Cassandra's Tears Episode 10



Im Nul-System beobachtete Grady Monk das Zentralgestirn des Systems, während er auf seinen Kontakt wartete. Die Wissenschaft behauptete zwar, dass es sich um einen pulsierenden Stern handeln würde, aber auf Grady wirkte die Helligkeit überhaupt nicht schwankend. Erneut schaute er auf die Uhr. Er würde diesem Typen noch zehn weitere Minuten geben, dann war der nächste Käufer an der Reihe. Grady Monk wartete nicht auf seine Kunden. Aus dem Augenwinkel konnte er eine Bewegung außerhalb des Schiffes erkennen.

‚Das wurde aber auch verdammt noch mal Zeit‘, dachte er und drehte sich um. Seine Augen weiteten sich.

Eine Explosion wie aus dem Bilderbuch zerfetzte Grady Monks Schiff.

An Bord der Gemini saß Darrow noch immer Penny gegenüber. Endlich bekam er die Gelegenheit zu sprechen.

„Sie könnten in echten Schwierigkeiten stecken, Lieutenant“, meinte er, „denn Ihr ziemlich langer Monolog erklärt nur, warum Sie illegalen Zugriff auf das Archiv genommen haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Zugriff illegal war.“

Die Tür ging auf. Darin stand Admiral Showalter. Er sah nicht gerade gut gelaunt aus. Penny und Darrow salutierten. Showalter machte einen Schritt herein und wandte sich Darrow zu.

„Haben Sie bitte die Güte zu erklären, warum Sie hier meinen Piloten belästigen?“

„Sir, Lieutenant Ayala hat Zugriff genommen auf…“

„… die Daten des Cassandra Projektes. Ich weiß. Ich habe mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen, Junge.“ Showalters Stimme klang ruhig und bedachtsam. „Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

„Es war vor drei Monaten. Wir bemerkten, dass jemand von außen versuchte, die Archive der Labornotizen zum Cassandra Projekt zu knacken. Den Täter konnten wir identifizieren als Warden, den Enkel des ehemaligen Projektleiters.“ Darrow tippte etwas auf seinem Tablet. Warden Mahony erschien, eben derselbe, der auf der Phoenix mitflog. „Die Advokatur hat Warden auf eine Beobachtungsliste gesetzt. Vor drei Wochen ist er plötzlich spurlos verschwunden. Und als Lieutenant Ayala dann auf die Daten Zugriff nahm, befürchteten wir ein Sicherheitsleck.“

„Nachvollziehbar, aber Sie hat nicht für diesen Burschen gearbeitet.“ Showalter schaute Penny fragend an. Sie schüttelte den Kopf. „Damit ist die Sache dann wohl erledigt.“

Vier Systeme weiter im Banu-Territorium war die Situation weit von jeder Lösung entfernt. Cal war gerade dabei, einen Plan zu entwickeln, um die Crew der Phoenix zu überraschen, als ein paar Söldner auftauchten. Nun musste er, neben Sasha, Trunk und Mahony, noch mit sechs weiteren Typen klarkommen.

Cal konnte nicht verstehen, ob sie die Bombe verkaufen oder benutzen würden. Aber das war auch egal, das Teil würde hier sowieso nicht herauskommen. Jetzt brauchte er nur noch einen Plan, an die Bombe heranzukommen. Hier drin ein Feuergefecht zu beginnen, erschien ihm eine schlechte Idee. Es brauchte nur einen Querschläger, um die Bombe zu zünden und dann wäre der ganze Raum, möglicherweise die gesamte Siedlung, nur noch klebriger Matsch.

Cal hatte immer noch den Peilsender der P52, der ihm die Position der Phoenix zeigte. Seine beste Chance war, die Bombe in das All zu befördern und zu zerstören. Er war nicht sehr optimistisch, eine Cutlass gegen eine Constellation zu fliegen, aber das war alle Male besser, als den Konflikt hier unten auszutragen. Außerdem war er mit Flügeln besser als mit Fäusten.

