Collision Course: Episode 3



Clara versuchte in den Überresten des oberen Geschützturms der Conni jegliche Bewegung zu vermeiden. Eine Hand griff nach der Handnotbetätigung der Luke, die in das halbzerstörte Schiff führte, die andere überprüfte die Scans ihres Raumanzuges. Sie bestätigten ihre Befürchtungen – sie war nicht allein.

Plötzlich schien ihre Entscheidung, die Systeme ihrer Bucc laufen zu lassen und das Cockpit der Connie mit ihren Scheinwerfern hell zu erleuchten, nicht mehr so klug.

Clara glaubte nicht, unbemerkt zu ihrem Schiff zurückgelangen zu können, also aktivierte sie die Handnotbetätigung der Geschützturmluke und glitt in das Innere dessen, was von der Connie übriggeblieben war. Zumindest bot das Schiff ihr etwas Schutz, während sie ihre Optionen abwog.

Sobald sie die Luke hinter sich hatte, blickte sie sich um, um sicherzugehen, dass keine Überraschungen auf sie lauerten. Die Schotten hatten sich geschlossen, als die hintere Hälfte des Schiffes abriss und die vordere weitestgehend unbeschädigt zurückließ. Sie sah keine weiteren Hüllenbrüche und eigenartigerweise auch keine Leichen.

Clara schob dieses Rätsel beiseite, schwebte in eine dunkle Ecke und zog ihr Gewehr. Sie entsicherte es und zielte auf die Luke. Es war der offensichtliche Einstieg in das Schiff. Vielleicht hatte sie Glück und konnte den Neuankömmling – wer auch immer es war – überraschen.

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Pfeifen durch das Comm.

„Also das ist wirklich ein schönes Schiff“, machte Radu auf sich aufmerksam. „Ich selbst bin kein großer Drake-Fan, aber ich wäre sicher traurig, wenn ihm etwas zustoßen würde.“

Radu hatte seine Gladius auf die Bucc ausgerichtet; seine Finger umklammerten den Abzug. Aus dieser Entfernung würden die Scorpion GT-215 seines Schiffes die Bucc innerhalb von Sekunden zerfetzen. Doch um für diesen Auftrag bezahlt zu werden, benötigte er die Blackbox der Connie. Für außerplanmäßige Aktionen gab es keinen Bonus. Er würde es vorziehen, sich seine Hände nicht schmutzig machen zu müssen, wenn es irgendwie möglich war.

„Komm schon, nur nicht schüchtern sein“, fuhr er über das Comm fort. „Ich zähle bis fünf, wenn du dich bis dahin nicht wenigstens vorgestellt hast, lasse ich meine Frustration an deinem Schiff aus.“

Er wartete einen Moment, doch es gab noch immer keine Antwort.

„Fünf … vier … drei … zwei … eins –“

„Okay, bitteschön“, antwortete Clara widerwillig über das Comm.

„Gut, da bist du also. Das ist eine ganz schöne Zwickmühle, nicht wahr?

„So könnte man es ausdrücken.”

„Nur damit wir uns nicht missverstehen, ich habe dein Schiff im Visier.“

„Ja, das hab ich schon begriffen.“

„Das ist keine Drohung, nur eine Feststellung der Tatsachen. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich suche nicht nach Ärger.“

„Was suchst du dann hier?“

„Die Blackbox dieses Schiffes. Alles andere gehört dir. Einverstanden?”

Clara hielt einen Moment inne, um den Anschein zu erwecken, als würde sie es sich überlegen. „Also gut, komm rein und hol sie dir.“

„Dies wird deutlich schneller über die Bühne gehen, wenn du nicht annimmst, ich wäre ein Idiot.“

„Meinetwegen. Wie möchtest du es machen?“

„Du wirst die Box zu mir bringen.”

