Cassandra's Tears Episode 7



Penny starrte auf den schwarzen Bildschirm. Das SysBook war völlig tot. Es ließ sich nicht einmal mehr starten. Sie konnte es nicht glauben, hatte sie doch so viel Arbeit in das Setup gesteckt. Die folgenden Stunden verbrachte sie damit, das Gerät komplett auseinander zu nehmen und jeden Zentimeter Kabel sowie jeden Schaltkreis zu prüfen. Doch nichts schien zerstört oder auch nur beschädigt zu sein.

Sie musste sich eingestehen, dass der Absturz wohl eine direkte Folge ihres Zugriffs auf die geheimen Dateien war. Trotzdem hielt sie das aus zwei Gründen für unwahrscheinlich: Zum einen waren die Daten zum Projekt Cassandra gut 50 Jahre alt. Und zum anderen hatte sie noch nie von einer Möglichkeit gehört, ein eindringendes System ferngesteuert und ohne die leiseste Warnung derart umfangreich abzuschalten. Vier Stunden waren vergangen und die Frustration hatte längst eingesetzt.

„Lt. Penelope Ayala.“ Der Sprecher stand schon in der Tür.

„Was ist?“, fuhr Penny den Sprecher an und drehte sich um. Im Eingang standen drei Soldaten der Militärpolizei.

„Oh.“

Die Besatzung der Constellation Phoenix schlief tief und fest. Nesser hatte eigentlich gerade Dienst und sollte das Schiff steuern. Aber dem Schnarchen nach zu urteilen, das von der Pilotenkanzel herüber drang, hatte der letzte Drink wohl sein Übriges getan. Kurz zuvor hatten sie Cal Mason noch an die Wand zwischen dem Cockpit und dem vorderen Andockring gefesselt.

Er begann damit, sich die Ablageorte der Werkzeuge von allen Gegenständen zu merken, die nützlich werden könnten, sollte sich die Situation zum Schlechten wenden. Im Moment war er auf der Suche nach etwas, das als Dietrich herhalten konnte.

Ein Piepen der Steuerkonsole unterbrach seine Suche. Nesser verschlief den Warnton einfach. Kurz darauf öffnete sich die Tür, die zum Frachtraum und zu den Quartieren führte. Sasha hechtete zur Steuerung und schaltete den Alarm aus. Trunk folgte ihr.

„Schaff ihn hier weg!“, wütete Sasha. Trunk riss Nesser aus dem Pilotensitz und Sasha nahm seinen Platz ein.

„Was zur Hölle…“, nuschelte Nesser, bevor Trunk ihn auf den Boden neben Cal fallen ließ.

„Bleib liegen.“ Trunk setze Nesser einen Fuß auf die Brust. “Sobald wir landen, kriegste deine Kohle und bist raus. Klar soweit?”

 

„Wir sind gleich da“, sagte Sasha. Trunk nickte. Beide drehten ihre Köpfe und schauten Cal an.

„Steh auf“, meinte Trunk zu ihm.

Cal erhob sich mühsam. Trunk löste die Handschellen von der Wand und fesselte ihm damit die Hände, während Sasha eine Pistole aus einem Schrank nahm und sie lud. Sie schob Cal in den hinteren Bereich des Schiffes, dorthin wo die Fracht gelagert war.

Er sah die vertrauten Umrisse einer P52, die auf dem Boden zwischen gestapelter Fracht geparkt war. Cal war  in seiner Heimat eine kleinere Variante dieses Kurzstreckenjägers geflogen. Zwar war dieses Schiff nur ein Anfängermodell, ein Kinderspielzeug, aber für ihn bedeutete es den Weg in die Freiheit. Über die Jahre hatte er diesen Vogel in- und auswendig kennengelernt.

Aus dem Augenwinkel konnte Cal Mahony erkennen, den Bordmechaniker, der aus seinem Quartier heraus zuschaute.

Sasha stoppte an einem Haufen verschiedener Kisten. Sie öffnete eine verborgene Konsole und gab einen Code ein. Mit einem leisen Zischen öffnete sich eine Tür. Alle der separaten Frachtkisten waren in der Tat ein großer leerer Schmuggelcontainer.

Sasha deutete Cal mit einem Wink ihrer Waffe an, in den Raum zu gehen. Cal warf einen abschätzigen Blick hinein, bevor er eintrat. Sie folgte ihm und Trunk verschloss den Raum von außen. Der Container war kürzlich offensichtlich zum Schmuggeln von Menschen genutzt worden. An einer Wand stand ein Stuhl. An einer anderen ein Eimer, der einen beißenden Gestank abgab. Unglücklicherweise befand sich Cal auf der Seite des Eimers.

„Nimm doch Platz“, forderte Sasha ihn mit einem selbstgefälligen Grinsen auf. Cal trat den Eimer um, sodass er sich auf die Unterseite setzen konnte.  Sasha setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl und richtete die Waffe auf ihn.

