A Human Perspective Episode 7



„Bitte setzen, Charl-Grissom.“


Ein laborkitteltragender Techniker geleitete ihn in einen kühlen Raum mit zwei Stühlen, die sich auf den gegenüberliegenden Seiten eines flachen Tisches gegenüberstanden. Wow, sie haben ein paar Stühle gefunden. Grelle weiße Beleuchtung spielte auf sterilen grauen Wänden, mit einem langen „Spiegel“ an der hinteren Wand. Er hatte sich bereits in einigen überwachten Räumen wie diesem befunden. Sollten sie ihn doch beobachten, was kümmerte ihn das?

Die Tür öffnete sich und ein weiterer Techniker führte Angela in den Raum, indem er ihre Bewegungen über ein Kabel fernsteuerte, das mit ihrem Hinterkopf verbunden war, als hätte er sie an einer Leine. Sie war deaktiviert, wie Charl feststellte; sie bewegte sich unter der Kontrolle des Technikers, war aber ansonsten leblos. Sie hatten ihr einen tristen Overall angezogen und ihr Haar einfach an ihrem Kopf fixiert. Die Techniker ließen sie gegenüber von Charl Platz nehmen, zogen kurzerhand das Fernsteuerungskabel aus ihrem Schädel und ließen sie „allein“.

Der Android Angela war wirklich lebensecht, erkannte er an. Er untersuchte ihr Gesicht gewissenhaft. Sie war wie eine extrem lebensechte Puppe, die ihn leblos anblickte. Ihre Haut war glatt und makellos und ihre Augen präsentierten sich in perfektem Weiß und Blau, jedoch waren ihre Pupillen eigenartig geweitet. Sogar ihre Lippen waren feucht.

„Charl-Grissom, einen Moment.“ Die harsche Stimme aus der Gegensprechanlage erschrak ihn. Ein Techniker kam eilig mit einem piependen Scanner herein und ein zweiter folgte ihm kurz darauf mit einigen Feinwerkzeugen, die sie in den Hinterkopf des Roboters steckten. Sie machten zügig ihre Anpassungen und verschwanden wieder.

„Gibt wohl ein paar Probleme?“, frage Charl laut genug, dass ihn die Zuschauer hinter dem Zwei-Wege-Spiegel hören konnten.

„Ich bin jetzt bereit.“ Android Angelas Stimme erschrak ihn mehr als es die Stimme aus der Gegensprechanlage getan hatte. Sie blickte ihn auf eine Weise an, die es schwer machte, sich daran zu erinnern, dass sie nur eine Maschine war.

„Oh, super. Dann lasst uns beginnen“, brachte er heraus. Die Techniker hatten ihm gesagt, dass diese erste Sitzung kurz sein würde, nur mit dem Ziel, einige Systeme, ihre Beobachtungstechnik usw. zu testen. Sie wiesen ihn ebenso darauf hin, dass der Android zunächst verwirrt wirken könnte, doch das war ganz und gar nicht der Fall.

„Danke, dass Sie versucht haben, mir zu helfen, als Sie dachten, ich wäre in Gefahr“, sagte sie beinahe abwesend. Sie erblickte sich im Spiegel, machte eine Grimasse und begann dann, ihr Haar zu richten. „Die Techniker sind solche Hohlköpfe. Sie sollten sehen, was sie mir manchmal anziehen.“

„Sie sind sich also bewusst, dass sie ein…“

„Ein Android. Ja.“ Ihre Offenheit verdutzte Charl. „Obwohl sie diesen Umstand jederzeit ändern können. Während der gesamten Zeit, in der wir beide zusammen waren, war diese Funktion abgeschaltet. Na also, so ist es schon besser.“ Ihr Haar wirkte nun deutlich weniger beängstigend, da zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden.

„Abgeschaltet?“

„Ja, ich war zu dieser Zeit im vollautonomen Modus, den sie jedoch nie vernünftig zum Laufen gebracht haben. Wenn Sie mich fragen, sind wir davon noch ein paar Monate entfernt.“ Charl wusste nicht recht, wie er darauf reagieren sollte. Er fand ihre selbstverständliche Eigenwahrnehmung eigenartig.

„Wann wurden Sie, nun ich meine…, wann wurden Sie „erschaffen?“, frage er, während er sich etwas dehnte, um seine Anspannung zu lösen. Bis er bemerkt hatte, dass sie nicht antwortete, war es den Technikern ebenso aufgefallen. Drei von ihnen stürzten mit neuen Scannern und Sensoren herein und bearbeiteten den starren Androiden. Sie war wie gefroren und ihre Pupillen wurden seltsam schwarz.

