Cassandra's Tears Episode 8



Penny wartete mit verschränkten Armen in der Zelle. Mit den Füßen trommelte sie auf den Boden. Sechs Stunden und fünfzehn Minuten waren vergangen, seit die Wache sie hier in den Stuhl gedrückt hatte.

Das Schloss öffnete sich mit einem dumpfen Geräusch, bevor die Tür selbst mit einem Quietschen aufging. Ein Offizier kam herein und Penny nahm Haltung an. Sie konnte kein Zeichen einer Einheit oder Abteilung unter all dem Metall auf seiner Brust erkennen. Sein Namensschild sagte „Darrow“. Er nahm sie kaum wahr, seine Aufmerksamkeit galt allein den Dokumenten, die auf dem Bildschirm in seiner Hand zu sehen waren.

„Entspannen Sie sich.“ Darrow setzte sich. Penny ebenso. Einige Augenblicke später legte er sein Tablet auf den Tisch, hob seine kristallblauen Augen und schaute sie an. „Sie sind in echten Schwierigkeiten, Lieutenant.“

„Erbitte Erlaubnis, frei zu sprechen, Sir.“

„Sicher.“

„Erstens, was zur Hölle haben sie mit meinem SysBook gemacht? Haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung, wie viel Arbeit ich da reingesteckt habe? Bis ich hier raus bin, sollten Sie das besser wieder in Ordnung gebracht haben. Zweitens ist das Cassandra-Projekt vor 60 Jahren eingestellt worden. Warum verschwenden Sie Ihre Zeit damit, mich hier auszuquetschen, anstatt mal die Frage zu stellen, warum die Vanduul sich so sehr für veraltete Technik interessieren?“

Darrow war sprachlos, doch Penny hatte gerade erst angefangen.

Auch Cal Mason befand sich in einer schwierigen Lage. Er stand, gefesselt mit Handschellen, im Frachtraum der Phoenix und hatte gerade sein Todesurteil erhalten.

„Mason, du hättest mein Angebot annehmen sollen“, sagte Sasha und ging rückwärts Richtung Pilotensitz. „Das hätte es uns allen einfacher gemacht.“

Nesser schaute zwischen Sasha und Trunk hin und her, offensichtlich fühlte er sich nicht wohl bei dem Gedanken, in einen kaltblütigen Mord verwickelt zu sein. Doch anstatt etwas zu sagen, drehte er sich um und ging.

„Bleibt‘s also an mir hängen. Blöd für dich, dass ich kein Problem damit habe, Leute wie dich ins All zu verfrachten“, zischte Trunk und schob Cal in Richtung der Luftschleuse. Aus dem Augenwinkel konnte Cal in einer Werkzeugkiste auf Steuerbord etwas Vielversprechendes erkennen. Jetzt musste er dort nur noch irgendwie herankommen…

“Klar hast du damit keine Probleme. Erspart dir immerhin die Enttäuschung in einem ehrlichen Kampf zu verlieren.”

„Ernsthaft, Kleiner?“ Trunk lachte leise. Cal drehte sich um und schaute direkt in Trunks Gesicht.

„Sicher. Wie ich gehört habe, haben auf Cathcart doch nur Feiglinge, die sich in ihren Löchern verkrochen haben, überlebt“, meinte Cal trocken und hatte zugleich das Gefühl, vielleicht ein bisschen weit gegangen zu sein. Offensichtlich ging es Trunk ebenso. Er stieß Cal heftig in Richtung Bordwand.

Cal stolperte rückwärts und schlug hart gegen die Steuerbordwand. Seine Finger fanden, wonach er gesucht hatte.

„Ich hab‘s mir überlegt. Die Luftschleuse geht vielleicht doch ein bisschen zu schnell“, schäumte Trunk, während er langsam näherkam. Mit einer Hand packte er Cal an der Kehle. Mit der anderen zog er ein Messer.

„Komm schon, Mann. Nicht…“ Nesser kam aus seiner Koje, vom Lärm angelockt.

„Genau Trunk…“ Cal ließ die Handschellen um Trunks Handgelenk mit einem Klicken zuschnappen. „Tu es nicht.“

Überrascht weiteten sich Trunks Augen. Er schwang sein Messer. Jedoch war der Angriff so schwerfällig und überhastet, dass Cal ausweichen konnte und Trunk nun seinerseits gegen die Wand stieß. Mit einem Klappern fiel das Messer zu Boden.