Verschiedene Möglichkeiten rasten durch ihren Kopf, fast alle schienen undurchführbar. Clara blickte auf ihre Vitalwerte. Ihre Herzfrequenz war erhöht und der Sauerstoffvorrat ging schneller zur Neige als gewöhnlich. Sie versuchte ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen und sich auf den ersten Schritt zu ihrem Überleben zu konzentrieren – sie musste zurück zu ihrem Schiff gelangen.“

„Jetzt brich den Kontakt nicht gleich wieder ab, wir waren doch gerade erst dabei, uns kennenzulernen.“ Radu trommelte nervös mit seinen Fingern auf dem Steuerknüppel. Ihre Stille bedeutete, dass sie es ihm nicht einfach machen würde.

“Woher weiß ich, dass du mich nicht tötest, sobald ich dir die Blackbox gebracht habe?”

Radu lächelte. Gut. Sie will kooperieren. „Hör zu, für den Umstand, dass ich nicht sofort alles zusammengeschossen habe, solltest du mir etwas Vertrauen vorschießen. Wenn ich deinen Tod wollte, wärst du bereits tot. Bring mir die Box und sobald ich weg bin, hat sich die Sache erledigt.“

Da war was dran, dachte Clara. Entweder der Typ sagte die Wahrheit oder war ein ganz abgebrühter Hund. Wie dem auch sei, sie sah nicht viele Wege aus ihrer momentanen Situation, die einen Ausstieg aus der Connie vermieden. Besser am Leben und pleite, als stolz und tot.

„Also gut, gib mir eine Minute, um die Blackbox zu finden“, antwortete Clara widerwillig.

„So gefällt mir das.“

„Du kannst mich Clara nennen“, bot sie an, in der Hoffnung, der Name würde ihm vor Augen führen, dass er es hier mit einem anderen menschlichen Wesen zu tun hatte.

„Radu.“

Es war eine kleine Geste, aber als sie seinen Namen hörte, fühlte sie sich etwas besser.

Clara schwebte zum vorderen Teil der Brücke. Sie schaute aus dem Fenster des Cockpits, um nach Radus Schiff zu schauen, doch die blendenden Scheinwerfer ihrer Bucc machten dies fast unmöglich. Also drehte sie sich und schnappte sich die Blackbox.

Sie starrte die Box für einen Moment an, während sie über ihre nächsten Schritte nachdachte. Obwohl es völlig gegen ihren Instinkt ging, sicherte Clara ihre Waffe und befestigte sie an der Halterung ihres Raumanzuges. Es spielte keine Rolle, welches Schiff Radu flog, er hatte die größere Feuerkraft.

„Hab sie. Ich komme nun aus der Ausstiegsluke des oberen Geschützturmes heraus.“

„Schön langsam bitte, ich möchte keine Überraschungen erleben“, warnte Radu. Er drehte die Gladius leicht, um sie mit der Oberseite der Connie auf Linie zu bringen. Einen Moment später kam Clara durch die Ausstiegsluke zum Vorschein und drehte sich, bis sie in Richtung seines Schiffes schaute. Dann hielt sie inne.

„Was jetzt?“, fragte Clara.

Radu realisierte, dass er die eigentliche Übergabe gar nicht durchdacht hatte. Er wusste nur, dass er sie bis zum Ende der Transaktion von ihrem Schiff fernhalten musste.

„Bring die Box zu mir.“

Clara verharrte auf ihrer Position und starrte auf die auf sie gerichtete Gatling Gun des Schiffes. Ihr Herz schlug so schnell, dass es sich so anfühlte, als könne es jeden Moment aus ihrer Brust springen.

„Kannst du mit diesem Ding wenigstens nicht direkt auf mich zielen?“

Radu bewegte die Nase seines Schiffes nicht. „Es wird dir nichts passieren. Bring einfach die Box rüber, aber schön langsam.“

Clara nahm einen tiefen Atemzug und schwebte langsam in Richtung der Gladius. Jeder Meter, den sie näherkam, machte es nervenaufreibender. Ihre Gedanken taumelten und sie wiederholte den gleichen Satz immer und immer wieder –

Einfach nur zurück zum Schiff … Einfach nur zurück zum Schiff …

„Soll ich das Ding bis zu deinem Cockpit bringen oder wie?“, fragte Clara.

