A Human Perspective Episode 8



Charl war im Begriff, sein Bewusstsein wiederzuerlangen, als ein unspezifischer Schmerz jede Faser seines Wesens ergriff. Jedes andere Gefühl ordnete sich dem unter. Seine Nase und Lippen kribbelten wie betäubt und als er im weißen grellen Licht blinzelte, hörte es sich für ihn an, als würde jemand Sandsäcke herumwerfen. Seine Arme und Beine waren lose festgegurtet, doch konnte er nicht die Kraft aufbringen, um sich zu befreien. Es war sein Kopf, der völlig unbeweglich war; seine Stirn und seine Halswirbelsäule waren eng in einer Art formschlüssigem Plastikhelm fixiert. Obwohl er sich schwach wie ein Kätzchen fühlte, war er sich ziemlich sicher, dass er selbst an seinem besten Tag seinen Kopf nicht aus dieser Vorrichtung hätte befreien können.

„Was ist los?“, murmelte er kraftlos vor sich hin, doch niemand antwortete ihm. Er wusste, dass sich um ihn herum andere Personen befanden. Er konnte ihre sanften Banu-Stimmen hören. Wie gelbbekittelte Phantome schlurften sie herum und drangen in Charls gepeinigtes, halbschlafendes Bewusstsein ein. Ein Banu lehnte sich über ihn und verfinsterte damit das weiße Licht wie ein Mond, der sich vor seine Sonne schob. Eine Einstellung wurde verändert und Charl fiel zurück in einen tieferen Schlaf.

Wie viel Zeit seit seinem letzten klaren Moment vergangen war, konnte er nicht sagen. Dieses Mal hatte er sich etwas mehr Bewusstsein mit einem größeren spezifischen Schmerz erkauft. Sein Schädel fühlte sich an, als hätten sie diesen mit Stahlkeilen bis hin zu seinem Gaumen durchbohrt und er war sich sicher, dass selbst die kleinste Bewegung sein Gehirn zerfetzen würde. Er konnte sich nun jedoch besser konzentrieren und strengte seine Augen an, um eine Handvoll Techniker zu sehen, die seltsame Arbeitsstationen beobachteten, Skalen justierten und anderes technisches Zeugs ausführten.

„Wo ist Lyshtuu?“, keuchte er und intensivierte seinen Schmerz dadurch unermesslich. Ein Techniker reckte seinen Kopf und gab seinen Kollegen ein Zeichen. Einer von diesen kam näher. Charls Sicht war viel zu verschwommen, um ihn genau identifizieren zu können.

„Wo ist Lyshtuu?“, formte er dieses Mal nur mit den Lippen, dann noch einmal in der Sprache der Banu, nur um sicherzugehen.

„Lyshtuu entlassen“, sagte der Banu einfach nur. Er langte über Charls Kopf, berührte und justierte möglicherweise die Vorrichtung, an die sie ihn angeschlossen hatten.

„Lassen Sie mich gehen“, brachte er in schwachem Ton heraus, hielt jedoch inne, als er von einer Flut von Erinnerungen ergriffen wurde, begleitet von allen möglichen herzzerreißenden Emotionen, als würde er Monate seines Lebens in ein paar Sekunden erleben, und das in einer unglaublichen Intensität. So schnell wie es begann, hörte es auch wieder auf und ließ ihn als schwankendes, zitterndes Wrack zurück.

Weitere Techniker sammelten sich leise miteinander sprechend in seiner Nähe und in seinem momentanen Zustand war Charl sich nicht sicher, ob er hätte verstehen können, was sie sagten, selbst wenn sie ihm alles buchstabiert hätten. Sein Verstand hatte sich noch immer nicht von dem Feuerwerk an Erinnerungen erholt. Er schnappte jedoch auf, dass die Techniker über irgendetwas nicht erfreut waren. Sie diskutierten miteinander und er vernahm etwas von „Kooperation“ und „Abblocken“. Mittlerweile fühlte sich sein gesamtes Gesicht gleichzeitig taub an und als ob es brennen würde und er schloss seine Augen, jedoch nicht, bevor sich die Techniker zerstreut hatten und nur einen von ihnen zurückließen, um weitere Einstellungen an seinem qualbringenden Helm vorzunehmen.

„Kann Charl-Grissom mich jetzt verstehen?“, fragte der justierende Techniker. Völlige Klarheit legte sich über Charls Verstand, wie eine warme Decke. Da war noch immer etwas Schmerz und Unbehagen und er war weiterhin festgegurtet, doch es war, als wäre sein Verstand gerade aus einem Sprungpunkt zurück in die reale Welt gereist.

„Lassen Sie mich gehen!“ Charls Ausruf war kraftvoll genug, dass der Techniker ein Stück zurücktrat.