Sasha sprach leise mit den Söldnern und ging dann zu Mahony hinüber, der die übrigen Kanister des Cassandra Projektes in der Bombe installierte.

„Bist du fertig? Wir müssen das Ding jetzt verladen.“

“Gleich, noch ein paar Minuten”, grummelte er, während er die Kanister vorsichtig mit dem Auslöser verkabelte. Sasha drehte sich wieder zu den Söldnern um.

„Sobald wir draußen sind, nehmt ihr eure Positionen entlang der Route ein. Wenn ihr glaubt, dass uns jemand folgt oder uns auch nur zu viel Aufmerksamkeit schenkt, möchte ich das sofort wissen.“ Sie wandte sich Trunk zu. „Du hast sie bezahlt?“

„Klar, alles erledigt.“

Cal zog sich langsam zurück. Er wollte draußen sein, bevor die Bombe unterwegs war und schlich den Weg zurück zum Lüftungsschacht. Als er endlich das Gebäude verlassen hatte, waren sie schon dabei, die Bombe auf eine AntiGrav-Plattform zu verladen. Sasha nickte den Schlägern zu und sie verschwanden in der Menge. Cal merkte sich ihre Gesichter und verbarg sich hinter einer Ecke.

Sasha und Trunk bewachten die Plattform, während Mahony die Bombe durch die engen Gassen der Banu-Siedlung schob. Keiner der Passanten schenkte ihnen irgendwelche Beachtung. Cal hielt wieder Abstand und beobachtete die Gruppe aus der Ferne. Er stellte sicher, dass ihm keiner der Söldner begegnete, die die Route bewachten. Sie waren gut, Cal konnte keinen von ihnen entdecken.

Als die Bombe im Frachtraum der Phoenix verladen war, brach Cal die Observierung ab und rannte zurück zu seiner Cutlass. Er setzte sich hinter das Steuer und fuhr die Triebwerke hoch. Ein schneller Scan des P52-Senders ließ die Phoenix auf seinem Nav erscheinen.

Cal ließ ihnen einen Vorsprung, bevor er ihnen folgte. Sie nahmen Kurs zurück auf den Sprungpunkt. Cal musste eine Entscheidung treffen. Zweifellos hatten sie einen Weg gefunden, die Bombe durch den Zoll zu schmuggeln, aber Cal konnte eine Nachricht schicken, um sie festnehmen und die Bombe sicherstellen zu lassen.

Der Nachteil war, dass er den Käufer dann nicht schnappen würde, sollte es einen geben. Er wog die Möglichkeiten gegeneinander ab. Es war das Risiko nicht wert. Je länger diese Waffe da draußen war, desto mehr Möglichkeiten gab es, Cal zu überraschen. Und er war es langsam müde, überrascht zu werden.

“UEE Zollstation Charlie, Ferron-System. Hier spricht Lieutenant Cal Mason, UEE Navy, SysID#5847DDC. Ich verfolge eine gefährliche Waffe, die an Bord einer Constellation, mögliche Kennung Phoenix, jeden Moment in ihr System springen wird. Bitte separieren und setzen Sie alle Schiffe fest, auf die diese Beschreibung zutrifft. Außerdem leiten Sie diese Nachricht bitte an Lieutenant Penelope Ayala, UEES Gemini, weiter.” Er beschrieb alle Details, die er in Erfahrung gebracht hatte, in einem separaten Anhang und übergab die Nachricht an die nächste Relaystation.

Das sollte es gewesen sein. Er bezweifelte stark, dass die Phoenix sich mit Waffengewalt verteidigen würde. Während er weiterflog, wandelte sich sein Zweifel in ein ‚möglicherweise‘ und endlich in ein ‚sehr wahrscheinlich‘. Sicherlich würden sie sich mit einer Bombe an Bord nicht einfach schnappen lassen. Plötzlich war Cal überzeugt, dass er das Leben vieler Zollbeamter riskierte. Er gab vollen Schub und tauchte in den Sprungpunkt ein.