„Ich sag dir, wenn du anhalten sollst.“

Radu beobachtete Clara, wie sie näherkam. Er wollte sie nah bei sich haben, jedoch nicht so nah, um in die Reichweite seiner Waffen zu gelangen.

„Halt, bleib, wo du jetzt bist“, sagte Radu und Clara kam seiner Aufforderung nach. Jetzt wirst du die Box loslassen und dich zurück zur Connie bewegen. Sobald ich und die Box verschwunden sind, kannst du wieder machen, was du willst.“

Clara war nah genug, um Radu im Cockpit sehen zu können. Sie wusste, sobald sie die Box losgelassen hatte, war sie in deutlich größerer Gefahr.

Wenn sie ihm gibt, was er will, wie groß wären ihre Chancen, heil aus der Sache herauszukommen?

Radu bemerkte ihr Zögern. „Wir sind schon so weit gekommen, versau es nicht, indem du jetzt eine Dummheit begehst.“

Sie analysierte hastig die vergangenen Ereignisse. Es schien nicht, als würde er sie umlegen wollen, doch er hatte recht, er war nicht dumm. Wenn er ihr Schiff verschonte, bestünde die Chance, dass sie ihn verfolgte. Nein, er würde sie in der Connie zurücklassen und ihre Bucc zerstören. Es war die sicherste Option, neben der, sie einfach abzuknallen.

„Clara, ich werde dich nicht noch einmal auffordern.“

Sieh sah eine leichte Bewegung seines Arms. Er korrigierte seine Zielerfassung. Jetzt oder nie. Instinktiv drehte sie sich mit der Box um ihre eigene Achse, bis sie ihr Schiff im Rücken hatte. Dann stieß sie die Box von sich. Als diese ihre Hände verließ, wurde Clara in Richtung ihrer Buccaneer geschleudert. Sie drehte sich schnell zu ihrem Schiff und betätigte ihre EVA-Düsen. Die Blackbox schwebte frei im Raum und taumelte weg von beiden.

Radu brauchte einen Moment, um zu begreifen, was geschehen war. Er war gerade dabei, seine Waffen auf Clara auszurichten, als etwas durch sein Blickfeld flog. Es war die Blackbox.

Ohne zu zögern, flog Radu der Box hinterher. Ob es ihr gelang, zu fliehen, interessierte ihn nicht, doch wenn er diese Blackbox nicht abliefert, war alles umsonst. Das war seine letzte Chance, die Credits aufzutreiben, um Madrigal für diesen Monat zu bezahlen. Es würde ihm etwas Luft verschaffen, um zu versuchen, aus dieser ganzen Situation herauszukommen. Wenn er diesen Auftrag vermasselte, hätte er definitiv nicht mehr genug Zeit, einen weiteren zu erledigen, der so gut bezahlt war. Radu wusste, diese Blackbox war seine Rettungsleine – wenn er das Geld für Madrigal nicht aufbrächte, war er so gut wie tot.

Er schwenkte sein Schiff, um an einem Asteroiden vorbeizukommen, an dem die Box vorbeigeflogen war und versuchte, sich vor ihr zu positionieren. Bevor er sich jedoch ihrem Vektor anpassen konnte, prallte sie an einem Gesteinsbrocken ab und taumelte in eine neue Richtung. Radu gab mit seinen Manövrierdüsen vollen Gegenschub, um den Kurs abermals zu korrigieren.

Währenddessen flog Clara so schnell wie möglich zu ihrer Bucc, geradezu geschockt, dass sie diese erreicht hatte, ohne unter Feuer zu geraten. Sie kletterte hinein und aktivierte die Triebwerke, glücklicherweise hatte sie die Systeme laufen lassen.