„Charl-Grissom, Reparatur begonnen. Bitte sich zurückziehen.“ Charl stand auf und machte sich auf den Weg um die beschäftigten Techniker und ihren nicht funktionierenden Androiden herum und zog sich in sein Quartier zurück, das ihm bereitgestellt worden war. Es hatte bei weitem nicht die Qualität wie die Kabine auf der Luxusyacht, auf der er angekommen war, aber für den Moment würde es genügen. Sie hatten den Computer in seinem Quartier direkt mit dem System des Forschungsprojekts verbunden, damit er Notizen und Aufnahmen von seinen Reaktionen auf den Androiden Angela hochladen konnte. Ihr gesamtes Projekt war einsehbar. Glauben diese Techniker nicht an Datensicherheit?

Schließlich streckte er sich auf dem Bett aus und machte etwas Musik an. Er war nervös und wusste, dass es mit dem Wiedersehen von Angela zu tun hatte. Es gelang ihm schließlich, das seltsam verlockende Robotergesicht aus seinen Gedanken zu verbannen, indem er sich stattdessen auf seinen bevorstehenden Reichtum konzentrierte.

Nun begannen routinemäßig zwei Sitzungen pro Tag, eine am Morgen und eine zu einem späteren Zeitpunkt, worauf er seine Kommentare in ihr System hochladen würde. Zunächst schaffte es der Android Angela selten, mehr als ein paar Minuten durchzuhalten, wenn sie denn überhaupt funktionierte, so dass Charls Interaktion mit ihr begrenzt war. Leicht verdientes Geld, dachte er sich. Wenn sie glauben, ich bleibe auch nur einen Tag länger, als es der Vertrag verlangt, täuschen sie sich gewaltig. Wenn sie natürlich die Entlohnung entsprechend anpassen…

Techniker kamen und gingen und die Zeit zog sich dahin. Bis zum fünften Tag hatten sie jedoch viele der Fehler behoben und die Sitzungen wurden deutlich unangenehmer.

„Also, sagen Sie mir“, fragte der Android Angela, während sie sich über den Tisch zu ihm hinüber beugte, der zwischen ihnen stand, „ist Ihnen jemals bewusst geworden, dass ich keine richtige Frau bin?“

„Nein“, antwortete er. „Das habe ich bereits zugegeben.“ Sie trug ein enges Shirt und ihr Haar war adrett nach hinten gebunden. Er fragte sich, ob dies ihre oder die Idee der Techniker war. „Sie waren ein oder zwei Mal abwesend, was ich etwas seltsam fand.“

„Das sind nur technische Probleme“, sagte sie abwiegelnd. „Die Techniker werden das irgendwann in den Griff bekommen.“

„Ich dachte, Sie wären – ich weiß nicht – etwas seltsam, schätze ich.“

„Tatsächlich? Was fanden Sie an mir denn seltsam?“

„Das ist schwer zu sagen“, begann er, unsicher, was genau es war und wie er es erklären sollte.

„Hatte es damit zu tun, dass ich Ihre sexuellen Annäherungsversuche nicht erwiderte?“

„Meine was?“

„Das ist nichts, was Ihnen unangenehm sein muss.“

„Es ist mir nicht unangenehm“, platzte es aus ihm heraus.

„Ihre Bio-Scans zeigten klare Anzeichen, dass Sie sich zur mir sexuell hingezogen fühlten. Ihr Herzschlag und ihre Atmung waren erhöht…“

„Sie haben mich gescannt?“

„Ja, natürlich.“ Charl war nicht wirklich überrascht, dass sie ihn gescannt hatten, doch es gefiel ihm ganz sicher nicht.

„Ich habe nie wirklich irgendwelche sexuellen Annäherungsversuche gestartet…“, begann er zu erklären.

„Sie werden sehr warm. Möchten Sie, dass wir die Temperatur herunterregeln?“

„Nein!“

„Nach unseren Informationen hatten Sie schon seit Jahren keinen Umgang mit Menschen mehr. Glauben Sie, dass Sie noch immer in der Lage sind, die Effektivität Ihrer sexuellen Annäherungsversuche zu einem weiblichen Menschen zu evaluieren?“

„Wie bitte?“

„Glauben Sie, dass Sie in der Vergangenheit in solchen Beziehungen Erfolg hatten oder waren diese ein seltener Glücksfall?“

„Wer wird hier evaluiert, Sie oder ich?“, fragte er.

„Ich natürlich. Doch ihre Wahrnehmung meiner Person als ein tatsächlicher weiblicher Mensch ist entscheidend für meine weitere Entwicklung.“

„Das mag ja alles sein, aber…“

„Wie viele Beziehungen hatten Sie mit weiblichen Menschen?“ Der Android knirschte seine Stirn zu einem ernsten klinischen Ausdruck zusammen.

