A Human Perspective Episode 10



„Du!“

Die echte Angela erzürnte sichtbar, als sie ihren anschuldigenden Finger gegen Techniker Zwei erhob, und ihr Aufschrei verkörperte Monate – vielleicht Jahre – unterdrückter Wut und Verachtung.

„Zurückkehren zu Vertragspflichten“, sagte er abweisend und schickte die Sicherheitsleute vor. Doch diese waren nicht auf ihre plötzliche Attacke vorbereitet.

„Hey“, war alles, was Charl herausbringen konnte, bevor Angela den Banu mit dem Kopf voraus angriff. Sie rammte ihre Schulter mit einem hörbaren Aufprall in seine Rippen und stieß ihn zurück, bevor auch nur einer der Sicherheitsleute reagieren konnte.

„Du verlogener Banu…“ Angela stieß Techniker Zwei zu Boden, der auf seinem Rücken landete, um dann mit beiden Fäusten und einem stetigen Strom an bemerkenswert einfallsreichen Beleidigungen auf ihn einzuschlagen. „Du hast mich eingesperrt wie ein Tier!“

„Notwendig zu studieren…“, brachte er heraus, unfähig ihre Schläge abzuwehren.

„Studieren!“, verhöhnte sie ihn. „Nun, dann studiere das, du…“

Angela hatte es ebenso geschafft, die beiden Sicherheitsleute abzulenken und Charl nutzte den Moment. Er machte den ersten mit Leichtigkeit kampfunfähig, indem er sein Lasergewehr mit seiner linken Hand ergriff und ihm mit seiner rechten kraftvoll in den Nacken schlug. Dieser Punkt der Banu-Anatomie war genauso verletzlich wie bei den Menschen und sein Schlag traf genau. Der erste Sicherheitsmann war im Begriff zusammenzubrechen, aber Charl griff ihn bei der Taille, um ihn als Schild zu verwenden. Gerade rechtzeitig, so dass der Schuss des anderen Sicherheitsmannes einen rauchenden Streifen auf dessen Panzerung und auf der Korridorwand hinter ihnen verursachte.

„Alarm!“, hörte er Techniker Zwei japsen, bevor seine Stimme versagte, als die echte Angela ihren wütenden Angriff intensivierte.

Charl hob sein Opfer an und sprang über den Gang in den zweiten Sicherheitsmann hinein, so dass sie alle auf einem Haufen an der gegenüberliegenden Wand landeten. Er sah das Gewehr des zweiten Sicherheitsmannes auf dem Boden liegen und trat kräftig zu, womit er die darunterliegenden Finger seines Besitzers zerquetschte. Nachdem er das Gewehr des bewusstlosen Sicherheitsmannes an sich gerissen hatte, schlug er in einer einzigen schnellen Bewegung den Kolben gegen den Kopf seines übrig gebliebenen Gegners, stand auf und feuerte dann einen Schuss auf ihn ab. Rauch und der Geruch von verbranntem Fleisch stieg vom Helm des Sicherheitsmannes auf.

„Angela!“ Sie war völlig aufgelöst, ihr Gesicht war von Tränen überlaufen und ihre geballten Fäuste blutig, während diese entkräftet weiter auf Techniker Zwei einschlugen. Sie hatte ihn entweder getötet oder bewusstlos geschlagen.

„Verrotte in der Hölle, du Bastard!“, heulte sie, spuckte ihn an und erneuerte ihre Rage.

„Angela, wir müssen gehen! Komm, der ist hinüber!“, Charl schrie zunächst, kam dann näher, legte seine Hand sanft auf ihre Schulter und dämpfte seine Stimme. „Angela, es ist vorbei und wir müssen gehen.“ Sie ließ von dem Banu ab und wischte ihr Gesicht mit einem Ärmel ab, während sie schnaufte und nickte.

„Okay, lass uns gehen.“ Sie liefen schnell den Korridor entlang in Richtung der Rettungskapseln. „Was für ein Name ist Charl-Grissom?“

„Es ist nur Charl. Grissom ist mein Nachname.“

„Dämliche Banu“, sagte sie und schüttelte ihren Kopf.

Sie gingen einen kurzen Korridor hinunter und dann einen weiteren, bevor Charl hinter ihnen ihre Verfolger vernahm.

„Geh voran!“, flüsterte er, kniete sich hin und zielte mit dem Lasergewehr in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dessen Griffe waren nicht für menschliche Finger entwickelt worden, doch war dies nicht das erste Mal, dass Charl Ausrüstung der Banu verwendet hatte. Er entfesselte einen stetigen Strom an Zerstörung hinter ihnen und versengte dabei die Korridorwände in einer brachialen und rauchenden Vorführung.

