Galactic Guide: Branaugh

Die meisten Menschen befanden sich schon einmal an einem Ort, der ihnen Unbehagen einflößte. Man kann nicht genau sagen, was es ist, aber irgendetwas ist beunruhigend. Sei es eine finstere Straße in Prime oder eine sich windende Schlucht auf Reis – es ist ein Ort, an dem Ihr Fluchtinstinkt einsetzt und Ihnen rät, dort schleunigst verschwinden. Für viele stellt das Branaugh-System den Inbegriff dieses Gefühls dar. Das System, das im vergangenen Jahr Gegenstand vieler politischer Diskussionen war, wird seit seiner Entdeckung im Jahr 2877 von dieser beunruhigenden, bedrohlichen Präsenz heimgesucht – und ein Entdecker bekam sie sogar noch früher zu spüren.

Erschaffen aus Blut und Leid

Desmond Fell träumte immer davon, die Sterne zu kartografieren. Schon als Kind, als er in der Nähe der Landeplätze auf Lo im Corel-System aufwuchs, malte er sich aus, wie es sein würde, das All zu erforschen, um dessen Geheimnisse zu entschlüsseln, und die verschiedenen Kulturen innerhalb der UEE kennenzulernen. Sein ultimatives Ziel war jedoch die Entdeckung eines neuen Sonnensystems.

Von Geologiekursen bis hin zu Wochenendausflügen zum Überlebenstraining auf Castor widmete Fell jeden wachen Moment der Aufnahme all dessen, was ihm in seiner gewählten Berufung helfen könnte. Er schloss ein Doppelstudium in politischem Diskurs und Geotechnologie an der ULON ab und begann sofort als Vermessungsingenieur für ein Bergbauunternehmen zu arbeiten, während er gleichzeitig Geld für ein eigenes Schiff ansparte.

Desmond schuftete für viele Jahre, verlor aber nie sein endgültiges Ziel aus den Augen, bis er schließlich im Jahr 2872 die heruntergekommene Aurora betrat, die sein erstes eigenes Schiff sein sollte. Der frischgebackene Entdecker besaß nun ein Schiff, eine Scanvorrichtung und einen Traum. Das letzte Teil des Puzzles fügte sich 2877 ein. Nachdem er sich zum Chronos-System aufgemacht hatte, um endlich einen Blick auf das gewagte Synthworld-Projekt der Regierung zu werfen, beschloss er, einige neue Scan-Mods zu testen, die er kürzlich erworben hatte.

Den ersten Ping nahm er nicht ernst. Überzeugt davon, dass die Anomalie durch einen Bedienfehler der neu installierten Geräte hervorgerufen wurde, führte er die Suche erneut durch.

Es pingte abermals.

„Plötzlich rutschte mir das Herz in die Hose“, erzählte Fell in einem Interview in der Sendung Showdown von 2879. „Das Adrenalin stieg mir in den Kopf, doch aus irgendeinem Grund wollte ich mich nicht bewegen. Ich war von der Angst ergriffen, zu träumen und durch eine Bewegung aus dem Schlaf gerissen zu werden.“

Doch er bewegte sich. Fell begann die Raumanomalie zu isolieren, um die genaue Position und den Winkel zu bestimmen, die für den Zugang zum Sprungpunkt erforderlich waren.

„Ich glaube, ich muss nicht näher darauf eingehen, wie nervenaufreibend es war, durch unerforschten Zwischenraum zu navigieren“, fuhr Fell in demselben Interview fort. „Aber als ich auf der anderen Seite herauskam und meine Scanner anzeigten, dass es sich um ein unentdecktes, unberührtes System handelte – dieses Gefühl wird mich den Rest meines Lebens begleiten.“

Nachdem er schnell nach Chronos zurückgekehrt war, um sich mit Vorräten und Quantentreibstoff einzudecken, machte er sich daran, seine Entdeckung zu kartieren. Während seiner Reise durch das leere System dokumentierte Fell drei Planeten, die einen Hauptreihenstern des Typs K umkreisten. Nur der zweite Planet, der sich am Rande der habitablen Zone des Systems befand, schien potenziell bewohnbar zu sein. Während Fell einen Quantensprung zum Planeten durchführte, bereitete er seine Scanner für eine vollständige planetare Vermessung vor.

Er drang durch die turbulente Atmosphäre und flog entlang des felsigen Geländes. Der Planet schien leblos, was nicht überraschte, wenn man die Stürme und starken Winde bedenkt, die ständig auf sein kleines Schiff einpeitschten.

„Ich gebe zu, ich war ein wenig zwiegespalten, als ich den Planeten vermaß. Ein Teil von mir wollte nicht gehen. Ich meine, dies war wahrscheinlich das einzige Mal, dass ich einen Planeten ganz alleine erleben würde. Ich war also durchaus aufgeregt, doch ein anderer Teil von mir wollte dort schleunigst verschwinden. Der Ort, das Wetter, die Landschaft – alles schien bedrohlich.“

Als er seine Suche beendete, fand Fell etwas, das letzteren Instinkt verstärken sollte.