Auf der anderen Seite herrschte das Chaos. Schiffe taumelten ohne Energie durch den Raum. Die Zollstation war heruntergefahren. Irgendjemand hatte einen EMP gezündet. Einen von den richtig großen. Einige Schiffe nutzten die ausgeschaltete Sicherheit aus und rasten durch den Sprungpunkt, während einige wenige Schiffe der Sicherheitskräfte versuchten, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Das war die perfekte Deckung für die Phoenix.

Cal hatte die Phoenix immer noch auf dem Nav und verfolgte sie. Als das Schiff in Sicht kam, waren nur noch eine Handvoll anderer Schiffe in ihre Richtung unterwegs. Cal bereitete seine Waffen vor. Er musste sie hart und schnell treffen, um möglichst viele ihrer Verteidigungsmöglichkeiten auszuschalten, wollte er eine Chance-

Laserfeuer pfiff an seinem Cockpit vorbei. Cal steuerte instinktiv in die andere Richtung. Eine Marauder schoss an ihm vorbei und setzte zu einem weiteren Angriff an. Sein Scan zeigte, dass die Phoenix die Schilde aktivierte. Plötzlich ging ihm ein Licht auf.

Als Sasha im Labor meinte, sie „sollten ihre Positionen entlang der Route einnehmen“, hatte sie nicht den Weg in der Siedlung gemeint. Sie meinte die Flugroute.

„Cal, du dämlicher Idiot.“ Nun beschoss ihn auch die Phoenix. Cal rollte das Schiff aus der Schussbahn. Plötzlich rief ihn die Constellation.

„Wer bist du?“ Das war sie.

„Rate mal“, antwortete Cal. Die Marauder fiel hinter ihn und beschoss sein Schiff. Cal drehte seine Turmgeschütze und erwiderte das Feuer.

„Mason?“

„Kannst aufhören, zu raten.“ Es folgte eine lange Pause.

„Geh nach Hause, Mason.“

„Nachdem ich gesehen habe, was diese Bombe kann…“, setzte Cal an. Ein hektisches Piepen warnte ihn vor einer Raketenerfassung. Er änderte abrupt die Richtung und startete Gegenmaßnahmen. „…weißt du, dass ich das nicht tun kann.“

„Dann ist das dein Tod.“

“Aber du bist nicht so ein Mensch”, platze Cal heraus, in der Hoffnung, dass sie den Kanal noch nicht geschlossen hatte. „Ihr fliegt hier mit etwas spazieren, dass Millionen von Menschen auslöschen könnte, vielleicht sogar Milliarden. Ich weiß, dass du mit der UEE noch eine Rechnung offen hast und ich hab‘s kapiert. Wirklich. Aber das ist einfach zu viel und du weißt das.“

Die Marauder markierte ihn mit einem Infrarotsignal. Ein Schwarm Raketen nahm seine Fährte auf. Der Turm der Phoenix schwang herum und gab ebenfalls ein paar Schüsse ab.

Der Söldner in der Marauder war gut, aber nicht so gut. Cal hatte eher ein Problem damit, dass er es mit zwei Gegnern zu tun hatte. Er beendete die Verfolgung der Constellation und drehte ab, gefolgt von den Raketen. Die Marauder folgte ihm. Die Phoenix dagegen nicht, sie nahm Fahrt auf und flog davon.

Cal kuppelte aus, was seinen Antrieb abschaltete und drehte die Cutlass herum, ohne sein Momentum zu verlieren. Er feuerte aus vollen Rohren auf die anfliegenden Raketen. Sechs der acht Raketen konnte er abschießen, bevor er wieder drehen und einkuppeln musste.

Die Marauder feuerte mit allem was sie hatte. Zwar schoss sie damit die letzten beiden Raketen ab, aber auch die Cutlass musste einige Treffer hinnehmen. Doch die Schilde hielten.

Von den Raketen befreit, war Cal endlich bereit, mitzuspielen.

Die Marauder hielt noch weitere vier Minuten durch.

Von der Flugrichtung der Phoenix ausgehend, flogen sie zum Sprungpunkt nach Croshaw. Er sah ihr Signal flackern und dann erlöschen. Sie waren gesprungen.

