Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten, wodurch ich mich nur noch schlimmer fühlte.
Ich weine normalerweise nicht so schnell, erst recht nicht in der Öffentlichkeit. Tatsächlich war das einzige Mal, an das ich mich erinnere, vor anderen geweint zu haben, bei der Beerdigung meiner Mutter. Und da war es mir egal, was die Leute von mir dachten.
Die meisten Menschen, die aus dem Hafen kamen, waren geschäftlich unterwegs und stiegen in die Hovertaxen, welche sie zu ihren Meetings brachten. Als ich anfing zu schluchzen, war es, als hätte ich eine sehr ansteckende Krankheit. Alle machten einen weiten Bogen um mich.
Ich vergrub mein Gesicht in meinem Ellbogen und zog den Rotz zurück in meine Nase, der sonst auf meinen Lieblingspullover gelaufen wäre.
Als die Tränen getrocknet waren, nahm ich zitternd einen tiefen Atemzug.
Der Mann, der mein MobiGlas gestohlen hatte, war kein Schauspieler, so viel wusste ich.
Ich hatte solche Männer schon früher in die Goldenen Horde kommen sehen. Mein Vater hatte sie immer schnell wahrgenommen und mich zur Inventur nach hinten geschickt. Sie hatten etwas Instinktives an sich, wie Raubtiere inmitten einer Horde von Schafen.
Oben auf der Station war ich bereit, mir meine Illusionen zu machen. Der Hauptmann hätte eine Schauspielerin sein können, Teil einer Probemission. Aber diese Illusion war nun zerschmettert.
Außerdem realisierte ich, dass FTL mich vielleicht mit den falschen Daten losgeschickt hatte oder es waren die richtigen und sie hatten geplant, sie durch den Sicherheitsdienst zu schmuggeln. Und dieser Mann, offensichtlich irgendein Krimineller, wusste davon.
Das machte die Wiederbeschaffung der Daten sogar noch wichtiger. Ich kniff mir in meinen Arm, wütend auf mich selbst, dass ich so sorglos mit dem MobiGlas umgegangen war. Wenn ich es nicht zurückkriegen könnte, würde ich mit Sicherheit von FTL gefeuert werden, vielleicht müsste ich sogar eine Strafe zahlen. Dann müsste ich zurück zu meinem Vater, nicht nur gescheitert, sondern auch noch mit Schulden.
Aber wie sollte ich das MobiGlas zurückholen?
Wie Hauptmann Hennessy schon sagte, ich war ein blutiger Anfänger. Ich wusste nicht, wer dieser Mann war oder wo er hinwollte. Und jetzt hatte er schon gut zehn Minuten Vorsprung auf einem Elektromotorrad, während ich immer noch zu Fuß war.
Mein Magen grummelte und erinnerte mich damit an ein anderes Problem. Ich war am Verhungern. Schwach vor Hunger, genau genommen.
Mein Vater sagte immer, dass ich wie ein Vogel äße – wenn dieser Vogel ein Kondor wäre. Ich denke, ich hatte in etwa den Stoffwechsel eines Kolibris, aber das hieß, ich war durchgehend am Essen.
Aufzugeben hieß, etwas zu Essen zu bekommen. Es war ja nicht, als hätte ich eine Chance, diesen Typen zu finden. Ich entschied, zuerst einen Lamm-Kebab-Verkäufer zu finden, während ich mir meine Optionen überlegte.
Als ich die Gurte meines Rucksacks griff, berührte meine Hand die Kamera und mein Gesicht wurde rot vor Aufregung.
Ich setzte den Rucksack ab und durchwühlte ihn, bis ich mein anderes MobiGlas fand – das private. Ich hatte ganz vergessen, dass ich dieses mit einer (hoffentlich) laufenden Kamera auch noch dabeihatte.
„Bitte nimm noch auf, bitte nimm noch auf“, murmelte ich, als ich die Kameradaten öffnete.
Ich ließ die Erleichterung durch meine Lippen pfeifen, als ich sah, dass immer noch aufgenommen wurde. Zehn Minuten zurückgespult sah ich mir die Szene noch einmal an. Die Kamera war weiter unten, daher zeigte sie in einem Aufwärtswinkel nur seine Stirn und sein Kinn. Dann wackelte das Bild umher, als er das MobiGlas packte und davonfuhr.
Ich sah mir die Szene dreimal an, bis ich sah, was ich brauchte. Als erstes das Nummernschild des Motorrads mit einem Sticker des Verleihs drauf. Wenn er den Diebstahl nicht schon vor Wochen geplant und falsche Daten angegeben hatte, könnte ich seine Identität vielleicht über den Verleih herausbekommen.
Der zweite und beunruhigendere Hinweis war, dass er unter seiner Lederjacke einen Raumanzug trug. Ich hatte nur sein Gesicht gesehen, als er sich mein MobiGlas schnappte, aber in der Aufnahme war auch sein Oberkörper zu sehen.
Er hatte wahrscheinlich irgendwo auf dem Planeten oder im nahen Orbit ein Schiff versteckt, was außerdem bedeutete, dass er das Rad nicht zurückbringen würde.
Wenn ich herausfinden könnte, wo er es ausgeliehen hatte, könnte mir das verraten, wo er in etwa gelandet war. Eine Chance, aber nur wenn ich direkt an ihm dranblieb. Das hieß, ich würde nichts zu essen bekommen.