Mit gezogener Waffe eilte Sasha aus dem Cockpit herbei. Als sie ihre Waffe auf Cal richtete, hatte dieser bereits das Messer an Trunks Hals angesetzt. Sie erstarrte. Einige Momente der Stille ließen jedem die Zeit, die Pattsituation zu begreifen.

“Mason, was glaubst du, was du da tust?” Sasha kam langsam auf ihn zu. Cal warf einen Blick auf Nesser, der ebenfalls seine Waffe gezogen hatte.

„Dankend die Luftschleuse vermeiden“ Cal teilte seine Aufmerksamkeit zwischen den beiden Waffen, die auf ihn gerichtet waren. Er rechnete nicht damit, dass Nesser tatsächlich abdrücken würde, aber trotzdem war eine Waffe immer noch eine Waffe.

„Denk doch mal nach. Du hast ja nicht gerade viele Optionen. Wenn du ihn tötest, stirbst du eine Sekunde später.“ Sasha warf einen Blick auf Nesser. Sie bezweifelte, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. „Und draußen ist es möglicherweise etwas kalt.“

„Vielleicht.“ Cal trat gegen ein Kontrollpanel am Boden. Die Andockbucht der P52 öffnete sich. Sasha schäumte vor Wut. Trunk hustete und wand sich, aber das Messer belehrte ihn eines Besseren. Cal öffnete das Cockpit der P52.

„In dem Ding hast du nicht den Hauch einer Chance.“

„Ich liebe die Herausforderung.“ Cal grinste. Er stellte sich neben das Cockpit, drückte den entsprechenden Knopf und die Andockbucht begann, sich zu schließen. Er beugte sich zu Trunk. „Entschuldige meine Bemerkung zu Cathcart. Um ehrlich zu sein, halte ich diesen Einsatz bis heute für falsch.“

Cal stieß Trunk so in die Richtung von Sasha, dass ihre Schussbahn blockiert war und sprang ins Cockpit, kurz bevor sich die Landebucht wieder ganz geschlossen hatte. Er öffnete die äußeren Tore und beeilte sich, die Schiffssysteme hochzufahren. Cal pfiff anerkennend, als er bemerkte, dass auch dieses Schiffchen augenscheinlich einige Modifikationen erhalten hatte.

Sasha rannte zurück ins Cockpit und sperrte den Zugriff auf die Landebucht, doch es war zu spät. Heftige Vibrationen hallten durchs ganze Schiff, als die P52 sich ausklinkte. Sie glitt in den Pilotensitz und brachte die Phoenix in Angriffsposition. Hinter ihr erschien Trunk, der sich die Handgelenke rieb.

„Sieh‘ zu, dass du in den Turm kommst!“ Trunk zögerte, bis Sasha ihm einen giftigen Blick zuwarf.

Cal brauchte einen Moment, um seine genaue Position zu erfassen. Er befand sich im Banu-Gebiet, etwa eine halbe Stunde entfernt von der Hauptverkehrsroute, die ihn zurück zum Sprungpunkt führen würde. Verschiedene Anzeigen leuchtete auf, als die Phoenix eine Reihe von Raketen startete.

Cal gab vollen Schub. Er zog alle Energie von den Waffen ab, um dem Antrieb etwas zusätzliche Leistung zu verschaffen. Denn Sasha hatte mit ihrer Meinung zur P52 nur zur Hälfte Recht. Während das kleine Schiff der Phoenix zwar keinen echten Schaden zufügen konnte, war es doch deutlich wendiger. Cal wich den Raketen aus. Die Beweglichkeit brachte sein Blut in Wallung. Die Geschosse wendeten und verfolgten ihn weiterhin. Außerdem gab der Turm der Phoenix eine Salve auf Cal ab.

Cal umkurvte auch diese Geschosse mit einer Rollbewegung und hielt genau auf die Constellation zu. Die Raketen saßen ihm im Nacken. Sasha erkannte, was Cal vor hatte, ließ ihr Schiff abtauchen und schaltete die Antriebe ab. Die Raketen behielten Cal als Ziel bei. Trunk seinerseits verfolgte Cal mit dem Turm. Die nächste Salve traf eine Rakete.

