Galactic Guide: Nemo



„Ergo, ich wurde verblubbert.“

T-Shirts mit diesem Spruch sind im ganzen Imperium allgegenwärtig. Jeder weiß, dass er sich auf den Weltraumwal bezieht, eine Touristenfalle im Nemo-System. Dennoch kennen nur diejenigen die Wahrheit, die diese Sehenswürdigkeit selbst besucht haben: Sie als Weltraumwal zu beschreiben, ist nämlich eine starke Beanspruchung der Vorstellungskraft.

Es stimmt, es gibt im Orbit von Ergo (Nemo III) diesen länglichen Asteroiden mit einem dicken Ende, der sich auf der anderen Seite zu einem schmaleren verjüngt. Es gibt auch tatsächlich Einheimische, die einem stundenlang einreden wollen, wie sehr dieser einem irdischen Wal ähnelt. Dennoch scheint es hauptsächlich um die Geschäfte und Attraktionen zu gehen, die errichtet wurden, um die hierher gelockten Touristen auszunehmen. Jeder Mitarbeiter des Galactic Guide, der zu diesem berühmt-berüchtigten Wahrzeichen gereist ist, kam zurück, um im Prinzip dasselbe zu sagen: „Ergo, ich wurde ausgenommen.“

Indem der Weltraumwal nicht hält, was er verspricht, passt er irgendwie zum Nemo-System. Von Ergo, einem ozeanischen Planeten mit gewaltigen Ölvorkommen, aber keinem (verbliebenen) einheimischen Leben, zu einem Systemnamen, von dem die meisten annehmen, er habe einen Bezug zu Wasser (der aber tatsächlich ein Akronym von Norman, Ellis, Mau und Ochoa ist – die Nachnamen der Gründer des Unternehmens NemoCo, dem die Entdeckung des Systems zugesprochen wurde), erweist sich das Nemo-System als ein Ort, an dem die Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.

Selbst das Datum der Entdeckung des Systems ist fragwürdig. Laut der offiziellen Dokumente entdeckte Dae-ho Ochoa das System im Jahr 2364, als er bereits Partner von NemoCo war. Aber manche glauben, dass er das System bereits 2362 erstmals besuchte und dass die Diskrepanz zwischen den beiden Daten auf eine Wirtschaftsintrige in dieser frühen, unregulierten Epoche des Terraformings zurückgeht.

Die Kontroverse zielt im Wesentlichen auf Ochoa, der 2362 als Sicherheitsdienstleister für den Terraforming-Konzern Tadmor im Fora-System arbeitete. Eine Tages verloren seine Kollegen den Kontakt zu Ochoa, als sich dieser auf einer Routinepatrouille befand. Als gerade eine Suchmannschaft losgeschickt worden war, tauchte Ochoa wieder auf und kündigte noch am selben Tag seinen Job – ohne jede Erklärung und auch ohne die Flugdaten seines letzten Tages abzugeben. Letzteres Detail wurde vom Tadmor-Management übersehen, das zu diesem Zeitpunkt schwer mit den Problemen um das verpfuschte Terraforming auf Fora III zu kämpfen hatte. Was Ochoa an diesem Tag gemacht hatte, führte schließlich zu einem Verfahren, in dem das Entdeckungsdatum Nemos in Frage gestellt wurde.

Im Jahr 2364 erwarb das frisch gegründete Unternehmen NemoCo von Tadmor alle in Fora befindlichen Terraforming-Stationen zu einem sehr günstigen Preis. Tadmor benötigte dringend Geld für seine juristischen Auseinandersetzungen und glaubte ein gutes Geschäft mit NemoCo zu machen, da sie davon ausgingen, dass diese die Kosten für die Demontage der gewaltigen Stationen schultern müssten, um sie durch den mittelgroßen Sprungpunkt des Systems zu bekommen. Allerdings verkündete NemoCo kurz nach dem Kauf die Entdeckung eines großen, uneingeschränkt zugänglichen Sprungpunktes von Fora zu einem gänzlich neuen System, das sie gleich Nemo nannten – ein schier unglaublicher Glücksfall, wie die Verantwortlichen bei NemoCo betonten. Für Tadmor war dieser Zufall aber zu unwahrscheinlich, um daran zu glauben. Insbesondere nachdem sie hörten, wer das neue System entdeckt hatte.