Cal verschob alle verfügbare Energie auf die Antriebe. Die Cutlass jagte hinter ihnen her.

Darrow übergab seinen Bericht und erwartete neue Befehle seiner Vorgesetzten. Penny starrte gelangweilt an die Decke. Die Tür glitt auf. Ein junger Fähnrich streckte seinen Kopf herein.

“Nachricht für Lieutenant Ayala”, stotterte er nervös und warf einen Blick auf Darrow. „Sie kommt von Cal, Ma‘am.“

Zehn Minuten später stand Penny wieder Showalter gegenüber und wiederholte die Nachricht von Cal über die Phoenix, die Bombe, jedes Detail. Showalter blickte sie an. Seine Augen zogen sich etwas zusammen, ansonsten war sein Gesichtsausdruck rätselhaft wie immer. Darrow stand an der Tür.

„Sie wollen zur Erde“, schloss Showalter nach einem langen Schweigen.

„Denken Sie nicht, dass sie versuchen werden, die Bombe zu verkaufen?“, hielt Penny dagegen.

„Zwanzig zu eins, dass dieser Knabe zu Ende bringen will, was sein Idiot von einem Großvater begonnen hat.“ Showalter rief die Brücke. „Volle Energie auf die Antriebe. Wir setzen einen neuen Kurs.“

Im Croshaw-System war es ruhig. Auf beinahe allen Planeten war es ein ganz normaler Tag. Die Erwachsenen gingen zur Arbeit. Die Kinder besuchten die Schule. Es gab im System vier aktive Sprungpunkte. Einer führte nach Sol und zur Erde, der zweite verband Croshaw mit dem Nul-System, das aufgrund seines variablen Sterns noch nicht beansprucht worden war. Und durch den dritten Punkt gelangte man nach Davien…

Cal kam durch den vierten Sprungpunkt aus Ferron. Sein Nav brauchte nur eine Sekunde, um die Phoenix wieder anzuzeigen. Sie war auf ihrem Weg nach Nul. Cal nahm die Verfolgung auf und wich unterwegs dem Verkehr im System aus.

In einiger Entfernung konnte Cal eine Constellation erkennen. Er nutzte den Nachbrenner, um den Abstand zu verringern. Es war tatsächlich die Phoenix.

Plötzlich spielte sein Comm verrückt. Eine allgemeine Warnung kam über sämtliche Kanäle herein. Irgendwas über…

‚Oh, verdammt!‘, dachte Cal. Er schaute hoch.

Black Talon erschien aus dem Nul-Sprungpunkt, gefolgt von einigen Dutzend Vanduul-Jägern. Ohne zu zögern, griffen sie die Schiffe der Zollbehörden an. Ein Vanduul-Flaggschiff und einige weitere Schlachtschiffe erschienen kurz darauf. Die örtliche Polizei und andere Piloten fanden sich plötzlich in der Verteidigerposition wieder.

Die Phoenix flog durch die Angriffswellen der Vanduul und verschwand im Inneren des Flaggschiffs. Plötzlich setzte sich das Puzzle zusammen. Die Phoenix hatte die Vanduul nicht angeheuert, um das System anzugreifen. Stattdessen hatten die Vanduul die Crew der Phoenix dafür bezahlt, eine Waffe zu bauen. Es ging gar nicht um Mahonys persönliche Rache, das hier war ein gezielter Angriff der Vanduul, mitten in das Herz ihrer Feinde!

Das Flaggschiff eröffnete das Feuer. Die Vanduul-Jäger prallten auf die erbärmliche Verteidigung der Menschen. Cal aktivierte den allgemeinen Comm, um die Piloten zu organisieren und stürzte sich dann mitten ins Getümmel.

Piloten beider Seiten umkreisten sich, auf der Suche nach dem Schwachpunkt des Gegners. Laserfeuer verglühte in der Leere des Raumes. Schnell war das Schlachtfeld mit Überresten der zerstörten Schiffe gefüllt. Wildes Gerede überflutete die Comms. Das war Krieg. Das Vanduul-Flaggschiff änderte seinen Kurs in Richtung des Sol-Systems, in Richtung der Erde.