Zum ersten Mal blickte sie zurück und sah, wie Radu sein Schiff durch die Asteroiden navigierte, in dem Versuch, sich die Box zu schnappen. Das sollte ihr genug Zeit verschaffen, um sich aus dem Staub zu machen.

Sobald sie in Sicherheit war, würde sie Miles kontaktieren und ihm vom Vorfall berichten. Er würde wütend sein und sie wahrscheinlich nie wieder anheuern, aber zumindest war sie am Leben. Für die heutige Nacht konnte sie sich wahrscheinlich kein EZ Hab leisten, doch zurück in Port Olisar, könnte sie mit Diego über den Job bei Garrity Defense sprechen. Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, hinter der Kasse zu stehen. Es wäre langweilig, aber sicher.

Clara klang die Stimme ihres alten Freundes Gunther im Kopf. Er behauptete, dass Langeweile mehr Menschen auf dem Gewissen hatte als Waffen. Sogar Claras WiDoW-Missbrauch führte er darauf zurück, dass sie sich zwischen zwei Aufträgen langweilte.

Plötzlich wurde ihr ganz anders. Sie war seit drei Monaten clean. Sie würde als Verkäufer mit einem stetigen Zulauf an Credits und viel Freizeit in der Lage sein, der Sucht standzuhalten … oder?

Sie blickte zurück zu Radus Schiff und sah, wie sich seine Pilotenkanzel öffnete, während sich das blinkende Licht der Blackbox auf ihn zubewegte. Ihr wurde klar, dass sie diese verrückte Situation nicht nur überlebt, sondern nun sogar die Oberhand gewonnen hatte. Es gab noch immer eine Chance, sowohl mit ihrem Leben als auch mit der Blackbox davonzukommen.

Dieser Funke Hoffnung war alles, was sie brauchte.

Radu streckte sich, um an die taumelnde Box zu gelangen. Er blickte hinüber zur Buccaneer, die sich in seine Richtung drehte. Sie würde Jagd auf ihn machen.

Er griff die Box mit einer Hand und legte sie auf seinen Schoß. Keine Zeit, die Pilotenkanzel zu schließen. Radu zog den Steuerknüppel herum, gerade als die Bucc das Feuer eröffnete. Die Schilde der Gladius leuchteten vor ihm auf, als sie die Einschläge absorbierten. Aegis‘ Sprachassistent machte sich bemerkbar, um ihm zu sagen, was er schon längst wusste – seine vorderen Schilde waren in kritischem Zustand und er sollte sein verdammtes Cockpit schließen. Er musste Deckung finden, und zwar schnell. Er duckte sich, als es sich um ihn herum versiegelte.

Radu flog die Gladius zu einem großen Asteroiden und nahm nutze ihn geschickt als Deckung. Er musste nur diesem Asteroidenfeld entfliehen und dann irgendwohin springen, ganz egal wohin. Doch bevor er überhaupt nach einem Ziel für einen Quantensprung suchen konnte, wurden seine hinteren Schilde von Geschossen getroffen. Um am Leben zu bleiben, brach er die Suche ab und konzentrierte sich auf die Ausweichmanöver.

Dank der zwei enormen Triebwerke ihrer Buccaneer gelang es Clara, an ihm dranzubleiben. Sie sah dabei zu, wie Radus Gladius sich zwischen den Asteroiden hin- und herbewegte. Ihr war klar, dass er versuchte, Zeit für die Regeneration seiner Schilde zu gewinnen. Während sie ihren Angriff weiterhin aggressiv forcierte, wählte sie ihre Schüsse jedoch mit Bedacht, damit ihr die Munition nicht zu schnell ausging.

Radus letzter Raumkampf lag schon etwas weiter zurück. Die meisten seiner Aufträge brachten ihn unglücklicherweise mit seinen Opfern von Angesicht zu Angesicht, also fühlte er sich etwas überfordert, mit einem Auge auf seine Scans und dem anderen auf die Asteroiden zu achten. Die große Box in seinem Schoß machte die Sache nicht einfacher. Ihm wurde schnell klar, dass Clara die bessere Pilotin war. Seiner Erfahrung nach gab es nur einen Weg, einen überlegenen Piloten zu besiegen – man musste etwas Unerwartetes tun.

