One Last Job Episode 3



Jonah ging im Frachtraum auf und ab. Es fühlte sich wie Stunden an, dass Char und der Agent die Luftschleuse verlassen hatten. Nach allem, was er wusste, könnte der Agent sie bereits getötet haben. Doch er zweifelte daran. Char war dafür eine viel zu gute Kämpferin.

Doch allein und gefangen in seinem eigenen Frachtraum ging seine Fantasie mit ihm durch. Ihm schwirrten alle möglichen schrecklichen Szenarien durch den Kopf.

Jonah versuchte die Tür auf jede erdenkliche Art zu öffnen, doch diese wollte einfach nicht nachgeben. Dieser widerliche Politiker musste die Tür mit etwas blockiert haben. Nur der Gedanke daran, wie jemand sein Schiff beschädigte, brachte ihn in Rage.

Endlich, nach Johnas zigstem Versuch, die Tür zu öffnen, erschien Chars Gesicht auf der anderen Seite. Mit einem Grinsen öffnete sie die Tür.

„Wo ist Thrumm?“, fragte Jonah.

„Der macht ein Schläfchen.“ Sie drehte sich um und ging zum Passagierbereich, während sie ihm bedeutete, ihr zu folgen.

Jonah sah sich um, während er ihr folgte. Er entdeckte den Politiker genau vor der Cockpittür. Auf seiner rechten Gesichtshälfte zeichnete sich eine große Beule ab. Während seines Schlafes zuckten seine Augenlieder, doch abgesehen davon regte er sich nicht.

„Und der Agent?“, fragte Jonah. „Er hat dir keine Probleme bereitet?“

„Ich habe dir doch gesagt, ich kann auf mich aufpassen“, antwortete sie. „Aber es gibt ein Problem.“

„Und das wäre?“, fragte Jonah.

„Er wurde in den Raum geblasen“, antwortete sie. „Wir können ihn zurücklassen oder retten.“

Jonah starrte sie an.

„Das Problem ist nur“, sagte sie, während sie den Politiker anblickte, „dieser kleine Arsch hat uns vom Kurs abgebracht und uns so viel Zeit gekostet.“ Sie gab ihm einen Tritt. Der Mann stöhnte, wachte aber nicht auf. „Wir werden uns verspäten.“

Jonahs Magen drehte sich. Er blickte auf den bewusstlosen Mann auf dem Boden hinunter und dann zurück zu Char. „Wir können Ardoss nicht einfach da draußen herumschweben lassen.“

„Bist du sicher?“, fragte Char.

Jonah nickte. „Er hat uns geholfen.“

Sie nickte und änderte den Kurs des Schiffes. „Du ziehst es also durch? Du wirst ihm helfen, Mickey dranzukriegen?“

„Es ist ein Ausweg“, entgegnete er.

Sie lächelte. „Gut, ist auch höchste Zeit.“

„Ich muss es wissen, Char. Nach all den Jahren, warum hast du nie etwas gesagt?“

Char drehte sich um und blickte ihn an. „Du hast es nie erwähnt, also bin ich davon ausgegangen, dass du nicht darüber reden möchtest. Ich weiß es zu schätzen, dass du mich da nicht hineinziehen wolltest, dennoch habe ich immer auf dich aufgepasst. Bis jetzt war die Arbeit immer gut, beständig und auch nicht sonderlich gefährlich. Du bist mein Freund. Ich habe nur ungern mit angesehen, wie du für so einen Schleimbolzen wie Mickey Black gearbeitet hast, aber ich habe es verstanden. Die Zeiten sind hart. Aber dich zu beauftragen, jemanden zu töten? Das ist nicht okay.“

Jonah wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Handlungen hätten ihr das Leben kosten – ihr Leben zerstören können – aber sie war noch immer loyal. Er musste einen Weg finden, es wieder gut zu machen.