„Das sollte sie verlangsamen! Hier entlang!“ Er hatte eine Zugangsluke gefunden, genau da, wo er es laut der Karte auf dem Computer erwartet hatte, doch Schatten verrieten ihm, dass weitere Banu zu ihnen hinaufkletterten. „Verdammt!“, fluchte er und zielte mit dem Laser, um sich ihrer zu entledigen.

„Nein, hier entlang!“ Angela griff seinen Arm und zog ihn weg. „Sie hatten mich hier durchgebracht.“ Es ging durch eine Tür und ein verlassenes Labor, dann durch eine weitere Tür und einen kurzen Gang zu etwas, das wie der zentrale Schacht der Station aussah, der die Hauptsteuerung beinhaltete und über Wendeltreppen zugänglich war. „Hier unten sollte es durchgehen.“

Doch eine vertraute Gestalt blockierte ihren Weg.

„Charl, es gibt kein Entkommen. Lege deine Waffe nieder.“ Android Angela stand zwischen ihnen und dem Durchgang, mit einer kleinen Pistole in ihrer Hand, die genau auf seine Brust gerichtet war. Er konnte nicht erkennen, ob es ein Laser, eine ballistische Waffe oder nur eine Art Taser war, doch sie hatte ihn definitiv am Schlafittchen. Dennoch, der Android ist ein schlecht funktionierender Haufen Müll, ging es ihm schnell durch den Kopf, er wäre also vielleicht in der Lage…

„Hallo Angela“, bemerkte der Android kühl. Die echte Angela schaute besorgt auf die Waffe ihrer Doppelgängerin und rückte näher an Charl heran.

„Sieh mal, es ist der Roboter“, stachelte er diesen an, „und ein ziemlich beschissener Roboter dazu.“ Er hoffte, er würde ausfallen, so wie er es bereits viele Male zuvor getan hatte, wusste jedoch, dass er sich nicht darauf verlassen konnte.

Schritte kamen aus allen Richtungen näher und für einen Moment spannte er sich an, um das Lasergewehr anzuheben und ein Loch durch den Androiden Angela zu schießen, Gegenfeuer oder nicht. Doch sie erkannte sein Vorhaben blitzschnell und zielte mit ihrer Pistole stattdessen auf Angela.

„Eine Bewegung und sie stirbt.“ Charl überdachte seinen Plan noch einmal und entspannte seinen Griff um den Laser. Banu-Techniker und Sicherheitsleute kamen von allen Seiten. Sie waren umzingelt und unterlegen. Die echte Angela ergriff nach Sicherheit suchend seine Schulter, während sie ihm genug Platz ließ, um zu handeln. Sie zitterte. Wäre Android Angela ein Mensch gewesen, hätte sie vielleicht gegrinst, während sie langsam näher kam.

„Sie werden dem Projekt gut dienen“, sagte sie.

„Verlassen Sie sich nicht darauf.“ Charl aktivierte das Lasergewehr in seiner Hand und feuerte einen sengenden Strahl entlang des zentralen Schachtes und zerstörte dabei eine Unmenge an Konsolen in einer brillanten, funkensprühenden Explosion. Android Angela feuerte, doch ihr Schuss ging weit daneben, während sie aufgrund des Rückstoßes unerwartet rückwärts stolperte. Ein paar Lasertreffer trafen ebenso den Boden nahe Charl, während die Schützen aufgrund des plötzlichen Verlusts der Schwerkraft taumelten.

„Komm!“ Charl ergriff die echte Angela an ihrer Taille und sprang akrobatisch dem zentralen Schacht entgegen, genau in den Rauch und den Gestank von verbranntem Plastik. Dank seiner Fähigkeiten in der Schwerelosigkeit, die er sich während seines Lebens im Weltraum angeeignet hatte, gelang es ihm, das Geländer zu erfassen, ihren gemeinsamen Schwerpunkt zu bestimmen und sie auf eine Flugbahn hinter den Schacht in Richtung ihres Ziels zu bringen. In einem einzigen Augenblick hatte er ihre überraschten Gegner hinter sich gelassen, um nun im freien Fall umherzutaumeln.

„Was hast du getan?“, gelang es ihr zu fragen, während sie sich fest an ihn klammerte.