Ohne lange nachzudenken, kippte Radu seine Gladius plötzlich nach unten und flog raus aus dem Asteroidenfeld, bevor er eine Rechtsrolle ausführte. Die kühlen blau-grünen Farben von Yela füllten sein Blickfeld aus und lenkten ihn kurzzeitig ab. Als er sein Schiff zurück zum Sicherheit bietenden Asteroidenfeld lenkte, kamen seine hinteren Schilde wieder unter Feuer. Diese Bucc war wendiger, als er gedacht hatte.

Der Aegis-Sprachassistent wies ihn mit ruhiger Stimme darauf hin, dass seine hinteren Schilde versagt hatten. Er fühlte die Erschütterungen seines Schiffes. Der Rumpf nahm Schaden. Er blickte auf seine Anzeigen, um zu sehen, ob irgendetwas Wichtiges getroffen worden war. Sein Tank für Quantentreibstoff war leckgeschlagen und damit die Möglichkeit einer schnellen Flucht verflogen.

Clara fluchte außer Atem. Entweder war Radu zehnmal so verrückt wie sie oder er flog so unberechenbar, um eine Raketenzielerfassung zu verhindern. Er war definitiv ein guter Pilot, aber nicht gut genug, um sie abzuschütteln. Endlich hatte sie ihn eingeloggt, jedoch erst als er den Rand des Asteroidenfeldes erreicht hatte. Sie feuerte trotzdem eine Rakete ab.

Die Gladius konterte mit einer Chaff. Einen Moment später sah Clara eine Explosion und ein sich ausbreitendes Trümmerfeld vor sich. Sie bremste etwas ab, um nicht frontal in etwas reinzufliegen, das ihr Schiff beschädigen konnte. Schnell blickte sie auf ihre Scans; Radus Schiff war nicht zu sehen.

Ich kann nicht glauben, dass ich es geschafft habe…

Gerade als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, schoss etwas auf ihrem Radar in Richtung Jela. Sie sah sich nochmals das Trümmerfeld vor sich an, sah aber keine Schiffsteile. Ihre Rakete musste einen Asteroiden getroffen haben.

Clara überprüfte ihre Scans ein weiteres Mal; da nichts anderes in dem Gebiet zu sein schien, drehte sie ihr Schiff und nahm die Verfolgung auf.

So schnell gibst du nicht auf, dachte Radu, als er mit ansah, wie die Bucc sich vom Asteroidenfeld entfernte und die Verfolgung in Richtung von Yelas Oberfläche aufnahm. Zumindest gab der gewonnene Abstand seinen Schilden Zeit, sich zu regenerieren. Seine Gladius wurde beim Eintauchen in die dünne obere Atmosphäre des Mondes erschüttert. Er hatte ihn oft genug besucht, um zu wissen, dass dies nicht normal war.

Als er zur Oberfläche hinabraste, wurde das Wackeln nur noch schlimmer. Er befürchtete, dass jeden Moment der linke Flügel seines Schiffes abreißen könnte. Sein Plan war gewesen, auf Yelas dunkler Seite zu landen und sich dort zu verstecken, doch dies mitten im Nichts zu tun, schien ihm keine so gute Option mehr zu sein. Wenn er sein Schiff nicht wieder starten konnte, war er geliefert. Die Nachtseite von Yela war bitter kalt. Er musste einen Außenposten finden.

Radu atmete erleichtert durch, als die Gladius den Eintritt in die Atmosphäre überstanden hatte, ohne einen Flügel zu verlieren. Er schüttelte seinen Kopf, während er auf seine Scans blickte; die Bucc war noch immer an ihm dran. Er öffnete seine Karte und suchte nach dem nächstgelegenen Außenposten. Als er realisierte, dass dieser alles andere als nah war, rutschte ihm das Herz in die Hose. Er hatte Zweifel, ob sein beschädigtes Schiff es dort hinschaffen würde, bevor Claras Bucc ihn eingeholt hatte.