Schließlich erblickten sie Ardoss. Jonah wusste, sein Sauerstoff würde bald zuneige gehen. Diese Anzüge boten nur wenig Atemluft.

„Ich hole ihn“, sagte Char, während sie nach dem Helm griff.

Jonah folgte, doch sie schüttelte ihren Kopf.

„Ich kann die Kontrollen bedienen und die Rettung vollziehen“, sagte sie. „Bleib du hier und hab ein Auge auf ihn.“

Jonah blickte hinab auf Thrumm.

„Warum hat er das getan?“

Ihm ihren Rücken zugewandt zuckte sie mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich habe ihm eine verpasst, bevor er Ausflüchte machen konnte. Wir waren im Vakuum, ich hätte eh nichts gehört. Wir sind nah genug. Ich werde Ardoss reinholen.“

Jonah ersetzte sie am Steuer und sah sich an, wie sie aus dem Frachtraum in die Leere des Alls schwebte. Sie legte ihre Arme um Ardoss und zündete die Gegenschubdüsen, um sie beide zurück zum Schiff zu befördern. Der Anblick allein drehte Jonah den Magen um. Dort draußen verloren zu gehen, war beängstigend. Er hoffte, dass es Ardoss gut ging. Es wäre eine schreckliche Art zu sterben.

Als ihm die Sensoren anzeigten, dass sowohl Char als auch Ardoss an Bord waren und sich der Druck wieder ausgeglichen hatte, richtete Jonah seine Aufmerksamkeit auf den Politiker.

Er hockte sich neben den Möchtegernschiffsentführer und untersuchte ihn. Thrumm roch nach teurem Öl und trug einen edlen Anzug, der aus einem weichen und leichten Material bestand. Seide? Oder etwas Synthetisches? Was auch immer es war, es war teuer.

Er drehte sich, um sich die Schuhe des Mannes anzusehen. Leder. Echtes Leder.

Jonah rub sich das Kinn. Dieser Typ hatte einen teuren Geschmack, verlangte sogar eine Privatkabine auf einem Schiff, das nicht mal genug Platz für private Mannschaftsquartiere hatte.

Er gab dem Politiker eine Ohrfeige.

Thrumm stöhnte.

Jonah schüttelte den Bürokraten. „Hey Freundchen, aufwachen!“

Thrumms Augen öffneten sich und er murmelte etwas.

„Was war das?“, fragte Jonah. „Ich kann Sie nicht verstehen.“ Er zog Thrumm an seinem Hemd hoch.

„Töten Sie mich nicht“, flehte dieser mit erstickter Stimme.

„Das kommt darauf an, was Sie als Nächstes sagen“, antwortete Jonah.

Natürlich würde er ihn nicht töten, doch das musste der bürokratische Schweinehund ja nicht wissen. Er fühlte einen Adrenalinschub und seine Hände zitterten, jedoch nicht aus Angst. Es fühlte sich gut an, zur Abwechslung einmal die Kontrolle zu haben. Das Gefühl schockierte ihn so sehr, dass er den Mann beinahe fallen ließ.

„Es war erst ein bisschen“, sagte Thrumm. „Dann ist es mehr und mehr geworden. Ich konnte mir nicht helfen. Ich bin so lange damit davongekommen, dass ich nicht glaubte, irgendjemand würde mir auf die Schliche kommen. Ich bin nachlässig geworden.“

„Wovon reden Sie?“, fragte Jonah.

„Das Geld“, antwortete Thrumm. „Ich habe es genommen. Es tut mir leid.“

Jonah ließ den Mann los und seufzte. Thrumm winselte. „Werden Sie mich der Polizei übergeben?“

Jonah hob eine Augenbraue. „Für Diebstahl? Ich bin kein Polizist.“

„Aber dieser Mann“, entgegnete Thrumm, „er gehört der Advocacy an.“

Jonah starrte den Politiker einen Moment lang an, blinzelte und begann zu lachen. Er lachte so sehr, dass er auf sein Gesäß fiel. Es war so absurd.

