The Lost Generation Episode 1



Ein Donnern übertönte das Getöse der schweren Motoren. Der Gestank von Diesel und verbrannter Erde sättigte die Atmosphäre. Die Pause des Bergarbeiters war beinahe vorüber und er genoss einen letzten Zug aus seinem Stim. Er hätte schwören können, dass er das verdammte Ding gerade erst angezündet hat. Als er es auf dem losen, schwarzen Schutt austrat, sehnte sich sein Körper schon nach dem nächsten. Er ignorierte sein Verlangen und schloss sich dem Rest seiner Schicht auf dem langen Weg zur Arbeitsstätte an. Er ging an einer Flotte von HaulerVats vorbei. Die enormen kugelförmigen Fahrzeuge hielten sich mittels Antigravitation in der Luft, während ihre Saugvorrichtungen das aufgebrochene Lavagestein für die Verarbeitung aufsammelten. Weiter voraus standen die Scraper. Ihre Klingen heulten auf wie Geister, wenn sie in das Gestein schnitten.

An seinem eigenen Scraper angelangt, schlug er an das Fenster. Der Fahrzeugführer brachte das Fahrzeug schließlich zum Stillstand und stieg herab. Der Bergarbeiter kannte diesen neuen Typen nicht und würde auch keine Anstalten machen, dies zu ändern, nicht bei dem Tempo, in dem der Konzern Arbeiter verschliss. Er stieg ein und begann mit der Arbeit.

Im Laufe der nächsten Stunde arbeitete sich der Bergarbeiter durch weitere dreißig Fuß Lavagestein. Er konnte kaum seine Musik über die kreischenden Klingen und dröhnenden Motoren hören. In naher Zukunft würde mit Sicherheit ein weiterer Besuch beim Ohrenarzt anstehen. Er musste sich seine Bescheinigung verdienen und aus diesen Schächten rauskommen, bevor seine Ohren endgültig den Geist aufgaben.

Plötzlich kollabierte die Wand vor ihm. Der Computer zeigte eine Warnung an und der Bergarbeiter stoppte umgehend die Klingen. Er musste eine Luftblase, oder zumindest was auf diesem Planeten als eine solche bezeichnet werden konnte, oder einen anderen Gaseinschluss getroffen haben. Er wartete und hoffte, dass die Decke des Tunnels nicht einstürzen würde. Als der Kieselsteinregen schließlich aufgehört hatte, schnappte er sich seinen Luftsensor und stieg aus. Konzernvorschriften schrieben ausdrücklich vor, dass Gaseinschlüsse nach brennbaren Gasen untersucht werden mussten, bevor die Maschine ihre Arbeit fortsetzen konnte.

Noch immer in der kalten Luft dampfend, ging der Bergarbeiter an den Klingen des Scrapers vorbei und begann vor der Maschine mit dem Scan. Schien alles klar zu sein. Zumindest nichts Gefährliches. Er ging ein Stück weiter, um zu sehen, was den Einsturz verursacht hatte.

Und nun sah er es. Der Sensor fiel zu Boden.

Die riesige, aus Schrott zusammengebaute Station Spider im Cathcart-System war angeblich eine neutrale Zone für Piraten, Flüchtige und andere zwielichtige Gesellen. Doch sie war alles, nur nicht sicher, als Tonya Oriel, eine einzelgängerische Wissenschaftlerin und Erkunderin, durch die engen, verschlungenen Korridore sprintete. Das wurde langsam zur Gewohnheit.

Der Profit aus dem Kherium-Fund auf Hades II war noch größer, als sie zu hoffen gewagt hatte. Das meiste verschwand sofort in den Rachen von Gläubigern und Kredithaien, die an ihre sprichwörtliche Tür geschlagen hatten. Mit einem weiteren Teil konnte sie sich ein besseres Schiff leisten, doch den Rest gab sie für etwas Besonderes aus: einen Tevarin-Kodex, den originalen Text ihrer Kriegerreligion.

Nur ein paar Dutzend existierten noch nach der Säuberungsaktion des Zweiten Tevarin-Krieges, in der die meisten Tevarin ihrer Religion enttäuscht abschworen und ihre Kodexe verbrannten. Verschiedene Museen und private Sammler hatten sich alle bekannten Exemplare geschnappt, doch irgendwie war dieser Junkie in den Besitz eines Kodex geraten. Erst als Tonya mit dem Geld auftauchte, wurde ihm der tatsächliche Wert bewusst und er verdreifachte den Preis.

Also schnappte sich Tonya den Kodex  und nahm ihre Beine in die Hand. Ein Laserschuss flog an ihr vorbei und versengte die Wand. Tonya blickte zurück. Es war Nagia, ein Plünderer, der ihr mit seinem kaputten Bein und einer düsteren Mine hinterherlief.