„Keine Freigabe. Vertragliche Vereinbarung.“ Der Techniker hielt eines von Charls Augen geöffnet und blickte mit seinem eigenen tief hinein. Dabei blendete er ihn mit einem kleinen kugelschreibergroßen Licht.

„Scheiß auf den Vertrag! Sie können mich nicht so behandeln! Ich verlange, Lyshtuu zu sehen!“ Bleib stark. Banu respektieren Stärke.

„Lyshtuu entlassen.“ „Entlassen“ bedeutete üblicherweise genau das in der Sprache der Banu statt etwas Finstereres, bemerkte Charl.

„Wo ist Angela?“ Jedes bekannte Gesicht könnte ihm nun von Nutzen sein, selbst das Gesicht eines Androiden, dachte er sich.

„Projekt Angela abgebrochen.“ Abgebrochen? Sollte das heißen, sie wird demontiert? Vielleicht aufgegeben? Wie auch immer, ihm gingen die Bekannten aus, mit denen er hätte verhandeln können und diese Techniker schienen nicht sonderlich an seinen Wünschen interessiert zu sein. Sein Verstand raste. Er musste sie überzeugen, bevor sie wieder damit begannen, sein Gehirn zu malträtieren. Irgendetwas, um irgendeine Art von Deal auszuhandeln und sie damit unachtsam zu machen, damit er entkommen konnte.

„Ist Angela hier?“, fragte er, während er zwar etwas schwer atmete, aber nun mehr Kontrolle über seinen Körper erlangte. „Android Angela?“

„Projekt Angela abgebrochen“, wiederholte sich der Banu. „Projekt Charl-Grissom begonnen.“

Charls Eingeweide fühlten sich an, als wären sie zu einer Singularität kollabiert. Auf keinen Fall werden sie einen Androiden nach meinem Vorbild machen!

„Da muss ein Fehler vorliegen“, insistierte er. Würden sie ihn wirklich zu einem Androiden machen? Bereiteten sie sein Gehirn für dessen Entnahme vor? Der sonst nicht auf den Mund gefallene Charl lag leise mit heruntergeklapptem Kiefer da. Die Ungeheuerlichkeit der Situation hatte ihn sprachlos gemacht.

„Ich bin Techniker Zwei.“ Ein neuer Techniker hatte sich genähert, während Charl ermattete. Banu neigten dazu, Zahlen als Pseudonyme zu verwenden, wenn sie anonym bleiben wollten, und es verlangte ihnen nur nach Anonymität, wenn sie etwas Illegales oder Amoralisches taten. Das war also nicht gut.

„Neues Projekt initiiert“, versuchte der neue Techniker zu erklären. „Vertragsklausel gegriffen…“ Er kämpfte mit der Sprache, während er versuchte, seine Gedanken in einem eigenartigen Akzent darzulegen. Vertrag? Charl beschlich das mulmige Gefühl, dass er seinen zweiten Vertrag hätte etwas genauer lesen sollen.

„Charl-Grissom brechen Vertrag“, fuhr er fort, „Vertragsbruch freiwillig von Charl-Grissom. Vertragsbedingungen klar. Vertragsbruch initiieren neue Klausel…“

„Ich habe den Vertrag gebrochen?“, fragte Charl in der vergeblichen Hoffnung, das Recht auf einen Anwalt zu haben. „Ich habe alles getan, was der Vertrag verlangt hat“, protestierte er. „Ich habe an jeder Evaluationssitzung teilgenommen…“

„Vertragsbruch bestätigt, Daten kompromittiert.“ Mist! Sie hatten ihn an der Kandare, weil er ihre Daten durchsucht hatte. Vielleicht hatten sie es absichtlich so einfach gemacht, um ihn in eine Falle zu locken, damit sie das, was auch immer dies hier war, mit ihm machen konnten. Er dachte sich schnell ein paar Ausreden aus.

„Ich habe nur versucht, die Daten zu verifizieren…“, begann er, doch Techniker Zwei ignorierte ihn. „Lyshtuu empfahl mir, die Daten durchzugehen…“ Doch er nahm es ihm nicht ab.

„Daten kompromittiert. Vertrag gebrochen. Opfer Anspruch auf Entschädigung.“ Wirklich? Diese Banu haben mich auf einem Tisch festgeschnallt und sie sagen mir, dass sie, zumindest vertragsgemäß, die Opfer sind?

„Besagt der Vertrag, dass Sie mich foltern dürfen?“ Hatte ihn Lyshtuu verraten, fragte er sich? Sie sagen, dass er entlassen wurde, also ist er hieran vielleicht nicht beteiligt. Vielleicht passiert all dies auf Anweisung des Protektorats. „Ich verlange, dass Sie mich sofort freilassen!“

„Charl-Grissom nicht gefoltert. Nicht verletzt. Charl-Grissom geerntet.“

Das Schwarze Loch in seinen Eingeweiden verkleinerte sich ein wenig.