Er schaute aus seinem Cockpit und starrte auf den rabenschwarzen Horizont. Yelas Ring prangte  genau darüber am Himmel und Crusader wiederum darüber. Beide waren hell und wunderschön. Radu riss seine Augen von dieser Sehenswürdigkeit ab und konzentrierte sich wieder auf den Horizont, wo er das schwache Licht eines Außenpostens erblickte. Er überprüfte nochmals seine Karte, auf der aber nichts eingezeichnet war. Seine Gladius stotterte und starb kurzzeitig ab, um dann wieder in Gang zu kommen. Radu wusste, er hatte nicht viel Zeit. Er würde landen müssen und musste sein Glück mit dem versuchen, was er dort unten vorfinden würde.

Wo ist er hin? Das Signal war von Claras Radar verschwunden. Sie hatte erwartet, dass er zur Oberfläche fliegen würde, um einen Canyon oder ein anderes Versteck zu finden, doch sollte sie eigentlich nahe genug an ihm dran sein, um dennoch die Signatur seines Schiffes entdecken zu können. Sie flog über einen Bergrücken und erblickte unter ihr ein schwaches Licht. Das musste er sein.

Clara ließ ihre Bucc abwärts fliegen. Inmitten einer kleinen Ebene, die von Bergen umgeben war, stand ein kleiner Außenposten. Als sie näherkam, brachten die Scheinwerfer der Bucc eine in der Nähe notgelandete Gladius zum Vorschein, von der eine kleine Rauchschwade emporstieg.

Das Schiff sah nicht so aus, als könne es wieder abheben, doch Clara flog es dennoch mit ihrer Bucc an. Sie erhellte das Schiff mit ihren Scheinwerfern und fand es verlassen vor. Um sicherzugehen, dass es blieb, wo es war, feuerte sie einen Schwall an Geschossen darauf ab.

Daraufhin flog sie ihre Bucc zum Außenposten, richtete sie auf die Eingangstür aus und betätigte ihr Comm.

„Möchtest du raten, wie viele Raketen ich benötige, um diesen Außenposten zu zerstören?“

„Ich verzichte“, antwortete Radu, von seinem Sprint hierher noch immer aus der Puste. Er hatte es durch die Luftschleusen des Außenpostens geschafft und war sofort zu Boden gesackt. Sein Rücken lehnte gegen die Wand und die Blackbox der Connie lag ein weiteres Mal in seinem Schoß.

„Nun, wenn du es nicht herausfinden möchtest, dann bring mir lieber diese Blackbox.“

Radu schüttelte erschöpft seinen Kopf: „Ich kann nicht.“

„Ich habe gesehen, wie du sie dir geschnappt hast.“

„Das meinte ich nicht. Ich brauche das Geld. Wenn ich es bis morgen nicht habe, bin ich ein toter Mann. Warum ist es dir so wichtig?“ Radu stellte sich auf und bewegte sich an den metallenen Sicherheitstüren vorbei tiefer in den Außenposten.

Im Außenposten herrschte Unordnung, doch war kürzlich jemand hier gewesen. Auf einem metallenen Tisch in der Mitte des Raumes waren halbvolle Big Benny’s Behälter verstreut. Mehrere Kisten stapelten sich auf metallenen Regalen. Ballistische Munition war über die Arbeitsflächen und den Boden verteilt, wo eine Kiste umgefallen war. Er lief durch ein paar herumliegende Papierschnipsel.

Draußen in der Bucc starrte Clara auf die Tür des Außenpostens, auf der Suche nach der Antwort auf eine andere Frage: War die Aufrechterhaltung einer guten Beziehung zu Eckart Radus Tod wert?

Das Adrenalin vom Raumkampf und der Verfolgung hatte sich gelegt und sie fühlte nun ihre Erschöpfung. Alles, was sie als Antwort aufbringen konnte, war die Wahrheit.