Cal gab dem Vanduul, der es auf ihn abgesehen hatte, den Rest und versuchte dann, die Situation abzuschätzen. Kurz gesagt, es lief nicht gut. Die Vanduul hatten mehr Erfahrung und waren kaltblütiger. Die Polizei und einige verstreute Militärschiffe setzten den Vanduul zu, die aber ihrerseits mehr und mehr Zivilisten ausschalteten. Cal wusste, dass sich das Blatt langsam, aber sicher gegen sie wenden würde. Selbst wenn sie es schaffen sollten, die Jäger zu zerstören, dann waren da immer noch die größeren Schiffe der Vanduul, gegen die sie machtlos waren.

Dann sah er die Erlösung…

Die Gemini. Die wunderschöne Gemini erschien im Sprungpunkt aus Ferron. Cal hatte gehofft, dass sie seine Nachricht erhalten hatten. Sieben Wings aus Jägern starteten von den Decks des Trägers.

„Wir dachten, du seist tot.“ Penny meldete sich über das Comm.

„Komm schon, Penny.“

„Wenn der Graue dich in die Finger bekommt, dann wünschst du dir, dass du es wärst.“

„Ich freue mich auch, dich zu sehen, Penny“, antwortete Cal.

„Und ich mich erst“, schmunzelte Penny. „Wollen wir dann?“

Sie schlossen sich dem Kampf an.

Die Waffen des Vanduul-Flaggschiffes richteten sich auf die Gemini. Die Decksgeschütze beider Schiffe tauschten Strahlen der Zerstörung durch das Vakuum aus. Schilde blitzten auf und hielten die Geschosse zurück. Kleinere Schiffe wurden im Kreuzfeuer zu Asche verbrannt.

Cal und Penny kämpften endlich wieder Seite an Seite. Er sah die Phoenix vom Flaggschiff starten. Sie suchte ihren Weg durch die Schlacht, auf dem Weg zurück nach Ferron.

Plötzlich flackerten seine Schilde auf. Cal schaute hoch. Black Talon und einige seiner Freunde hatten sich auf sie gestürzt.

„Schau mal, wer wieder da ist“, meine Cal höhnisch.

„Den schnappen wir uns“, zischte Penny. Beide ließen von ihren jeweiligen Zielen ab und gingen auf einen Abfangkurs zu Black Talon. Sie konnten sehen, wie einige lokale Piloten Black Talon angriffen, aber sie waren dem Vanduul-Fliegerass nicht gewachsen.

Cal eröffnete das Feuer auf den Vanduul, doch der tänzelte einfach um die Geschosse herum. Penny versuchte, ihn durch Unterdrückungsfeuer in seiner Bewegung einzuschränken, doch Black Talon war einfach zu flink.

Plötzlich mussten sie dem Feuer und Raketen etlicher Angreifer ausweichen. Cal hatte Schwierigkeiten, Black Talon im Blick zu behalten, während er durch den Raum wirbelte und seine Schilde mehrere Treffer aus verschiedenen Richtungen einstecken mussten. Penny ließ von Black Talon ab und nahm sich ihrer Verfolger an.

An Bord der Phoenix betrachtete Sasha den leeren Weltraum vor ihr. Sie wirkte niedergeschlagen. Trunk saß im Geschützturm. Er beobachtete die Schlacht, die mittlerweile das gesamte System erfasst hatte, mit einer ähnlichen Stimmung. Er kletterte die Leiter herunter und ging hinüber zu seiner Halbschwester ins Cockpit.

„Die werden da draußen aufgerieben“, setzte er nach einer langen Pause an.

„Das ist nicht unser Problem“, erwiderte Sasha leise. Doch sie klang nicht überzeugt.

„Im Grunde genommen…“, begann Trunk, unterbrach sich aber selbst.

„Was meinst du?“

„Ich weiß auch nicht. Wir haben den Job erledigt und unsere Bezahlung eingesackt. Eigentlich sind wir damit raus. Wir können machen, was wir wollen.“

Sie saßen schweigend nebeneinander.

