Terra Gazette: Eingeständnis: Kriminalität auf Crusader nimmt zu!



2. August 2947

von Anna Folsen

freie Korrespondentin

Jett Barnes war noch nie in Orison auf Crusader. Der zweifache Sataball-Profiliga-Star, später berühmter Terra-Geschäftsmann und Philanthrop, war zwar viel durch die UEE gereist, hatte aber noch nie auf den schwebenden Plattformen der malerischen Stadt gestanden. Nach einem Geschäftstermin am 26. Juni auf ArcCorp teilte er Geschäftsfreunden mit, dass er noch die weitläufigen Werften von Crusader Industries über dem gewaltigen Gasriesen besuchen wollte. Er stieg in seine Origin Jumpworks 600i und startete in Richtung des Planeten. Tragischerweise kam er dort nie an.

Nach wochenlanger Suche wandte sich Barnes‘ Familie an die Öffentlichkeit, mit der Bitte um mögliche Hinweise auf seinen Verbleib. Schließlich entdeckte eine Freelancer-Besatzung am 23. Juli auf einem Versorgungsflug nach Cellin, einem der Monde Crusaders, ein Trümmerfeld. Aus den Wrackteilen konnte eine Blackbox geborgen werden, die den Sicherheitskräften von Crusader ausgehändigt wurde. Eine gründliche Untersuchung ergab, dass das zerstörte Schiff Barnes gehört hatte.

Die Neuigkeiten über Barnes‘ Tod verbreiteten sich schnell und plötzlich wurde Crusader mit Presseanfragen zu weiteren Details überschwemmt. Trotz des öffentlichen Drucks weigerte sich der Konzern, weitere Informationen herauszugeben. Quellen aus dem Umfeld der Ermittlungen zufolge ist der Grund für dieses Schweigen sehr einfach: Die Ermittlungsteams der Sicherheitskräfte von Crusader haben schlicht keine Ahnung, was vorgefallen ist. Die Aufzeichnungen der Blackbox waren beschädigt und vollkommen nutzlos, lediglich der Schiffseigentümer konnte damit identifiziert werden.

Yu Sorenson, Sicherheitsexperte bei TPQ Consulting, ist über den Stand der Ermittlungen nicht verwundert.

“Sehen Sie, das ist ganz was anderes als eine Untersuchung, wie sie die Advokatur durchführen würde”, erklärt Sorenson. „Wen auch immer sie an den Barnes-Fall gesetzt haben, er ist wahrscheinlich nicht besonders gut bezahlt und hat keine großen Mittel zur Verfügung. Um ehrlich zu sein, es ist gut möglich, dass diese Leute zuvor noch nie an einem Mordfall gearbeitet haben.“

Sorenson legte schnell dar, dass die Eigenheiten des Stanton-Systems eine einzigartige Situation in der UEE geschaffen haben – eine, in der Konzerninteressen praktisch über alles andere gestellt werden, selbst über die öffentliche Sicherheit. Sorenson und einige andere sehen darin den grundlegenden politischen Konstruktionsfehler des Stanton-Systems.

“Von den miserablen Arbeitsbedingungen auf Hurston zu der auffallenden Unfähigkeit Crusaders, für Sicherheit um den eigenen Planeten zu sorgen, wird jetzt offensichtlich, dass jedes Unternehmen letztendlich nur die eigenen Profitinteressen im Auge hat“, argumentiert Sorensen. „Es ist unglaublich: Sicherheitsentscheidungen werden auf Grundlage der Kosteneffektivität für das Unternehmen gefällt und nicht nach dem bestmöglichen Nutzen für das Gemeinwohl.“

Der tragische Tod von Jett Barnes ist lediglich das jüngste Ereignis, das uns die wachsenden Sicherheitsprobleme im Stanton-System vor Augen führt. Viele unabhängige Beobachter haben Berichte über die wachsende Kriminalität im Stanton-System veröffentlicht, allerdings stehen diese Zahlen in starkem Widerspruch zu den offiziellen Kriminalitätsstatistiken des Systems.