Cal war fieberhaft damit beschäftigt, die Assistenzprogramme neu einzustellen. Zu viele Einstellungen liefen auf Autopilot. Aber er brauchte die Kontrolle. Er brauchte sie, um dem Vogel den nötigen Extraschub zu verleihen.

Hinter ihm brachte sich die Phoenix in Position. Cal schaute auf. Er war so weit. Die Antriebe der P52 vibrierten unter der zusätzlichen Energie und nahmen Fahrt auf. Die Phoenix gab eine weitere Salve ab. Laserfeuer schoss an Cal vorbei. Er gab Energie auf die Schilde, zog sein Schiff herum und versuchte, die Raketen in die Schusslinie zu bringen. Ein weiterer Treffer brachte eine von ihnen aus dem Kurs und ließ sie explodieren.

Cal brachte etwas Abstand zwischen sich und die Phoenix und gab weiterhin vollen Schub.

An Bord der Phoenix verlor Sasha langsam die Geduld. Es schien, als sei es unmöglich, die P52 zu treffen. Ihr Zielcomputer war nicht in der Lage, das sich schnell bewegende Ziel zu erfassen.

Über die Comms war Trunk zu hören. „Er kehrt zur Hauptverkehrsroute zurück.“

„Ist doch egal. Er hat keinen Sprungantrieb“, antwortete Sasha und leitete mehr Energie auf die Antriebe um, um dem Schiff mehr Geschwindigkeit zu geben. „Außerdem hat er in zehn Minuten keinen Sprit mehr.“

„Wir bekommen Gesellschaft.“

Sasha warf einen Blick auf die Neuankömmlinge. Einige Banu-Milizen kreisten in Sichtweite, blieben aber auf Abstand. Sicherlich waren sie nur da, um das Chaos nicht größer werden zu lassen.

„Konzentrier dich aufs Schießen, die interessieren sich nicht für uns“ Sasha wandte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Cal. Sie atmete tief durch und fokussierte sich auf die Steuerung. So gut es eben ging, konterte sie Cals wilde Flugmanöver. Trunk hielt ihn unter Feuer, um ihn in der Bewegung einzuschränken.

Die beiden Schiffe rasten durch den Raum. Eine Rakete nach der anderen erreichte ihre maximale Reichweite und explodierte. Sasha feuerte ununterbrochen. Mehr und mehr ihrer Lasergeschosse trafen den kleinen Jäger, dessen Schilde zunehmend schwächer wurden. Trunk erwischte die P52 mit seinen ballistischen Geschützen. Die Schilde konnten das Geschoss nicht mehr aufhalten und es traf den Antrieb.

Cal Mason schoss am Sprungpunkt vorbei und drehte einen Looping. Sasha folgte ihm. Der beschädigte Antrieb reduzierte seine Geschwindigkeit, so dass ihr Zielcomputer endlich die P52 aufschalten konnte. Sie hielt die Phoenix auf Kurs. Ihr Finger schwebte über dem Abzug.

Das Cockpit der P52 war bereits schwer zugerichtet. Der letzte Treffer hätte das Schiff zerreißen müssen, aber irgendwie hielt die Hülle trotzdem. Cal wusste, dass er keinen weiteren Treffer überstehen würde. Er warf einen Blick auf den Sprungpunkt. Eine Caterpillar war gerade im Anflug darauf.

Cal gab Gegenschub, drehte und tauchte ab. Die Phoenix schoss an ihm vorbei. Er fing das Schiff ab und fiel hinter die Caterpillar.

Der Sprungpunkt öffnete sich und die Caterpillar verschwand.

„Das ist so richtig bescheuert“, murrte er und tauchte auf der Welle in den Sprungpunkt, bevor er sich schloss.

Sasha beobachtete mit offenem Mund, wie die P52 im Sprungpunkt verschwand.

„Ähm…“, räusperte sich Trunk über das Comm.

„Tja.“ Er hatte einiges auf sich genommen, nur, um sich dann selbst zu töten.

Schlussendlich drehte Sasha die Phoenix bei und kehrte auf den alten Kurs zurück. Sie wurden an anderer Stelle erwartet.

Zur nächsten Episode geht es hier entlang.

Autor:  Dave Haddock   Übersetzung: alreadytaken   Korrektur: ius   Originaltext