Dae-ho Ochoas Entdeckung von Nemo bewog Tadmor dazu, dessen Personalakte gründlich durchzugehen, was zu einer Neubewertung seines plötzlichen und ungewöhnlichen Abschieds vom Unternehmen führte. Tadmor erhob schließlich Klage gegen NemoCo, wobei Ochoa beschuldigt wurde, den Sprung nach Nemo am Tag seiner Kündigung entdeckt zu haben, womit ihnen Ansprüche auf eine Unternehmensbeteiligung an NemoCo zustünden. Was Tadmor neben den offensichtlichen Indizien aber wirklich benötigte, war Ochoas Navigationscomputer. Allerdings hatte Ochoa seine alte Aurora verkauft und gab sich ahnungslos, wo sich diese nun befand. Tadmors Detektive durchsuchten das gesamte bekannte Universum, allerdings konnten sie das Schiff nirgends finden. Ohne stichhaltige Beweise, um ihre Anklage zu untermauern, wurde das Tadmor-Verfahren eingestellt und das Unternehmen musste in der Folge abgewickelt werden.

Danach ist die Geschichte des Nemo-Systems in vielfacher Weise mit NemoCo verknüpft, nicht nur durch den Namen. Selbst der Wandel des Systems vom Ölversorger zum Touristenziel begann mit NemoCo. Sie waren die ersten, die den Weltraumwal im Universum vermarkteten und die veralteten Ölbohrplattformen von Ergo für den Tourismus umbauten. Dies zwar zu einem Preis, der das Unternehmen letztendlich ruinierte, jedoch die Grundlage für den Erfolg späterer Investoren legte. Trotz ihres unglaublichen Glücks mit Nemo litt das Unternehmen an Misswirtschaft, und da es nirgendwo anders im Universum Fuß gefasst hatte, verschwand es langsam von der Bildfläche.

Auch wenn NemoCo heute nicht mehr existiert – das System, das den Namen dieses Unternehmens trägt, blüht noch immer. Und genauso wie der Weltraumwal ist dieses System nicht immer das, was es zu sein scheint, aber dennoch sind die Menschen weiterhin davon fasziniert.

Nemo I

Der nächste Nachbar des Klasse F-Hauptreihensterns des Systems ist Nemo I. Heute ist dieser als ein Protoplanet ohne Bodenschätze bekannt. Die Prospektoren hatten allerdings einst dank MicroProbe geglaubt, er habe Potential. MicroProbe verkaufte sich selbst als die nächste Generation der Prospektionstechnologie, allerdings erwiesen sich die ersten vielversprechenden Scans auf Nemo I bei der Überprüfung als unglaublich fehlerhaft. Glücklicherweise wurde die Schrotttechnik von MicroProbe als solche entlarvt, bevor Schürfunternehmen Zeit mit Grabungen in der Ödnis von Nemo I verschwendeten.

Nemo II

Jahrtausende von Meteoriteneinschlägen haben auf Nemo II eine zerklüftete Oberfläche erschaffen. Neben der Erschaffung eines visuell interessanten Terrains haben die Meteoriteneinschläge auf dem Planeten kostbare Erze und Mineralien hinterlassen. Heute haben zahlreiche Bergbauunternehmen einen Claim auf Nemo II abgesteckt, um nach diesen wertvollen Ressourcen zu suchen.

Nemo III (Ergo)

Nemo III ist eine terraformte Ozeanwelt, die das Nemo-System bis heute bedeutsam für das Imperium macht. NemoCo hatte sich schnell auf Ergo eingerichtet, nachdem Scans umfangreiche Ölreserven unter dem Ozean entdeckt hatten. Nachdem das Terraforming abgeschlossen war, wurden riesige Ölbohrplattformen errichtet, viele davon gefertigt unter Verwendung der stillgelegten Terraforming-Stationen, um die Vorkommen unter Wasser auszubeuten.