Laut Morgan Becker, Mitglied des Terra Zentrums für Gerechtigkeit und Co-Autor eines dieser Berichte, „hat es sich als zweischneidiges Schwert erwiesen, dass diese Firmen für ihre eigene Sicherheit zuständig sind. Zwar erspart es dem Imperium Ausgaben, aber es macht das Führen von genauen Kriminalitätsstatistiken nahezu unmöglich.“

Becker erläutert, dass, als die UEE die Verwaltungsrechte an den vier Planeten des Systems an die Mega-Konzerne Hurston, Crusader, ArcCorp und microTech verkaufte, in einer Vertragsbedingung festgelegt war, dass jedes Unternehmen alleinverantwortlich für den Schutz seines Planeten und des umgebenden Raumsektors sein sollte. Dabei musste nicht nur jeder Planet das Grundgesetz der UEE und den Standard-Strafkodex anerkennen, die alle nicht im Senat vertretenen Planeten befolgen müssen, sie haben darüber hinaus auch regelmäßige, genaue Kriminalitätsstatistiken über die Vorkommnisse unter ihrer Verwaltung zur Verfügung zu stellen. Damals wurde diese Vereinbarung als kostensparende Alternative zur Entsendung von Advokatur- und/oder Marineeinheiten gesehen. Allerdings beinhaltete der Vertrag auch eine Klausel, nach der die UEE-Sicherheitsbehörden die Hoheit über das System zurückfordern können, wenn die Kriminalität darin ein „akzeptables Maß“ überschreiten würde.

Über Jahrzehnte schien der einzigartige Status von Stanton für beide Seiten von Vorteil zu sein: Die Kriminalitätsraten blieben niedrig und die UEE sparte Geld. In Wahrheit bedeutete die Abwesenheit imperialer Sicherheitsbehörden aber, dass wir für die Sicherheit auf die vier Konzerne angewiesen sind, obwohl es keinen glaubwürdigen Weg gibt, zu beurteilen, wie gut sie diese Aufgabe erfüllen. Die Statistiken, die wir zur Verfügung haben, werden von den Unternehmen selbst zusammengestellt und es gibt keine staatliche Überprüfung ihrer Genauigkeit. Natürlich ist es in ihrem Interesse, die Kriminalitätsraten niedrig zu halten. Stattdessen wurde die Aufsicht an unabhängige Monitoring-Gruppen wie das Terra Zentrum für Gerechtigkeit ausgelagert, denen die Ressourcen fehlen, um diese Aufgabe in vollem Umfang alleine wahrzunehmen.

Vergangenes Jahr fiel zahlreichen Analysten in ihren unabhängigen Untersuchungen ein Anstieg krimineller Aktivitäten auf. Dieser fand sich aber nicht in den Zahlen der regierenden Konzerne wieder, die, als sie mit dieser Diskrepanz konfrontiert wurden, auf ihre eigenen Daten beharrten.

“Im Prinzip haben sie uns aufgefordert, es zu beweisen”, sagt Becker. „Wir wussten, dass wir nicht das gesamte System beobachten können, so haben wir unsere begrenzten Mittel darauf fokussiert, kriminelle Aktivitäten um Crusader zu dokumentieren, wo die Bandenkriminalität zuzunehmen scheint. Nachdem wir mehrere Monate Zwischenfälle protokolliert hatten, haben wir unsere Ergebnisse kürzlich Crusader vorgestellt und sie damit in die Enge getrieben.“

Nach der Konfrontation mit den Zahlen des Zentrums hat Crusader heute eine überarbeitete Kriminalitätsstatistik vorgestellt, die näher an das herankommt, was das Terra Zentrum für Gerechtigkeit dokumentiert hat. Verantwortliche des Unternehmens haben eingeräumt, dass die Wahrnehmung von Polizeiaufgaben in den großen Weiten um ihren Planeten sich als wesentlich schwieriger und kostspieliger erwiesen hat, als zunächst angenommen. Aber sie haben versprochen, größere Bemühungen und Mittel aufzuwenden, um die Sicherheit in der Region zu verbessern.

Dennoch bleibt die Frage, ob solche Anstrengungen genügen werden, um das Fehlen der UEE-Behörden in dem System auszugleichen. Wie viele unschuldige Menschen, wie Jett Barnes und unzählige andere, müssen noch sterben, bevor die Kriminalität in dem System ein „akzeptables Maß“ übersteigt und sich die UEE zum Handeln gezwungen sieht?

Gerüchten zufolge wird die Sicherheit das Hauptthema der diesjährigen Konferenz des Stanton-Systems sein, des jährlichen Treffens, auf dem die Führungsetagen der Konzernplaneten systemweite Themen behandeln. Es gibt bereits einige Fürsprecher für die Aufstellung einer vereinigten Stanton-Miliz, aber es bleibt abzuwarten, ob eine so weitreichende Änderung von den Planeten wirklich erwogen wird.

Für den Augenblick können die Menschen nur darauf hingewiesen werden, dass sie auf ihr eigenes Risiko in das Stanton-System reisen. Die UEE wird nicht dort sein, um Sie zu beschützen und es gibt keine Garantie, dass die Sicherheitsdienste eines der Megakonzerne, denen die Planeten gehören, da sein werden, wenn Sie sie am meisten brauchen.

Übersetzung:  korasani   Korrektur: Malu23   Originaltext