„Habe ich einen Witz verpasst?“, fragte der Agent. Seine Stimme klang zerbrechlich. Jonah sah auf und bemerkte wie blass sein Gesicht war.

„Sie haben überlebt“, sagte Jonah.

„Ich weiß zu schätzen, dass sie mich gerettet haben“, erwiderte der Agent.

Jonah stand auf. „Wir hatten eine Vereinbarung.“

„Es war also der Politiker“, bemerkte der Agent, während er auf diesen hinunterblickte.

„Veruntreuer“, sagte Jonah. „Er dachte, Sie würden ihn in Ketten abführen.“

„Moment“, fragte Thrumm, „Sie sind nicht hier, um mich zu verhaften?“

Die Augen des Agenten weiteten sich und er hob seine Augenbrauen.

„Nein“, antwortete er. „Veruntreuung? Ihre eigene Regierung wird sich darum kümmern müssen. Sie hätten die Reise ohne Probleme beenden können und ich hätte Sie nicht zweimal angeguckt.“

Thrumm schien zusammenzusacken; auf seinem Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab. „Sie lassen mich also gehen?“

Der Agent schnaubte. „Verlassen Sie sich nicht darauf. Sie sollten das Leben eines Advocacy-Agenten wirklich nicht gefährden. Ich werde den lokalen Behörden eine Nachricht zukommen lassen, sobald das Schiff wieder voll unter Kontrolle ist. Natürlich angenommen, der Pilot lässt mich seine Kommunikationsanlage benutzen.“

„Nur zu“, entgegnete Jonah. Er wollte, dass sie diesen bemitleidenswerten Bastard für immer wegsperren.

„Ich schließe ihn in die Kabine ein“, sagte Char. „Wir sind wieder auf Kurs und sollten innerhalb einer Stunde beim Sprungpunkt sein.“

Jonah nickte ihr zu.

„Kopf hoch, Herr Thrumm“, sagte sie, während sie ihn aus dem Copckpit schubste. “Sie bekommen endlich ihre Privatkabine.“

Thrumm erblasste. Char führte ihn an den anderen Passagieren vorbei. Die Geschäftsfrau blickte erschrocken und der Jugendliche beugte sich in seinem Sitz vor.

„Hey Lady“, sagte der Junge, “kann ich als Nächster fliegen?“

Char schnaubte. „Besorgt dir ne Lizenz.“

„Also haben Sie sich mein Angebot durch den Kopf gehen lassen?“, fragte der Agent, während er die Cockpittür schloss.

„Ich will raus“, antwortete Jonah. „Und glauben Sie nicht, dass Mickey mich einfach so gehen lassen wird. Sie sind meine beste Chance. Wenn ich es nicht schaffe, Pietro wie vereinbart zu treffen, wird mich Mickey garantiert umbringen. Abgesehen davon haben Sie mein Schiff gerettet und wahrscheinlich auch mein Leben. Ich schulde Ihnen mehr als ich zurückzahlen kann.“

„Helfen Sie mir, Pietro zu schnappen, und wir sind quitt“, entgegnete Ardoss.

Jonah lächelte.

„Also wie nenne ich Sie?“, fragte er.

„Einfach Ardoss“, war die Antwort.

„Pietro war also Ihr Partner?“, fragte Jonah.

„Mehr als das. Er war mein Freund“, antwortete Ardoss.

„Und darum jagen Sie ihn?“

„Ja. Ich sollte derjenige sein, der ihn festnimmt“, sagte Ardoss. „Und wenn Char recht hat und Mickey ihn zu alledem gezwungen hat, kann ich ihm vielleicht irgendwie helfen.“

Jonah nickte.

„Wie hat Mickey Sie angeworben?“, fragte Ardoss.