„Ich habe die Gravitationssteuerung zerschossen.“

„Woher hast du gewusst…?“

„Ich kann lesen.“

Distanz und Winkel abschätzend, bereitete er sich auf einen weiteren Sprung vor. „Wir sind noch nicht aus dem Gröbsten heraus. Halt dich fest!“ Er drehte sie beide, damit er sich von einer Außenwand zurück zu den Rettungskapseln abstoßen konnte. Dann drehte er sie abermals, um den Aufprall mit seinen Beinen abzufedern und Angela sanft auf dem Boden abzusetzen.

„Ich bin beeindruckt“, gab sie zu. Er interagierte mit der Steuerung der Anzeige der Rettungskapsel und die Luke öffnete sich. Er schob sie hinein und machte sich klein, um ihr zu folgen, kurz bevor ein Laser die Wand hinter ihnen versengte. „Sieht so aus, als hätten sie sich neu gruppiert.“

„Schnall dich an!“ Die Kapsel hatte Platz für vier Personen. Er schnallte einen Schultergurt mit einer Hand fest und schlug mit der anderen auf den Startknopf, was sie beide aufgrund der hohen Beschleunigung in den Sitz drückte.

„Was … tust… du?“, fragte sie angestrengt.

„Ich konfiguriere die Telemetrie neu … damit wir nicht … einfach zum Planeten … zurückfliegen.“ Die Kapsel torkelte orientierungslos um sie herum.

„Warum? Wo können … wir sonst hin?“ fragte sie, während die Schwerelosigkeit mitten in ihrem Satz wieder einsetzte.

„Nun, die Kapsel ist nicht wirklich dafür ausgelegt, aber ich kann uns zum Sprungpunkt navigieren. Wenn wir kein Aufsehen erregen, kann ich uns wahrscheinlich magnetisch an irgendeinem nichtsahnenden Frachter festmachen, um auf die andere Seite zu kommen.“

„Was machst du jetzt?“

„Ich schalte das Positionsmeldegerät ab. So werden sie sich fragen, wo wir geblieben sind.“ Das blinkende Licht auf der winzigen Navigationskonsole erlosch.

„Werden sie uns verfolgen?“

„Nicht sofort. Als wir abgehauen sind, sah es nicht so aus, als gäbe es Schiffe an der Station, mit denen sie die Verfolgung aufnehmen könnten. Es ist ein Labor, keine militärische Basis. Ich bin mir jedoch sicher, dass sie die Flotte alarmieren werden.“

„Wahrscheinlich nicht“, entgegnete sie, während sie sich umdrehte, um die sich drehenden Sterne außerhalb des Bullauges zu beobachten.

„Warum nicht?“

„Ich glaube, die gehören nicht offiziell zum Protektorat. Jede Regierung hat solche Organisationen.“

„Nicht offiziell“, grübelte er. Das hatte ich nicht bedacht.

„Wenn das der Fall ist, dann arbeiten sie im Geheimen. Generell ist das Banu Protektorat nicht unmoralisch, und dieses Androiden-Ding ist ein böses, unmoralisches Projekt. Sie hatten mich fast zwei Jahre lang festgehalten“, sagte sie und begann zu weinen. Doch dann schüttelte sie ihren Kopf, um ihre Emotionen unter Kontrolle zu behalten. „Wenn du nicht gekommen wärst, hätten sie mich wahrscheinlich nie gehenlassen. Sie hätten mich für immer gefangen gehalten, um ihren Androiden zu perfektionieren.“

Ihr Android ist ein Haufen Müll, glaub‘ mir. Sie werden in absehbarer Zeit keinen von denen auf die UEE loslassen.“

„Das mag sein, aber warum sollten wir ihnen die Gelegenheit geben, ihn zu perfektionieren? Wir sollten sie entlarven“, sagte sie keine Widerrede duldend.

„Also gut, doch lass es uns aus sicherer Entfernung tun.“

„Wie weit, glaubst du, sollten wir fliehen, bis wir es tun?“, fragte sie, während sie einen der Gurte enger schnallte, um nicht aus dem Sitz zu schweben.

„Wie hört sich der UEE-Raum für dich an?“ Er genoss den Gedanken an nichtsynthetischen Roggenwhiskey und Zigarren.

„Das hört sich verdammt gut für mich an, das kannst du mir glauben.“

„Weißt du was, du fluchst wie ein Marineangehöriger.“ Sie schenkte ihm ein unerwartet entspanntes Grinsen.

„Daran solltest du dich gewöhnen.“

Ende

Autor: Timothy Brown

Übersetzung:  Malu23   Korrekturlesung: ius   Originaltext