„Ich wollte nur sagen…“ Trunk stockte erneut.

Auf dem Schlachtfeld hatten einige der Schilde des Vanduul-Flaggschiffes versagt. Explosionen liefen die äußere Hülle entlang. Doch auch die Gemini musste einige Treffer hinnehmen. Eines der Hauptgeschütze war zerstört und die folgenden Explosionen in den Munitionslagern schlugen die Hülle wie Blasen nach außen. Die anderen Schlachtschiffe der Vanduul zielten gezielt auf ihren Antrieb. Der riesige UEE-Träger wurde zunehmend langsamer.

Cal warf einen Blick auf das Vanduul-Flaggschiff. Die Bombe musste immer noch an Bord sein. Das würde Sinn ergeben. Immerhin wäre das im Moment der sicherste Ort, außerdem war dieses Schiff das einzige, das auf den Sprungpunkt nach Sol zuhielt. Er vermutete, dass der Sprung nur noch eine Frage von Minuten war.

„Penny, gib mir Deckung.“

„Was hast du jetzt wieder vor?“

„Das willst du bestimmt nicht wissen.“ Cal wich dem Beschuss von Black Talon aus und hielt auf das Flaggschiff zu. Black Talon setzte zur Verfolgung an, doch Penny verwickelte ihn in einen Nahkampf, so dass Cal einen Vorsprung gewann.

Er hörte Penny fluchen. Cal schaute zurück. Sie war getroffen. Einer der Antriebe war dunkel. Black Talon und andere Vanduul-Jäger umkreisten sie, um ihr den Todesstoß zu versetzen. Cal blickte wieder auf das Vanduul-Flaggschiff, das dem Sprungpunkt schon sehr nahe war.

Entweder Penny oder die Erde, er musste sich entscheiden.

Als Cal gerade den Schub umkehren wollte, schoss etwas an ihm vorbei und hielt auf Penny zu. Laserfeuer zerstörte die Scythes, bevor diese das Feuer erwidern konnten. Black Talon wich aus und setzte zum Gegenangriff an.

Es war die Phoenix.

„Viel Glück, Mason“ war alles, was er über die Comms zu hören bekam, bevor sich die Constellation wieder zurückzog. Penny konnte ihren Antrieb wieder online bringen und verschwand in Sicherheit.

Cal konzentrierte sich wieder auf das Flaggschiff und setzte sein Pokerface auf. Er brachte sich die Gänge des Schiffes vor Augen, wie er sie kennengelernt hatte. Vor sich sah er die Landebuchten. Sie waren tief, höhlenartig, aber es gab genug Platz, um zu manövrieren. Das Flaggschiff verschwand im Sprungpunkt.

Plötzlich schoss Laserfeuer von hinten an ihm vorbei. Black Talon hatte ihn wieder im Visier. Cal aktivierte die Nachbrenner. Die Cutlass machte einen Sprung nach vorne und erreichte den Sprungpunkt mit Black Talon am Heck.

Der Raum verzerrte sich um das Schiff. Der Autopilot wurde selbstständig aktiv und begann, die Geschwindigkeit des Schiffes auf ein sicheres Niveau zu reduzieren. Cal deaktivierte ihn wieder und behielt die Geschwindigkeit bei. Er war schon dutzende Male durch den Interspace zwischen Croshaw und Sol geflogen. Sie hatten ungefähr fünf Minuten, bevor sie auf der anderen Seite herausspringen würden.

Etwas stieß an seinen Flügel und zerstörte ihn. Das Flaggschiff flog langsam an ihm vorbei, sein Bild flackerte immer wieder außer Sicht. Der Rumpf der Cutlass ächzte unter den einwirkenden Kräften. Cal setzte sich vor die Vanduul. Mit nur einem Flügel und einem Gebet auf den Lippen deaktivierte er den Afterburner und drehte sein Schiff. Plötzlich befand er sich in der Landebucht. Er scannte das Deck unter ihm. Überraschte Vanduul begannen zu schreien und feuerten ihre Waffen auf ihn ab.

Noch drei Minuten.