Jonah deutete mit seinen Händen um sich und blickte auf. „Dieses Schiff. Ich konnte es mir nicht leisten und mir wurde kein Kredit gewährt. Seit ich ein Junge war, war alles, was ich wollte, mein eigenes Raumschiff. Doch meine Familie ist arm. Mein Vater war Maschinenschlosser und meine Mutter war krank.“

„Warum sind Sie nicht für ein Unternehmen geflogen?“, fragte Ardoss. „Die suchen immer nach Piloten.“

„Das habe ich zuerst auch getan“, antwortete Jonah. „Bei meinem ersten Auftrag flog ich als Copilot auf einem Frachtflug.“

„Es hat Ihnen nicht gefallen?“, fragte Ardoss.

Jonah schüttelte seinen Kopf. „Ich wurde gefeuert. Wir wurden von Piraten geentert. Eines der Besatzungsmitglieder hat versucht sie zu verjagen. Es waren zu viele für sie, um sie alleine abwehren zu können, also habe ich mich entschlossen, ihr zu helfen. Während des Kampfes wurden einige der anderen Besatzungsmitglieder verletzt. Das Unternehmen gab uns die Schuld. Sie sagten, dies wäre nicht passiert, wenn wir einfach kooperiert hätten. Bevor ich mich versehen hatte, stand ich auf der Straße. Danach hatte ich Schwierigkeiten Arbeit zu finden, konnte nie lange einen Job halten. Also entschloss ich, mich selbstständig zu machen. Ich besaß aber nicht das Geld um mir ein Schiff zu kaufen und niemand wollte mir eines vermieten, bis mein Unternehmen auf festen Beinen stand. Abgesehen von einer Person.“

„Mickey Black“, sagte Ardoss.

Jonah nickte. „Er bot an, das Schiff zu kaufen, wenn ich mich bereit erklärte, für ihn zu arbeiten“, sagte Jonah. „Zunächst habe ich abgelehnt, wollte auf eigenen Füßen stehen. Er sagte mir, das wäre kein Problem. Ich müsste ihm nur von Zeit zu Zeit einen Gefallen tun und könnte das Schiff führen, wie ich wollte. Das entsprach jedoch nicht der Wahrheit. Selbst mit einem Schiff konnte ich keine Aufträge an Land ziehen, bis mich Mickey Hafenmeister Haru vorstellte. Und aufgrund meiner Schulden und Harus Anteil verdiene ich nicht annähernd so viel, als wenn ich auf mich allein gestellt wäre. Das Lustige ist, inzwischen habe ich genug Kontakte und Know-how. Ich könnte es alleine schaffen, wenn es Mickey nicht gäbe.“

„Und die Frau von dem Piratenüberfall“, fragte Ardoss, „das war Char?“

Jonah nickte. „Seither arbeiten wir zusammen.“

„Kein Wunder, dass sie so loyal ist“, bemerkte Ardoss.

„Ich bereue es nicht“, sagte Jonah. „Ich habe das Richtige getan.“

„Natürlich haben Sie das“, versicherte Ardoss.

„Wie auch immer ich in diese Bredouille gelangt bin, er weiß, wie man aus einer schlimmen Situation einen Vorteil schlägt. Ich wette, Pietro ging es ähnlich und Mickey hat den Retter gespielt. Das ist seine Masche. Und von diesem Moment an gehörst du ihm.“

„Selbst wenn das der Fall sein sollte, ich muss Pietro trotzdem verhaften“, entgegnete Ardoss. „Wenn Pietro zum Spionieren gezwungen wurde, dann ist Black ein größeres Problem als irgendjemandem klar ist und die Advocacy muss darüber informiert werden. Es könnte weitere Agenten geben, die für ihn arbeiten. Es ist nicht absehbar, wie tief er in die Behörde eingedrungen ist.“

Jonah seufzte und lehnte sich gegen die Konsole. Für einen Moment schloss er die Augen. Er hörte dem Summen des Schiffsantriebes zu und fühlte ihn unter sich vibrieren.  Er sprach zu ihm. Jonah liebte es, zu fliegen, und würde alles tun, um damit weitermachen zu können.