Nachdem die Ölfelder erschöpft waren, wurden die Bohrinseln in dauerhaft bewohnbare Plattformen mit Geschäften, Restaurants und öffentlicher Infrastruktur umgebaut, um die große Zahl von Arbeitern aufnehmen zu können, die nach Beendigung ihrer Arbeitsverträge hierbleiben wollten. Im späten 27. Jahrhundert stellte eine Studie der Universität von Mentor fest, dass die Bewohner Ergos im Durchschnitt länger lebten als die Einwohner anderer Welten. Dabei wurden Worte wie „friedlich“ und „ruhig” verwendet, um den Planeten zu beschreiben. Diese allgemeine Wahrnehmung des idyllischen und entspannten Lebensstils auf Nemo verbreitete sich im Imperium und führte zu einer boomenden Tourismusindustrie. Über die Jahrhunderte haben ambitionierte Entrepreneure sogar Luxusplattformen gebaut, die ausschließlich für Touristen konzipiert sind.

Natürlich ist das größte Mysterium, wie diese enormen Mengen von Öl überhaupt unter Ergos Ozean gelangt sind. Als die Menschheit Ergo erreichte, war hier kein einheimisches Leben mehr vorhanden. Heute suchen Forscher immer noch nach Fossilien, die belegen, welche Lebewesen hier einst existierten. Während unbekannt ist, was genau geschah, ist die allgemein akzeptierte Erklärung, dass vor Jahrtausenden ein Ereignis ein Massenaussterben allen hiesigen Lebens verursacht hat. Diesen unbekannten und lang verschwundenen organischen Arten verdanken wir heute Ergos Ölvorkommen.

Bis heute existiert das Missverständnis, dass Ergos Ozean von Leben bevölkert ist, möglicherweise auch unterstützt von der Assoziation mit dem Weltraumwal. Tatsächlich wird in Ergos Anzeigen und Broschüren ein großer Aufwand betrieben, um diesen Irrtum aufzuklären. Es wird sogar speziell darauf hingewiesen, KEINE Angelausrüstung in den Urlaub mitzunehmen und wie viel sicherer das Schwimmen in Wasser doch ist, in dem alles fehlt, was dich fressen könnte.

Reisewarnung

Vergessen Sie nicht Ihren Sonnenschutz! Selbst kalte, bedeckte Tage können Ihre Haut gefährden, da das Wasser der gesamten Planetenoberfläche die Sonnenstrahlen reflektiert.

Stimmen im Wind

„Ich kann es nicht genau beschreiben, aber das Meer, das sich vom Horizont in alle Richtungen erstreckt, hatte etwas an sich, das beruhigend auf mich wirkte. Nachdem ich meinen Vertrag auf der Bohrinsel beendet hatte, sagte ich meinem Boss sofort, dass ich bleiben wollte. Hätte mir nichts ausgemacht, wenn sie mich zu einem Bohrhelfer gemacht hätte. Ich hätte jeden Vertrag angenommen, den sie gehabt hätte. Natürlich habe ich ihr den zweiten Teil nicht gesagt.“

– Anonymisierter männlicher Umfrageteilnehmer, Die Psychologie der Anziehungskraft Ergos, Clark & Meyer, 2697

„Am fraglichen Tag hatte Mr. Ochoa den Auftrag, in der Sektion zu patrouillieren, die jetzt den Fora-Nemo-Sprungpunkt beherbergt. Nach seinem mysteriösen und noch immer unerklärten Verschwinden fand der erste Kontakt mit Mitgliedern der Suchmannschaft, die ihn verzweifelt zu finden versuchten, 75 000 Kilometer vom Sprungpunkt entfernt statt.“

– Lynn Ahmed, Chefanwalt des Tadmor Terraforming Konzerns, 2364