Auch Cal Mason befand sich in einer schwierigen Lage. Er stand, gefesselt mit Handschellen, im Frachtraum der Phoenix und hatte gerade sein Todesurteil erhalten.
„Mason, du hättest mein Angebot annehmen sollen“, sagte Sasha und ging rückwärts Richtung Pilotensitz. „Das hätte es uns allen einfacher gemacht.“
Nesser schaute zwischen Sasha und Trunk hin und her, offensichtlich fühlte er sich nicht wohl bei dem Gedanken, in einen kaltblütigen Mord verwickelt zu sein. Doch anstatt etwas zu sagen, drehte er sich um und ging.
„Bleibt‘s also an mir hängen. Blöd für dich, dass ich kein Problem damit habe, Leute wie dich ins All zu verfrachten“, zischte Trunk und schob Cal in Richtung der Luftschleuse. Aus dem Augenwinkel konnte Cal in einer Werkzeugkiste auf Steuerbord etwas Vielversprechendes erkennen. Jetzt musste er dort nur noch irgendwie herankommen…
“Klar hast du damit keine Probleme. Erspart dir immerhin die Enttäuschung in einem ehrlichen Kampf zu verlieren.”
„Ernsthaft, Kleiner?“ Trunk lachte leise. Cal drehte sich um und schaute direkt in Trunks Gesicht.
„Sicher. Wie ich gehört habe, haben auf Cathcart doch nur Feiglinge, die sich in ihren Löchern verkrochen haben, überlebt“, meinte Cal trocken und hatte zugleich das Gefühl, vielleicht ein bisschen weit gegangen zu sein. Offensichtlich ging es Trunk ebenso. Er stieß Cal heftig in Richtung Bordwand.
Cal stolperte rückwärts und schlug hart gegen die Steuerbordwand. Seine Finger fanden, wonach er gesucht hatte.
„Ich hab‘s mir überlegt. Die Luftschleuse geht vielleicht doch ein bisschen zu schnell“, schäumte Trunk, während er langsam näherkam. Mit einer Hand packte er Cal an der Kehle. Mit der anderen zog er ein Messer.
„Komm schon, Mann. Nicht…“ Nesser kam aus seiner Koje, vom Lärm angelockt.
„Genau Trunk…“ Cal ließ die Handschellen um Trunks Handgelenk mit einem Klicken zuschnappen. „Tu es nicht.“
Überrascht weiteten sich Trunks Augen. Er schwang sein Messer. Jedoch war der Angriff so schwerfällig und überhastet, dass Cal ausweichen konnte und Trunk nun seinerseits gegen die Wand stieß. Mit einem Klappern fiel das Messer zu Boden.
Mit gezogener Waffe eilte Sasha aus dem Cockpit herbei. Als sie ihre Waffe auf Cal richtete, hatte dieser bereits das Messer an Trunks Hals angesetzt. Sie erstarrte. Einige Momente der Stille ließen jedem die Zeit, die Pattsituation zu begreifen.
“Mason, was glaubst du, was du da tust?” Sasha kam langsam auf ihn zu. Cal warf einen Blick auf Nesser, der ebenfalls seine Waffe gezogen hatte.
„Dankend die Luftschleuse vermeiden“ Cal teilte seine Aufmerksamkeit zwischen den beiden Waffen, die auf ihn gerichtet waren. Er rechnete nicht damit, dass Nesser tatsächlich abdrücken würde, aber trotzdem war eine Waffe immer noch eine Waffe.
„Denk doch mal nach. Du hast ja nicht gerade viele Optionen. Wenn du ihn tötest, stirbst du eine Sekunde später.“ Sasha warf einen Blick auf Nesser. Sie bezweifelte, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. „Und draußen ist es möglicherweise etwas kalt.“
„Vielleicht.“ Cal trat gegen ein Kontrollpanel am Boden. Die Andockbucht der P52 öffnete sich. Sasha schäumte vor Wut. Trunk hustete und wand sich, aber das Messer belehrte ihn eines Besseren. Cal öffnete das Cockpit der P52.
„In dem Ding hast du nicht den Hauch einer Chance.“
„Ich liebe die Herausforderung.“ Cal grinste. Er stellte sich neben das Cockpit, drückte den entsprechenden Knopf und die Andockbucht begann, sich zu schließen. Er beugte sich zu Trunk. „Entschuldige meine Bemerkung zu Cathcart. Um ehrlich zu sein, halte ich diesen Einsatz bis heute für falsch.“
Cal stieß Trunk so in die Richtung von Sasha, dass ihre Schussbahn blockiert war und sprang ins Cockpit, kurz bevor sich die Landebucht wieder ganz geschlossen hatte. Er öffnete die äußeren Tore und beeilte sich, die Schiffssysteme hochzufahren. Cal pfiff anerkennend, als er bemerkte, dass auch dieses Schiffchen augenscheinlich einige Modifikationen erhalten hatte.
Sasha rannte zurück ins Cockpit und sperrte den Zugriff auf die Landebucht, doch es war zu spät. Heftige Vibrationen hallten durchs ganze Schiff, als die P52 sich ausklinkte. Sie glitt in den Pilotensitz und brachte die Phoenix in Angriffsposition. Hinter ihr erschien Trunk, der sich die Handgelenke rieb.
„Sieh‘ zu, dass du in den Turm kommst!“ Trunk zögerte, bis Sasha ihm einen giftigen Blick zuwarf.