„Also, wenn wir das durchziehen“, sagte Jonah, “habe ich ein paar Regeln.“

Ardoss schürzte seine Lippen. „Und die wären?“

„Zuallererst – ich werde Pietro nicht schaden“, sagte Jonah. „Wir waren uns nicht nah, aber er ist in diese Situation genauso reingerutscht wie ich.“

Ardoss verschränkte seine Arme. „Er war auch mein Freund, aber wenn er auf einen von uns schießt, dann schieße ich zurück.“

„Meinetwegen“, erwiderte Jonah, „wenn er zuerst schießt, werde ich Sie nicht daran hindern. Aber damit kommen wir zu Regel zwei. Ich mache die Lieferung. Ich übergebe ihm das Paket und gehe. Er wird nicht schießen, wenn ich ihm gebe, was er braucht.“

Ardoss runzelte die Stirn. „Das gefällt mir nicht. Sie könnten ihn vor mir warnen.“

„Das werde ich nicht“, sagte Jonah. „Ich habe Ihnen mein Wort gegeben. Auf diese Weise habe ich Mickeys Forderungen erfüllt. Alles, was danach geschieht, kann mir nicht angehaftet werden. Abgesehen davon, wenn ich ihn warnen wollte, würde ich es tun, wenn ich ihn nach den Koordinaten des Treffpunktes frage.“

„Moment, Sie wissen nicht, wo Sie sich mit ihm treffen?“, fragte Ardoss.

Jonah lächelte. „Sie sollten Pietro besser kennen. Er ist vorsichtig. Der Plan ist, einen Navigationspunkt anzufliegen und ihn dann zu kontaktieren. Von dort gibt er mir die endgültigen Koordinaten.“

„Wenn ich Sie also in den Schrank eingesperrt hätte…“, sagte Ardoss.

„…wären Sie nicht weit gekommen“, antwortete Jonah. „Pietro erwartet meine Stimme zu hören.“

„Na ja, ich schätze, es sollte so sein“, erwiderte Ardoss. „Wir machen es auf Ihre Weise. Aber wenn Sie ihn warnen, ist der Deal gestorben.“

„Verstanden“, antwortete Jonah.

„Dann auf zu Pietro.“

Sie erreichten den nächsten Sprungpunkt ohne weitere Vorfälle. Die anderen beiden Passagiere – der Jugendliche und die junge Geschäftsfrau – ließen sie in Ruhe. Jonah schätzte, dass sie einfach froh waren, wieder unterwegs zu sein. Er sagte ihnen, es würde einen kurzen Umweg geben und keiner von ihnen hatte auch nur ein Wort erwidert.

Jonah war jedoch noch immer nervös. Er konnte es drehen, wie er wollte, aber es ließ sich nicht leugnen – er hinterging Mickey Black.

Jonah erinnerte sich an einen Vorfall aus der Zeit, als er begann für Mickey zu arbeiten. Sie hatten sich wieder einmal in einer heruntergekommenen Bar getroffen, auf einer ehemaligen Wohnstation für Bergbauer, genannt GRIM HEX. Er und Mickey klärten gerade die Details eines Jobs, als einer seiner Schläger jemanden hineinbrachte.

Es war ein Mann, etwas älter als Jonah. Sein Gesicht war blutverschmiert und er flehte um Gnade. Mickey stellte ihm eine Frage. Warum?

Der Mann sah zu Boden und wagte es nicht, aufzuschauen, bis Mickey es ihm befahl. Als dieser aufblickte, sagte Mickey, es wäre eine Schande. Das Nächste, was Jonah realisierte, war, dass Mickey dem Mann in den Kopf geschossen hatte. Mickey meinte dazu nur, dass dies das Schicksal derer sei, die ihn hintergingen.