„Es gibt kein Entkommen, Mäuschen!“, schrie er und feuerte einen zweiten Schuss ab.

“Wir hatten eine Vereinbarung, Nagia!”, rief sie zurück, ohne langsamer zu werden.

„Vereinbarungen ändern sich!“ Nagia feuerte ein weiteres Mal, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen.

„Das ergibt keinen Sinn!“ Tonya rannte an einer ankommende Besatzung vorbei und lief hinunter Richtung Hangar. Diese gingen dem Verrückten mit der Pistole schnell aus dem Weg.

Nagia rief über das Comm fieberhaft nach seiner Besatzung. Glücklicherweise war diese viel zu betrunken, um es mitzubekommen. Er schnaufte, während seine Füße über den metallenen Boden donnerten. Ihm wurde leicht schwindelig; er hatte schon lange nicht mehr so rennen müssen.

Nagia bog um die Ecke zum Hangar, gerade als der Antrieb startete, und wurde zurück durch die Tür geschleudert.

Tonya aktivierte die Beacon II ferngesteuert – ein Trick, den ihr neues Schiff auf Lager hatte. Sie rannte die Eingangsrampe hinauf. Als sie im Pilotensitz platznahm, lief Nagia zurück in den Hangar und feuerte auf das Cockpit. Die Schilde leuchteten kaum auf, als sie die Schüsse absorbierten. Es war, als würde man Kieselsteine gegen ein Schlachtschiff werfen.

Nagia rannte, um die Deckswachen, welche die Geschütztürme bemannten, zu alarmieren. Doch Tonya wartete nicht, um herauszufinden, ob er ihre Aufmerksamkeit bekommen würde. Nagia konnte sich nur noch ansehen, wie das Leuchten ihrer Triebwerke in der Weite verschwand. Er würde sie erwischen, er musste nur rausfinden wie.

Nach ein paar Momenten gab er auf und kehrte zurück zur Bar.

Als Spider weit in der Ferne war, setzte Tonya ihren Kurs. Sie wusste, eine echte Mahlzeit, ein Glas Wein und ihr neuer Kodex waren alles, was sie brauchte, um die Unannehmlichkeiten ihres Geschäftes mit Nagia zu vergessen.

Eine Nachricht erschien auf ihrem Bildschirm.

Sie nahm an, es ging um einen Auftrag. Die Details waren in ausweichendem Juristenjargon geschrieben, doch gab es bereits eine Entlohnung für das bloße Anhören des Angebotes. Drei Tage entfernt, wenn sie sich sofort auf den Weg machte.

Es sah so aus, als ob eine echte Mahlzeit noch warten müsste.

Die Beacon II geriet in einen gewaltigen elektrischen Sturm, als sie in die Atmosphäre eintauchte. Tonya flog über ausgedehnte Landflächen hinweg, die in Parzellen aufgeteilt worden waren, bevor sie bei Shubin Interstellars Unternehmenszentrale landete.

Ein Paar Sicherheitsbeamte eskortierten sie in einen kleinen Raum. Ein großer, hagerer Anwalt lächelte sie freundlich an, bevor er ihr dutzende Vertraulichkeitsvereinbarungen und andere Rechtsdokumente vorlegte. Sie sah diese durch, bis ihre Augen wehtaten. Nach einer Stunde unterbrach sie ihn.

„Können Sie mir wenigstens sagen, was meine Aufgabe ist?“

„Es tut mir leid, Miss“, sagte der Anwalt mit einem vergilbten Grinsen. „Ich bin verpflichtet, keinerlei Details preiszugeben, bis Sie die Dokumente ordnungsgemäß ausge …"

„Gut, gut, ich verstehe.”  Sie sackte am Tisch zusammen. Der Anwalt fuhr fort. Sie gab ihre mündliche Einverständniserklärung, eine Reihe Fingerabdrücke und unterschrieb sogar. Schließlich schien der Anwalt zufriedengestellt zu sein. Sie blickte zu ihm hinauf. „Kein Blut? Kein Urin?”

Der Anwalt sah sie verdutzt an.

“Nein, Miss. Ich denke nicht, dass das nötig ist.“

„Und nun?“

„Der Einführungslohn wird in diesem Moment auf ihr Konto überwiesen.“ Der Anwalt stand auf und führte sie hinaus. Sie gingen durch makellose weiße Korridore. Er hielt vor einer weiteren Tür an und legte seinen Daumen auf das Schloss. Sie öffnete sich und gab Einblick in einen großen Konferenzraum. Ein dickes, rechteckiges Fenster eröffnete die Sicht auf die Bergbaugrube.

