Nach etwa drei Stunden betrat eine Frau die Zelle. Sie war etwas älter, mit mokkafarbener Haut und starken Runzeln um Augen und Mund. Sie war einmal sehr schön gewesen, aber nun wurde dieses Aussehen von Pflicht und einer makellos aussehenden Uniform verborgen. Nicht mal ein einziges schwarzes Haar ihrer Frisur war nicht an seinem korrekten Platz.
„Sorri Lyrax?“
Ich nickte.
„Ich bin Hauptmann Hennessy, zuständig für diese Einrichtung. Es tut mir leid, dass Sie warten mussten, ich war unten auf dem Planeten“, sagte sie.
Die schläfrige Verärgerung war ihrem Gesicht sofort anzusehen, sie hatten sie in ihrer Freizeit gestört.
„Es tut mir Leid, dass Sie gestört wurden“, sagte ich und meinte es auch so, „aber können Sie mir sagen, warum ich hier festgehalten werde? Niemand wollte mir etwas sagen. Ich habe zwar immer noch genug Zeit, um meine Lieferung zuzustellen, aber ich bekomme einen Bonus für Geschwindigkeit. Niemand ist schneller als FTL, wenn Sie etwas geliefert haben wollen!“
Den letzten Teil, unser Firmenmotto, sagte ich in einer Singsang-Stimme, was ein leichtes Lächeln auf Hauptmann Hennessys Lippen zauberte. Es verschwand so schnell, wie es erschienen war.
„Ein Kurier also? Das hat mir niemand erzählt“, sagte sie, etwas finster blickend. Sie stand einen Moment mit gekreuzten Armen und auf ihre Lippe beißend nachdenklich da.
„Es gibt doch nichts schöneres als Bürokratie, um einem die Arbeit zu vermiesen“, sagte ich.
Sie stemmte ihre Hände in die Hüften. „Ich mache die Bürokratie hier.“
Ich schluckte und presste meine Beine aneinander. Das war ein dummer Schachzug.
„Passen Sie auf“, sagte sie, „ich will wieder zurück auf den Planeten, aber etwas auf Ihrem MobiGlas hat unsere neuen Sensoren ausgelöst. Und außerdem mögen wir es nicht, wenn jemand unsere Sicherheitsbereiche mit Kameras aufnimmt. Wir haben eine Kamera in Ihrem Rucksack gefunden.“
Vor Überraschung ließ ich ein kleines Fiepsen heraus. „Oh, das hatte ich ganz vergessen. Es ist mein erster Auftrag für FTL und das erste Mal, dass ich den Planeten verlasse. Ich dachte, ich nehme das alles auf. Einfach nur so.“
Ich hob eine Schulter zu einem halben Achselzucken. Hauptmann Hennessy murmelte irgendetwas.
„Zu der Datei, ich nehme an, das ist meine Lieferung“, sagte ich.
Sie holte ihr MobiGlas raus und fing an irgendwelche Informationen zu überprüfen. Dabei biss sie sich durchgehend auf die Lippe und seufzte. Ich nahm wahr, wie sie über ihre Schulter zurückblickte, als ob sie den Ort sehen könnte, an dem sie eigentlich gerade Urlaub machte.
Als sie mich schräg anblickte, wusste ich, dass ich in Schwierigkeiten war. Sie wollte zwar allem Anschein nach zu ihrer Freizeit zurückkehren, aber ich sah, wie ordentlich ihre Uniform war, und das bei einer so kurzfristigen Angelegenheit. Sie war eine Frau von Pflicht und Verantwortung.
„Die Größe der Daten auf Ihrem Gerät überschreitet bei weitem das, was FTL für Ihr Sicherheitslevel freigegeben hat“, sagte sie, mit einem Finger auf ihren Bildschirm tippend. „Als ein neuer Kurier sollten Sie gerade mal Rezepte für Lammbraten und vielleicht Baupläne für Fahrrader mit sich tragen dürfen. Eine solche Dateigröße sieht man normalerweise nur bei großen Industrieprojekten oder komplexen Systemen.“
Ich öffnete meinen Mund und wollte Hauptmann Hennessy bitten, den FTL-Hauptsitz auf Castra II anzurufen, die würden das für mich aufklären.
Aber ich zögerte.
Aus zwei Gründen.
Erstens würde es wahrscheinlich Tage dauern, bis sich das Unternehmen bei Hauptmann Hennessy melden würde. Ich müsste nicht nur die ganze Zeit in einer Zelle wie dieser verbringen, sondern würde auch meine Lieferung nicht schaffen.
Der zweite Grund war eher Spekulation, ein Gerücht. Während der wenigen Trainings- und Orientierungswochen, größtenteils über die Feinheiten interstellarer Reisen sowie einen erbärmlich schlechten Selbstverteidigungskurs, ging eine Geschichte über unsere anstehenden ersten Lieferungen um.
Es wurde gesagt, dass FTL neue Kuriere für ihren ersten Versuch üblicherweise auf Scheinmissionen schickte. Ein Mittel, um Loyalität und Können festzustellen. Einige behaupteten sogar, dass sie einem Hindernisse in den Weg stellen würden, dass sie unter anderem Schauspieler und echte Beamte einstellten, um zu sehen, wie die Neuen reagieren.
Daher schloss ich meinen Mund wieder, überdachte meine Antwort noch einmal und räusperte mich, um die Verzögerung glaubwürdig erscheinen zu lassen.
„Ich bin sicher, das ist nur irgendein Missverständnis“, sagte ich. „Vielleicht wollten die das ursprünglich einem anderen Kurier zuordnen oder haben meinen Sicherheitsstatus nicht bemerkt.“
Hauptmann Hennessy verschloss ihre Hände vor sich. „Oder Sie dachten, Sie könnten diese illegalen Daten an meiner Station vorbeischleusen. Oder möglicherweise arbeiten Sie für jemand anderen und sind dem Kurierservice nur beigetreten, um die Sicherheitsfreigabe auszunutzen, die Sie dadurch bekommen. Wir haben diese neuen Detektoren gerade erst installiert, von daher wusste niemand davon.“
Trotz meiner Unschuld fühlte ich mich schuldig. Hauptsächlich weil ich wusste, wonach es aussah, und es sah nicht gut aus.