Aber Jonah konnte so nicht weiterleben. Er wollte nicht sterben. Aber einfach so weitermachen, während Menschen in Gefahr gerieten, für die er etwas empfand, war ebenfalls keine Option. Jonah wollte einen Neustart. Und Pietro hatte das Gleiche verdient.

Er rief die sichere Frequenz auf, die ihm Mickey gegeben hatte.

„Du hast dich verspätet“, bemerkte Pietro.

„Wir hatten ein technisches Problem“, antwortete Jonah. Es war keine blanke Lüge. Irgendein Idiot hatte die Kontrolle über das Schiff übernommen und sie vom Kurs abgebracht.

„Wenn ich diese Vorräte nicht bräuchte…“, entgegnete Pietro.

„Ich weiß“, antwortete Jonah. „Es tut mir leid. Ich mache es wieder gut. Schick mir die Koordinaten und im Handumdrehen kannst du weiterfliegen.“

Pietro knurrte. Eine Textnachricht erschien auf Jonahs Anzeige.

Jonah hob eine Augenbraue, aber bevor er etwas sagen konnte, war die Verbindung unterbrochen.

„Also? Wo ist der Treffpunkt?“, fragte Ardoss, der von einer Ecke im Cockpit aus mitgehört hatte.

„Es ist eine alte Tankstation“, antwortete Jonah. „Sie ist verlassen, hat kaum Energie und befindet sich außerhalb der üblichen Reichweite der Advocacy.“

„Schlau“, bemerkte Ardoss. „Ich nehme an, Sie haben ihn hier nie zuvor getroffen?“

Jonah schüttelte seinen Kopf. „Nein. Pietro und ich haben nicht oft zusammengearbeitet. Wir sind uns während einiger Aufträge begegnet, aber das ist alles.“

„Aufträge“, sagte Ardoss, „Sie lassen es so anhören, als wäre es eine gut geführte Organisation.“

„Es gibt einen Grund, warum Sie so wenig über Mickey wissen“, entgegnete Jonah.

„Aber ich kenne Pietro und ich habe es mir durch den Kopf gehen lassen“, sagte Ardoss. „Sie machen einen Fehler, da allein und unbewaffnet reinzugehen. Wenn er wie jetzt mit dem Rücken zur Wand steht, ist er gefährlich. Sie sollten Char mitnehmen, damit sie Ihnen den Rücken freihalten kann.“

Sie schüttelte den Kopf. „Jonah übergibt die Ware immer alleine. Wenn ich mitkomme, weiß er, dass etwas nicht stimmt.“

„Ich werde das Paket abgeben“, sagte Jonah. „Alleine. Ohne Waffe. Das war der Deal.“

Ardoss runzelte die Stirn und nickte. „Also gut. Sobald Sie das Paket abgegeben haben, machen Sie sich aus dem Staub. Falls er während der Verhaftung das Feuer eröffnet, möchte ich nicht, dass Sie im Kreuzfeuer stehen.“

„Verstanden“, antwortete Jonah.

Jonah Herz rutschte ihm in die Hose. Jetzt ging es um die Wurst. Sie zogen es wirklich durch. Ihm blieb eine letzte Chance, das Ganze zu beenden.

Ardoss wandte sich zu ihm um und legte eine Hand auf dessen Schulter.

„Überlegen Sie es sich jetzt nicht noch anders“, sagte er. „Wir haben einen Plan. Wir sollten uns an ihn halten.“

Jonah nickte. Er würde das Richtige tun.

Char erreichte die Koordinaten für die Lieferung. Sie passierten eine Tankstation, die den Sprungpunkt bediente. Sie war ansehnlich, sauber und bot gutes Essen an. Es gab vegetarische Burger mit Proteinpaste und einen reichlichen Vorrat an Bier.