„Das geht Sie gar nichts an!“

„Im Rahmen der Parameter des Vertrags ist es unser Recht, solche Informationen von Ihnen zu extrahieren und Teil Ihrer Verpflichtung, diese Fragen zu beantworten. Möchten Sie den Vertag sehen…?“

„Drei.“

„Drei“, sagte sie einfach und pausierte. „Diese Statistik ist unzureichend, um einen genauen Vergleich anstellen zu können.“ Der Android Angela pausierte abermals, während Charl mit den Zähnen knirschte. Schließlich stellte sich bei ihr ein völlig neues Gebaren ein und sie wechselte das Thema.

„Glaubten Sie auf dem Agrarplaneten, dass ich eine qualifizierte Xeno-Biologin bin?“

Die Sitzung ging auf diese Weise weiter.

„Hätten Sie auf dem Agrarplaneten irgendwelche persönlichen Geheimnisse mit mir geteilt?“ Wenn ich eine alternative Vorgehensweise vorgeschlagen hätte, hätten Sie diese in Betracht gezogen?“ „Wenn Sie verletzt worden wären, hätten Sie mir vertraut, Erste Hilfe zu leisten?“

Charl fand die Evaluationen irritierend und anstrengend. Nach jeder plumpste er auf sein Bett und es graute ihm vor der nächsten. Auf der einen Seite fühlte er eine eigenartige Verbindung mit dem Androiden Angela, vielleicht weil sie eine ziemlich lebensechte – und begehrenswerte – menschliche Frau war. Auf der anderen Seite schien sie ihm mehr und mehr wie eine kalkulierende, sich ihrer selbst bewusste Maschine, die auf seine Kosten eine Selbstdiagnose durchführte. Er war verwirrt und sehnte den Tag herbei, an dem die Sitzungen ein Ende haben würden. In der Zwischenzeit tröstete er sich in seinem Quartier, indem er ersann, was er mit all dem Geld machen würde.

Dennoch, ihn beunruhigte insbesondere, dass sie ihn scannten. Wenn sie im Vorhinein gefragt hätten, hätte er damit kein Problem gehabt, doch der Umstand, dass sie es vor ihm geheim hielten, nagte an ihm. Der Android Angela hatte ihm direkt gesagt, dass sie verschiedene medizinische Scans durchgeführt hatten, doch was haben sie noch gescannt, fragte er sich. Daher entschied er sich, die Zeit zwischen den Sitzungen zu nutzen, um es herauszufinden und ging die Daten des Android-Entwicklungsprojekts durch. Wenn sie nicht wollen, dass ich in ihren Daten herumstöbere, hätten sie diese schützen sollen, rechtfertigte er sich.

Die Aufzeichnungen über ihn waren vom Computer in seinem Quartier einfach aufzustöbern. Da waren sie, ganze Tage voll medizinischer Scans, einschließlich seiner Gehirnwellen, Augenbewegungsmuster und dem Stress, der sich in seiner Stimme zeigte. Um all‘ diese Daten zu erhalten, mussten sie ihn unten auf dem Planeten geradezu mit Scannern umgeben haben. Er ärgerte sich, so unaufmerksam gewesen zu sein. Abgelenkt von einem hübschen Roboter, musste er sich eingestehen.

Die Daten über die Entwicklung des Androiden waren ebenso einfach zu finden und füllten Bericht um Bericht. Die frühen Berichte zeigten, dass der Android Angela auf einer echten menschlichen Frau namens Angela basierte. Ich frage mich, was sie ihr gezahlt haben?

Die Berichte verrieten, dass das Android-Projekt nicht gut voranschritt. Der Android war weit hinter dem Zeitplan. Er sollte zu diesem Zeitpunkt bereits autonom sein, war jedoch noch nicht einmal nahe dran. Ohne ein Team von Technikern, die ihn aus der Nähe wie eine Art drahtlose Marionette kontrollierten, funktionierte er nicht. Es würde noch einige Zeit dauern, bis sie Baureihen von Angelas vermarkten können würden.

Als es Charl zu langweilig wurde, sich durch die Berichte zu arbeiten, brach er die Verbindung ab und legte sich hin, um etwas zu schlafen.

Am nächsten Morgen wachte er auf, gefesselt an einen Tisch und mit einem grellen Licht in seinem Gesicht.

Zur nächsten Episode geht es hier entlang.

Autor: Timothy Brown

Übersetzung:  Malu23  Korrekturlesung: ius   Originaltext