Ein anderes Schiff. Es saß an der Spitze eines gewaltigen Vorsprungs und war von den wirbelnden Partikeln in der Luft kaum zu unterscheiden. Fell landete in dessen Nähe und untersuchte es. Obwohl das Schiff halb begraben war, schien es nicht abgestürzt zu sein; es sah aus, als sei es explodiert. Bei einer näheren Untersuchung entdeckte er Brandspuren, die unverwechselbar von Laserfeuer stammten. Fell untersuchte die Umgebung und fand eine kleine Höhle.

Im Inneren befand sich eine Leiche.

Ein unheilvoller Beginn

In einer einzigen Stunde reichte Desmond Fell ein Formular über die Entdeckung eines Sprungpunktes beim Ministerium für Verkehr und Navigation und einen Bericht bei der Advocacy ein. Während imperiale Vermessungsingenieure das System unter die Lupe nahmen, leitete eine gemeinsame Task Force von Advocacy-Agenten und der Navy-Untersuchungsabteilung aus Chronos eine Untersuchung ein.

In den nächsten Monaten gab es mehrere merkwürdige Ereignisse. Die Versuche der Vermessungsingenieure, das System zu analysieren, wurden durch die geringe Größe des Sprungpunktes in das System behindert. Da es ihnen nicht möglich war, große Transportschiffe einzusetzen, waren sie gezwungen, große Ausrüstungstücke für den Transport in kleinere Komponenten zu zerlegen.

In der Zwischenzeit kam die Advocacy bei ihren Ermittlungen kaum voran, da die ungünstigen atmosphärischen Bedingungen jegliche Spuren vernichtet hatten. Es gelang ihnen jedoch, die Leiche als Theresa Branaugh zu identifizieren, eine Entdeckerin, die seit fast vier Jahren verschollen war. Basierend auf Interviews mit Freunden und Familienangehörigen sowie den wenigen Daten, die sie aus ihrem MobiGlas extrahieren konnten, ermittelten die Agenten einen groben Verlauf ihrer Bewegungen bis zu ihrem Verschwinden.

Die Geschichte, die sich zu entfalten begann, handelte von einer Forscherin, die, ähnlich wie Fell, ihr Leben dem Unbekannten gewidmet hatte, aber mit ihren Bemühungen wenig Erfolg hatte. Sie war hoch verschuldet und hatte sich wo immer sie konnte Geld geliehen, um weiter fliegen zu können. Als sie schließlich verschwand, vermuteten die örtlichen Behörden, dass sie mit einem Kredithai in Konflikt geraten war. Nun schien es, dass Branaugh das neue System entdeckt hatte und während der Vermessung auf jemanden gestoßen war, der es als Versteck genutzt hatte. Diese Begegnung sollte sie ihr Leben kosten. Leider konnte die Advocacy keinerlei Hinweise auf ihren Mörder finden und ihr Fall bleibt bis heute ungelöst.

Fell war von Branaughs tragischem Schicksal so bewegt, dass er seinen ursprünglichen Namensantrag änderte und das System nach ihr benannte, um ihre Entdeckung zu würdigen.

Beanspruchen oder nicht beanspruchen

Das frisch benannte Branaugh-System brachte jedoch noch immer einige Probleme mit sich. Der kleine Sprungpunkt machte es der UEE weiterhin schwer, große Maschinen in das System zu bringen. Gutachter erstellten Ressourcenabschätzungen, Ingenieure untersuchten die Aussichten des zweiten Planeten auf ein erfolgreiches Terraforming und das Militär führte eine strategische Analyse durch.

Schließlich präsentierten sie ihre Ergebnisse dem Senatsunterausschuss für Expansion. Unter anderem stellten sie fest, dass die potenziellen Ressourcen der Planeten kaum die Kosten und Zeit wert sind, die für die Zerlegung der Terraformingausrüstung sowie deren Transport in das System nötig wären. Der Senat empfahl dem Imperator schließlich, das System nicht in Anspruch zu nehmen, da die Kosten für die Errichtung von Siedlungen nicht durch die geringen wirtschaftlichen Anreize zu rechtfertigen waren.

Das System wurde in der Folge aufgegeben. Jahrelang waren die einzigen Besucher neugierige Entdecker, gelegentliche Bergarbeiter und Gesetzlose, die auf der Suche nach einem Versteck waren.

Im Jahr 2928 reiste ein Kartograph des ICC (Imperial Cartography Center (Imperiales Zentrum für Kartografie)) in das System, um eine Reihe von Langstreckenscans durchzuführen, und entdeckte etwas sehr Interessantes.