Tonya ging hinein und sah sich die darin befindlichen Menschen an. Sie erkannte die meisten von ihnen, Deke Johnson, Squig Bentley, Arthur Morrow – dies waren Entdecker im weitesten Sinne des Wortes. Es waren Grabräuber, Plünderer, Trunkenbolde und Junkies, die sich etwas mit Geschichte beschäftigt hatten. Wenn dies Tonyas Konkurrenz war, wäre sie leicht gekränkt, mit diesen Degenerierten auf einer Liste zu stehen.

“Na, sieh mal einer an”, sagte eine Stimme hinter ihr. Tonya erstarrte, denn sie erkannte die Stimme sofort. „Wie man sich wiedersieht.“

Tonya drehte sich um. Senzen Turov zeigte ihr sein breitestes Lächeln.

„Schön, dich zu sehen, Tonya.“ Er trat vor, um ihr eine Umarmung zu geben. Tonya stoppte ihn mit einer Hand an seiner Brust und stieß ihn zurück. Er täuschte vor, beleidigt zu sein. „Was ist los?“

„Ich habe gerade geduscht.”

“Komm schon, Tonya. Du bist nicht noch immer eingeschnappt, weil…”

„Weil du mich ausgeraubt hast?“ Tonya sah aus dem Fenster. „Ich glaube, ich bin drüber weg.“

„Das hoffe ich sehr, du hast mein Schiff gestohlen und an es Piraten verkauft.“

„Mit diesen Reliquien der Xi’An konntest du zwei neue kaufen.“

„Tatsächlich waren es drei.“ Senzen streckte sich und lehnte sich an die Wand neben ihr. Sie scannte sichtbar gelangweilt den Raum. „Irgendeine Ahnung, worum es hier geht?“

“Nein.”

“Vielleicht sollten wir ein Team bilden, wie in alten Zeiten?”

„Da fliege ich doch lieber mit Squig“, sagte Tonya. Genau in diesem Moment rülpste und furzte Squig gleichzeitig. Er schien sehr zufrieden mit sich zu sein.

„Ja, nun, die Tonya, die ich kannte, brauchte einen Mann, der ihr ebenbürtig war, jemanden der sie herausfordern konnte.“ Senzen lehnte sich ein Stück näher an sie heran. Tonya blickte ihn an. Ihre Augen fixierten einander.

„Und du glaubst, das bist du?“

„Ein Mann?“

„Mir ebenbürtig.“

Die Tür öffnete sich. Gavin Arlington, Vorsitzender von Shubin, schritt in den Raum. Er sah beinahe nicht echt aus. Jede Faser und jede Falte seines Anzuges schienen, als hätten sie einen Zweck, als verlangte er von seinem Körper die gleiche Effizienz wie von seinen Arbeitern. Eine Armee von stoischen Assistenten und der Vorarbeiter flankierten ihn. Seine smaragdfarbenen Augen schätzten das Gesindel im Raum schnell ein.

„Folgen Sie mir.“

Arlington geleitete sie nach draußen. Alle Bergbauoperationen in Hörweite waren gestoppt worden. Es gab nur den heulenden Wind, das nun entfernte Donnern und das Knirschen des Schotters unter ihren Füßen, als sie in Richtung der Gruben gingen.

Fünfundvierzig Minuten des stummen Fußmarsches vergingen. Senzen blickte aufrichtig verblüfft zu Tonya. Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Das war wirklich bizarr. Sie näherten sich einem neuen Einschnitt, der in Dunkelheit gehüllt war, denn die Sonne war bereits untergegangen. Arlington hielt am Rand des Schattens neben einem dem Scraper an. Deke Johnson stolperte und fiel beinahe hin. Arlington drehte sich wieder zur Gruppe.

“Ohne Frage wundern Sie sich, warum ich Sie hier hergerufen habe“, sagte Arlington mit einem  abschätzigen Blick Richtung Deke. Dann nickte er dem Vorarbeiter zu.

Der neue Grabungseinschnitt wurde durch Licht erhellt. Alle brauchte eine Sekunde, bis sich ihre Augen darauf eingestellt hatten. Tonya blinzelte und konzentrierte sich auf eine helle Unregelmäßigkeit in der Mitte der vor ihr liegenden schwarzen Masse. Eingebettet in die Wand aus Lavagestein war eine glatte metallische Schicht, doch dies war kein Erz oder eine Mineralader. Es war eine geformte, hergestellte Platte. Tonyas erster Instinkt war, dass sie es mit einer Art Wrack zu tun hatte. Doch das war nicht, was sie verblüffte…

Auf der Oberfläche war ein verblasstes schabloniertes Wort zu erkennen.

Artemis.

Zur nächsten Episode geht es hier entlang.

Übersetzung:  Malu23   Korrektur:  alreadytaken   Originaltext