„Braucht dich deine Crew jetzt nicht?“, meinte Cal, während er sich niederließ.

„Das schaffen die schon ohne mich. Außerdem, sollte der Zoll mich auf einem Scan erwischen…“, seufzte Sasha. „Sagen wir einfach, es wäre ein Problem.“

„Vielleicht passt dieser Lebensstil doch nicht so gut zu dir.“

„Quatsch, so bin ich eben. Und gib mir einfach ein oder zwei Monate, dann haben die Behörden mich auch wieder vergessen. Ihr Jungs vergesst immer.“

“Ach komm schon. Ständig über die eigene Schulter schauen müssen? Nicht zu wissen, wem man trauen kann? Das ist doch kein Leben.”

„Na klar, denn ständig nach der Pfeife der UEE-Bonzen zu tanzen ist ja so viel besser.“

„Immerhin ist es ein rechtschaffendes Leben“, widersprach Cal ohne zu zögern. Sasha starrte ihn einen Moment an, bevor sie zu lachen begann.

„Ich war auf Cathcart, als die UEE den Planeten bombardiert hat. Du kannst es von mir aus ein Leben nennen, aber es ist sicher nicht rechtschaffend.“

An der Grenze zum Hoheitsgebiet des Banu Protektorates stauten sich die wartenden Schiffe hintereinander in einer groben Linie. Die UEE-Zollbehörden führten bei jedem eine gründliche Untersuchung durch, bevor sie den Zugang zum Sprungpunkt freigaben. AutoTurrets und Dronen überwachten jeden Zentimeter zwischen dem Kontrollpunkt und dem Sprungpunkt, um eine Flucht unmöglich zu machen.

Die Reihe der Schiffe, wobei die meisten davon Händler und Fuhrunternehmer waren, bewegte sich langsam vorwärts. Auch die Phoenix glitt langsam in Richtung des Sprungpunktes. Trunk saß an der Steuerung. Nesser wuselte hinter ihm herum und kaute nervös an den Fingernägeln.

Endlich waren sie an der Reihe. Die Phoenix näherte sich langsam dem Kontrollpunkt. Ein Zollbeamter erschien auf den Comms. Trunk übergab die nötigen Kennungen. Der gesamte Schiffsrumpf vibrierte leicht, als die Scanner das Schiff durchleuchteten.

Im Container beobachteten sich Cal und Sasha gegenseitig. Beide sahen auf, als sie die Scanner hörten. Sasha wandte ihren Blick zu Cal.

„Schau mal, sobald wir den Sprung hinter uns haben, werden wir eine Entscheidung fällen, wie‘s mit dir weitergeht“, sagte sie hastig. „Die Mehrheit meint: Luftschleuse.“

„Ich verstehe.“

„Aber du hast die Wahl.“ Sie zögerte einen Moment. „Schließ dich uns an.“

„Wie bitte?“ Das hatte Cal nicht kommen sehen.

„Du hast Nesser gesehen, wir haben ihn rausgeworfen. Wir könnten jemanden wie dich also gut gebrauchen.“ Ihre smaragdgrünen Augen schienen zu glühen, trotz des gedämpften Lichtes. „Ohne die Regeln und Befehle ist das Leben rau, unvorhersehbar, leidenschaftlich. Und wer weiß, vielleicht gefällt es dir sogar. Falls nicht, verdienst du einfach für ein paar Monate gutes Geld und kannst dann gehen.“

„Du erwartest, dass ich alles verrate – meine Freunde, mein Schiff, meine Pflicht – nur um mein eigenes Leben zu retten?“ Cal schien tatsächlich beides gegeneinander abzuwägen.

„Ja, immerhin würde es dir den Sprung aus der Schleuse ersparen.“ Sasha zuckte mit den Schultern und grinste. „Deine Freunde müssen es ja nicht wissen.“

„Aber ich wüsste es.“ Cal sah ihr in die Augen, jedes Anzeichen von Zweifel war verschwunden. „Und das reicht.“

Der Scan war beendet. Sie hörten, wie die Antriebe starteten. Es folgte das vertraute Kribbeln im Bauch, als sie den Sprungpunkt passierten. Cal und Sasha waren wieder dabei, sich gegenseitig anzustarren.

Nach einigen Minuten zischte die Tür und öffnete sich. Draußen stand Trunk. Sasha verschwand hinter ihm. Trunk zog Cal auf die Füße und brachte ihn zurück in den Frachtraum.

Sasha verstaute ihre Waffe wieder in ihrer Koje. Cal wurde immer noch von Trunk festgehalten, der Sasha anschaute.

„Gibt’s ein Ergebnis?“, fragte er. Sasha schwieg einen kurzen Moment. Dann schaute sie zu Cal. Er starrte trotzig zurück.

„Töte ihn.“

Zur nächsten Episode geht es hier entlang.

Autor:  Dave Haddock   Übersetzung: alreadytaken   Korrektur: ius   Originaltext