Der Ort, an den sie jetzt flogen, hatte diese Dinge nicht anzubieten. Er war stillgelegt und verlassen. Möglicherweise gab es immer noch etwas Treibstoff, falls Plünderer diesen nicht schon mitgenommen hatten. Die Station verfügte jedoch noch über Energie. Nicht viel, aber immerhin etwas. Genug, um sich dort zu treffen und die Lieferung zu übergeben.

Sie landeten eine halbe Stunde später und Jonah ging zu den zwei verbliebenen Passagieren.

„Wir müssen hier einen Halt machen“, sagte er. „Sobald wir unser Geschäft abgewickelt haben, werden wir diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Er besitzt wenig Energie und ist verlassen. Bleiben Sie für Ihre eigene Sicherheit also bitte an Bord.“

Der Jugendliche öffnete seinen Mund, wahrscheinlich um zu fragen, ob er mitkommen könnte. Aber Char würgte die Frage mit einem finsteren Blick ab. Er erblasste und widmete sich wieder seinem MobiGlas. Die Geschäftsfrau sank einfach nur in ihren Sitz. Jonah glaubte nicht, dass einer von ihnen ihm Probleme bereiten würde.

Jonah ging zum Frachtraum und öffnete die Luftschleuse. Von dort transportierte er Pietros Paket vom Schiff.

„Was hat dich aufgehalten?“, fragte eine Stimme.

Jonah drehte sich um und sah Pietro nur ein paar Meter neben sich stehen.

Er sah älter aus als in seiner Erinnerung. Sein schwarzes Haar war schlaff und matt. Unter seinen Augen befanden sich Ringe und sein Gesicht sah mager aus. Seine normalerweise gebräunte Haut war blass und schweißnass. Das Leben auf der Flucht war ihm nicht gut bekommen.

„Ich sagte doch, es gab unvorhergesehene Verzögerungen“, antworte Jonah.

„Haben diese Verzögerungen etwas mit dem Veilchen auf deinem Gesicht zu tun?“, frage Pietro.

„Veilchen?“, frage Jonah. Er berührte sein Gesicht und fühlte den Schmerz. Natürlich, der Kampf im Frachtraum. Ardoss musste ihn härter geschlagen haben, als ihm klar gewesen ist.

„Mickey war der Meinung, ich bräuchte eine zusätzliche Motivation für den Job“, entgegnete Jonah. „Lass uns das schnell über die Bühne bringen und wir können beide von hier verschwinden.“

„Tut mir leid“, sagte Pietro. „Ich wusste, du würdest mich nicht übers Ohr hauen.“

Jonah zuckte beinahe zusammen. Das tat weh. Pietro vertraute ihm, oder vertraute zumindest darauf, dass er zu Feige war, um sich ihm entgegenzustellen. Doch Jonah hatte genug davon, dass andere auf ihm rumtrampelten.

Pietro kniete sich vor die Kiste und gab den Code ein. Der Deckel öffnete sich und er blickte hinein. Er verzog das Gesicht und zog ein schweres Stück Stoff zur Seite.

„Soll das ein Witz sein, Jonah?“, fragte er.

Jonah fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht sackte. „Wovon redest du?“

„Außer einem Haufen Ziegelsteine ist hier nichts drin.“

Jonah trat an die Kiste heran und blickte hinein. Sein Magen verknotete sich.

Ziegelsteine. Große graue Ziegelsteine. Keine Vorräte, kein Transmitter, kein Geld. Nur ein Haufen aus Stein und Ton.

Er sah auf, um Pietros Pistole in seinem Gesicht wiederzufinden. Er hob seine Hände und trat einen Schritt zurück.

„Ganz ruhig, Pietro“, sagte Jonah.

Pietro spannte seine Pistole. „Du hast etwa sechs Sekunden, um dich zu erklären.“

„Und du hast halb so viel, um die Pistole niederzulegen, Pete“, sagte Ardoss.

 

Fortsetzung folgt…