Er überflog das komplette Flugdeck, doch konnte sie nicht-

Da! Einige Mechaniker waren gerade dabei, den Sprengkörper in einen Bomber zu verladen. Cal schwang die Cutlass herum. Erneut tauchte Black Talon auf und hielt auf ihn zu. Cal versuchte, sich davon nicht ablenken zu lassen. Er visierte sein Ziel an. Er wusste, dass er keine weitere Chance bekommen würde.

Zwei Minuten.

Black Talon griff ihn an, seine Geschütze blitzten auf. Cal drückte ab.

Es war ruhig im Sol-System. Verstärkungen formierten sich am Sprungpunkt. Die Nase des Vanduul-Flaggschiffes stieß durch den Sprungpunkt. Alle Schiffe der UEE-Navy machten ihre Waffen bereit. Aber sie eröffneten nicht das Feuer.

Nur die vordere Hälfte des Vanduul-Schiffes taumelte aus dem Interspace heraus, der hintere Teil war verschwunden. In diesem Moment verließ Cals Cutlass die Landebucht. Auch sein Schiff war von den Cassandra-Viren getroffen worden. Er aktivierte augenblicklich den Schleudersitz. Die Trägheit trug ihn in Richtung der Navy-Verbände. Er drehte sich um, um zu beobachten, wie sich das Flaggschiff in der Schwerelosigkeit zu einer molekularen Masse verwandelte. Auch die Cutlass löste sich auf. Es war eine Schande. Er hatte begonnen, das Schiff zu mögen.

Jetzt, da sich sein Adrenalinspiegel wieder normalisierte, spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Bein. Es schien gebrochen zu sein.

Er seufzte und wartete darauf, von der Kavallerie eingesammelt zu werden.

Als Cal das Deck der Gemini betrat, wurde er mit donnerndem Jubel empfangen. Kerney, der große Mechaniker, begrüßte ihn mit einer überschwänglichen Umarmung. Penny warte, die Hände in die Hüfte gestemmt, mit einem Lächeln im Gesicht. Cal salutierte. Sie nickte.

Die Piloten und die Decksbesatzung klopften ihm auf die Schulter, als er über das Deck humpelte. Die Menge teilte sich und er stand direkt vor Admiral Showalter. Cal nahm Haltung an und salutierte.

„Sir.“

Showalter musterte ihn einige Momente.

„Mason, wir haben dich begraben.“

„Es tut mir leid, Ihnen das vermasselt zu haben, Sir.“ Cal musste ein Grinsen unterdrücken. Immerhin war das schon die vierte Beerdigung, die sie für ihn abgehalten hatten. „Nächstes Mal versuche ich, tot zu bleiben.“

Showalter schüttelte nur den Kopf und ging.

Cal verbrachte die nächsten zwei Wochen auf der Krankenstation mit seinem Bein in einem Gips. Er beschäftigte sich mit der Suche nach Sasha und der Phoenix. Das Schiff wurde verlassen in der Nähe von Terra aufgebracht. Doch Sasha blieb verschwunden.

Vier Tage später setzte wieder diese Nervosität ein, dieses Kribbeln, das entsteht, wenn ein Pilot zu lange an den Boden gefesselt ist…


THE END

Das Nul-System. Plünderer durchsuchten die Überreste eines Frachters. Die Kennung gab einen Eigentümer namens Grady Monk preis. Der größte Teil war Müll, aber Credits waren Credits. Und die Zeiten waren hart. Das Nav erfasste einen neuen Kontakt. Die Pilotin scannte den Neuankömmling, aber konnte keine ID erfassen. Sie blickte aus dem Cockpit. Eine Vanduul Scythe raste vorbei. Mit einem Schrei sprang sie auf. Doch die Scythe drehte nicht um oder griff an, sie flog weiter in Richtung Vanduul-Gebiet.

Bevor das Schiff im Raum verschwand, konnte sie erkennen, dass einer der Flügel aussah, als sei er in dunkle Farbe getaucht.

Autor:  Dave Haddock   Übersetzung: alreadytaken   Korrektur: ius   Originaltext