Die neuen Einwohner

Seit sich die Tevarin als Reaktion auf ihre Niederlage im Zweiten Tevarin-Krieg von ihrer Kultur losgesagt hatten, schien ihr Volk ziellos in der UEE umherzutreiben. Während einige versuchten, sich mit der Regierung zu arrangieren, die ihnen Assimilation in die menschliche Kultur anbot, versank die Mehrheit der Tevarin in Verzweiflung und tauschte ihren kultivierten Kriegerkodex gegen schlecht bezahlte Schläger-Jobs ein. Viele wollten einfach nur in Ruhe gelassen werden, zufrieden damit, ihre Tage mit Trinken und Kämpfen zu verbringen. Sie waren von der UEE zweimal besiegt worden. Diese Tatsache wurde zähneknirschend akzeptiert, aber das bedeutete nicht, dass es ihnen gefallen musste.

Nachdem die UEE das Branaugh-System offiziell aufgegeben hatte, drifteten im Laufe der Jahre viele Tevarin in das System. Nach allem, was man hört, schien dies jedoch keine konzertierte oder organisierte Imigration gewesen zu sein. Branaugh repräsentierte scheinbar einfach das, wonach diese Tevarin suchten: eine unbeachtete Ecke des Universums, in der sie unbehelligt blieben. Trotz der völlig lebensfeindlichen Umgebung und der nicht atembaren Atmosphäre sind seither weitere Tevarin und andere Auswanderer nach Branaugh II sowie in das nahe gelegene Asteroidenfeld gezogen und haben sich diesen Ort zu ihrer Heimat gemacht.

BRANAUGH I

Dieser kleine Gesteinsplanet ist vor allem für seine schnelle Umlaufbahn um den Stern des Systems bekannt.

BRANAUGH II

Der unmittelbar auffälligste Aspekt von Branaugh II sind die atemberaubenden Ringe, die den Planeten umgeben. Doch für die meisten endet die Schönheit dort. Die Oberfläche ist eine unerbittliche Landschaft aus zerklüfteten Felsen, starken Winden und aufwühlenden Sturmsystemen. Die Vermessungsingenieure waren nicht davon überzeugt, dass das Terraforming, welches erforderlich wäre, um die Atmosphäre atembar zu machen, auch in der Lage sein würde, das stürmische Wetter zu stabilisieren.

Als die Tevarin begannen, auf den Planeten zu emigrieren, besetzten sie zunächst die Außenposten und Einrichtungen, die ursprünglich von der UEE zur Untersuchung des Planeten genutzt und später aufgegeben wurden. Die meisten beanspruchten ihre eigene isolierte Ecke des Planeten, doch einige erschufen, aufbauend auf diese erste Gruppe von Außenposten, was auf Branaugh II einer Stadt am nächsten kommt. Die weitläufige Grenzstadt mit dem Namen Ne'er ist zum Haupthandelszentrum des Planeten geworden, in dem Waren gehandelt und Dienstleistungen angeboten werden. Auch können die Einheimischen hier ihre Vorräte abholen.

ASTEROIDENGÜRTEL BRANAUGH ALPHA

Dieser Asteroidengürtel liefert den Großteil der Einnahmen des Systems. Einwohner und kleinere Bergbauunternehmen bauen auf den verschiedenen Asteroiden Ressourcen ab und exportieren diese aus dem System. Aufgrund der geringen Größe des Sprungpunktes ist keines der großen Bergbauunternehmen in der Lage, seine größeren Maschinen hierherzubringen, so dass unabhängige Betreiber hier Fuß fassen können. Piloten sollten jedoch vorsichtig sein; einige der zurückgezogeneren Tevarin-Siedler, denen Branaugh II „zu bevölkert“ ist, leben im Gürtel. Die meisten Einheimischen vermeiden es sogar, ihn zu durchqueren, da hier angeblich jedes Jahr eine Handvoll Schiffe verschwinden.

BRANAUGH III

Dieser ausgedehnte Gasriese, der dank seiner andauernden weltweiten Stürme den Spitznamen „Tempest“ (Unwetter) erhalten hat, bietet die andere Einnahmequelle des Systems. Siedler von Branaugh II haben hier Sammelanlagen errichtet, um die Gase des Planeten zu veredeln.

REISEWARNUNG

Branaugh ist ein nicht beanspruchtes System und bietet nicht das Maß an Sicherheit, das zivilisierte Systeme genießen. Jeder Besucher sollte äußerste Vorsicht walten lassen.

Stimmen im Wind

„Nach all dieser Zeit kann ich es nicht glauben. All diese Leute, die mir sagten, ich solle einfach aufhören. Dass ich meine Zeit verschwende… Es ist allerdings seltsam. Jetzt, wo ich am Ziel bin, habe ich kein Verlangen, es ihnen unter die Nase reiben. Ihnen zu sagen: „Ich habe es euch doch gesagt.“ Sie wussten einfach nicht, wonach ich suchte. Dieses Gefühl genau hier und jetzt war alle Tiefpunkte wert. Aber für mich. Nicht für sie. Ich bin glücklich, ich selbst zu sein.“

– Letzter Journaleintrag von Theresa Branaugh


„Es ist fürchterlich. Mir fällt niemand ein, der dort leben wollen würde.“

– Auszug aus der Zusammenfassung der Ergebnisse von Dr. Ellis Vonat für den Senatsunterausschuss für Expansion