„Ich kann diesen Auftrag nicht vermasseln. Er ist meine letzte Rettungsleine, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Mir sind die letzten Chancen ausgegangen und nun muss es wirklich einmal gut für mich laufen. Und so war es auch, bis du aufgetaucht bist.“

Im Inneren des Außenpostens öffnete Radu eine Kiste, die er in der Ecke gefunden hatte. Dann blickte er sich nochmals im Raum um. Auf der anderen Seite standen zwei weitere dazu passende Kisten. Plötzlich machte es klick und er wusste, was er zu tun hatte.

Radu ging zur Blackbox und hob sie auf. Dann aktivierte er sein Comm. „Ich komme raus und ich bin unbewaffnet. Knall mich nicht ab.“

Er betrat die Luftschleuse und betätigte sie. Von ihrer Bucc aus umschloss Clara den Feuerknopf – nur um sicherzugehen. Sie sah, wie Radu den Außenposten mit der Blackbox in der Hand verließ. Er bewegte sich zum Ende der Treppe und legte sie ab.

“Sie gehört dir”, sagte er. “Ich werde wieder hineingehen, so brauchst du keine zu Angst haben, dass ich dein Schiff stehle oder einen anderen Trick versuche.“

„Warum?“, war alles, was Clara aufbringen konnte.

„Du sagtest, du brauchst eine letzte Chance. Ich brauche viel mehr als das, um aus der Situation rauszukommen, in der ich mich befinde. Mir scheint, als würde dir dieses Ding mehr helfen als mir.“

„Bist du sicher?“

Radu nickte und ging zurück in den Außenposten. Clara hielt geschockt inne, noch immer nicht sicher, ob dies nicht eine Falle war. Schließlich stieg sie aus, näherte sich vorsichtig der Blackbox und nahm sie auf. Sie kehrte zu ihrem Schiff zurück und betätigte ihr Comm.

„Danke … soll ich dir Hilfe schicken?”

„Mach dir um mich keine Sorgen. Es ist wahrscheinlich besser, wenn du hier weg bist, bevor du in das verwickelt wirst, was hier gleich passieren wird.“

Clara wollte Fragen, was er meinte, realisierte jedoch, dass er ihr diese Chance gab, zu verschwinden. Wer weiß, was passieren würde, wenn sie diese nicht wahrnahm. Also hob Clara ab und die Bucc verschwand in der Nacht.

Radu aktivierte sein mobiGlas und kontaktierte Madrigal. Der Schläger für die NovaRiders nahm den Anruf schließlich an.

„Na, wen haben wir denn da? Hast du mein Geld?“

„Ich rufe an, um einen Deal zu machen.“

“Hm, ich mache eigentlich keine Deals.”

„Das wirst du, nachdem du gehört hast, was ich anzubieten habe.“

„Ach ja? Und das wäre?“

„Der Standort eines Warenverstecks der Nine Tails. Wenn ich dir den gebe, wäre meine Schuld damit vollständig getilgt?“

Radu interpretierte die Stille als gutes Zeichen.

„Woher weiß ich, dass du mir kein Märchen erzählst?“

„Hier ist der zweite Teil des Deals: Du wirst mich jetzt sofort vom Versteck abholen. Auf diese Weise kannst du dich selbst davon überzeugen. Ich kenne den momentanen Marktpreis für SLAM nicht, aber ich bin sicher, ein paar Kisten davon sollten deine Bosse glücklich machen.“

Radu drehte sich um und verließ den Außenposten.

„Du beeilst dich aber besser. Angesichts des Tages, den ich hinter mir habe, wer weiß, was als nächstes passiert.“

Radu unterbrach die Leitung und machte sich auf zu seiner zerstörten Gladius, hoffend, dass sein Ersatzgewehr unbeschädigt war.

Ende

Übersetzung:  Malu23   Korrektur:  alreadytaken   Originaltext