„Geerntet?“, frage er vorsichtig.

„Geerntet.“ Techniker Zwei blickte zu seinen Kollegen, die im Raum verteilt waren, um seinen Ausdruck zu verifizieren, doch scheinbar viel niemandem ein besseres Wort dafür ein. „Ernten. Mentales Ernten.“

„Okay, einen Moment mal. Ich habe den Vertag gebrochen, in dem es um Ihren Androiden ging, und das gibt Ihnen das Recht, meinen Verstand zu ernten, um ein neues Androiden-Projekt zu starten, das auf mir basiert? Wirklich? Und das ist alles legal? Niemals!“

„So wie es Charl-Grissom sagt“, bestätigte Techniker Zwei.

„Sie werden also nicht mein Gehirn herausschneiden?“

„Ein paar Banu brachen in ihre Version eines Gelächters aus und erklärten es ihren Kollegen, die es nicht gleich verstanden hatten, damit auch sie mitlachen konnten. Charl fand das Ganze gar nicht lustig.

„Negativ!“, insistierte Techniker Zwei entschieden. „Charl-Grissom nicht verletzt. Charl-Grissom mentale Ernte.“ Die Singularität in seinen Eingeweiden verkleinerte sich etwas mehr, doch war er noch immer gegen seinen Willen festgegurtet.

„Was ist mit diesem Ding?“, fragte er und deutete dabei mit seinen Augen nach oben. „Ich hoffe, dieses Ding funktioniert besser als Ihr Android.“ Banu zucken nicht wirklich mit den Schultern, doch genau diesen Eindruck hatte er, als sie sich gegenseitig anblickten. „Kopieren Sie etwas aus meinem Verstand, oder…?“

„Nur Kopieren, Charl-Grissom. Kein Schaden.“

„Welche Garantie habe ich dafür…?“, begann er zu fragen, sich wünschend, er hätte wenigstens etwas, dass er in die Waagschale werfen könnte. Er würde ihnen alles versprechen, entschied er, wenn ihm dies eine Möglichkeit zur Flucht verschaffen würde.

„Kein Schaden.“

„Alles klar. Das sind die besten Neuigkeiten, die ich den ganzen Tag gehört habe“, sagte er in dem Wissen, dass die Banu diesen Ausdruck nicht verstehen würden. „Doch dieses Ding macht mich fertig! Können Sie den Schmerz nicht lindern?“, fragte er seine Schultern windend.

„Blockieren bedeuten Unwohlsein“, sagte Techniker Zwei aufmerksam, nun da sie endlich zu dem kamen, was er diskutieren wollte. „Kooperation verringern Unwohlsein. Kooperation besseren Transfer machen. Kürzeren Transfer.“

„Ich bin also kein Gefangener?“

„Oh ja, Charl-Grissom Gefangener“, erwiderte Techniker Zwei nüchtern. „Vertragliche Verpflichtung.“

„Ich verstehe.“ Charl vergab sich seine Verwirrung. Er wurde unter Drogen gesetzt, festgeschnallt und sein Gehirn von diesem außerirdischen Verstandabsauger malträtiert. Er strengte sich an, alles, so gut wie es ging, zu verarbeiten.

„Es wird dort draußen also ein Android herumlaufen, der mir nachempfunden ist?“, fragte er ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Wie schlimm kann das sein? Ich schätze, ich kann mich auch noch später darum kümmern. „Okay, ich werde kooperieren.“ Ich werde kooperieren, bis ich eine Gelegenheit bekomme, mich aus dem Staub zu machen!

„Kooperieren. Verstanden.“ Techniker Zwei schien erleichtert.

„Und keine weiteren Schmerzen?“, fragte Charl.

„Kooperieren verringern Unwohlsein“, antwortete er, was weit von einer Garantie entfernt war, doch Charl wusste, dass er wahrscheinlich nicht mehr bekommen würde. „Charl-Grissom entspannen. Kooperieren verringern Unwohlsein.“

Charl atmete ein paar Mal tief durch und versuchte sich zu entspannen, doch das war einfacher gesagt als getan. Er ließ seinen Verstand wandern, in der Hoffnung, dies würde helfen. Ich kann es nicht erwarten, hier rauszukommen und zurück zu der … mein Schiff, die … warum kann ich mich nicht an den Namen meines Schiffes erinnern?

„Helfen Charl-Grissom beim Kooperieren“, sagte Techniker Zwei, während er sachte eine Spritze anschnipste, bevor er etwas in Charls Arm injizierte. Für einem Moment verwandelte sich Charls Singularität, die an seinen Eingeweiden nagte, in ein galaxiefressendes Schwarzes Loch, bevor es sich in einem Nebel auflöste.

Zur nächsten Episode geht es hier entlang.

Autor: Timothy Brown

Übersetzung:  Malu23   Korrekturlesung: ius   Originaltext