hat ein Interview für diesen Artikel abgelehnt, aber ihr Büro hat ein Statement abgegeben, indem es unter anderem heißt: „Bevor der Kongress irgendwelche weiteren Ausgaben tätigt, muss erst die Debatte zum aktuell anstehenden Haushalt abgeschlossen sein. Es wäre von uns verantwortungslos, Geld auszugeben, dass wir vielleicht gar nicht haben.“

Enttäuscht und müde vom Warten auf ein Eingreifen der UEE begann Yu, private Spenden zu sammeln, damit Empire’s Overlooked Direkthilfe leisten kann. Zu Beginn der Woche verlud Yu persönlich Lebensmittel auf eine Merchantman für den Transport nach Hyperion. „Nach den Zahlen, die ich gesehen habe, hat sich das Volumen der UEE-Hilfslieferungen für das System nicht geändert“, berichtet Yu. „Diese kommen nur nicht in den Verkaufsregalen an.“ Indem er eine eigene Lieferkette nach Hyperion aufbaut, glaubt Yu garantieren zu können, dass die Nahrungsmittel Menschen wie Sophia Ruiz und Curtis Deacon auch wirklich zugutekommen.

Silva Sanderson ist eine von mehreren Sicherheitsdienstleistern von Terra, die Yu engagiert hat, um zu gewährleisten, dass die Nahrungsmittel ihren Weg in die Verkaufsregale der Läden und nicht auf den Schwarzmarkt finden. „Ich versuche mindestens einen humanitären Auftrag im Jahr zu anzunehmen“, erzählt Sanderson. „Die Leute auf Hyperion sind genauso Teil der UEE wie jeder auf Terra. Ich möchte, dass sie alle wissen: Die Stärke des Imperiums beruht auf seinen Einwohnern – und nicht unserer Regierung.“

Nur wenige Augenblicke später war die Merchantman voll beladen und hob ab. Die Nahrungsmittel im Laderaum werden die Hungersnot kaum mildern, aber sie könnten etwas in den Herzen und Köpfen der UEE-Bevölkerung verändern. Unmittelbar bevor er an Bord ging, sagte Yu: „Ich weiß, was ich getan habe, ist nicht genug. Aber jedes Bisschen hilft. Jeder Credit, jedes Foto und jedes Wort machen das Gesamtbild deutlicher sichtbar. Und sobald die Menschen sehen, was dort wirklich geschieht, wie können sie dann nicht aufstehen und helfen?“

Übersetzung:  korasani   Korrektur:  Malu23   Originaltext