Eine dunkle Vergangenheit
Man schrieb das Jahr 2778. Ulysses Messer X. war gerade auf das fixiert, was er als sein Vermächtnis zu hinterlassen hoffte: das Khanos-Stadion auf Angeli. Der Imperator hatte eine imperiumsweite „Renaissance der Architektur“ in Gang gesetzt, welche die Menschheit und seine Familie für die nächsten Jahrtausende verherrlichen sollte. In der Bevölkerung hatte sich jedoch etwas verändert. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung schlug die Saat der Rebellion Wurzeln. Mit dem Tod von Anthony Tanaka im Jahr 2757 begann die Bevölkerung, sich von den Ketten ihrer Unterdrückung loszureißen.
In dieser Zeit war Ulysses Messer zwar besessen von seinen Bauten, doch die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung blieb ihm nicht verborgen. Obwohl er letztlich glaubte, dass die Fertigstellung des Khanos-Stadions die Bevölkerung inspirieren und vereinen würde, war er nicht abgeneigt, dem Volk in der Zwischenzeit ein oder zwei Knochen hinzuwerfen, um es zu besänftigen.
Der Imperator verfasste einen Aufruf an die verschiedenen imperialen Behörden, in dem er nach öffentlichen Projekten suchte, die bis zur Fertigstellung des Stadions als Moralverstärker dienen sollten. Ausgewählte Vorschläge würden unter der Bedingung, dass sie schnell und kostengünstig umgesetzt werden könnten, die volle Finanzierung erhalten. Messer X. war es egal, woher die Ideen kamen, er wollte sie nur schnell haben.
In der Zwischenzeit waren Edward Kesamyn, Clara Douglas und Asif Reader in einem Forschungslabor auf Persei am Ende ihres Lateins. Die drei jungen Wissenschaftler, allesamt frischgebackene UPARQ-Absolventen, waren vom Landwirtschaftsministerium eingestellt worden und hatten den Auftrag erhalten, ein neues Fermentationspräparat zu entwickeln, das als Konservierungsmittel dienen konnte. Edwards Fachgebiet war Biochemie, Clara konzentrierte sich auf landwirtschaftliche Biotechnologie und Asifs Abschluss war in Genetik. Sie hatten seit sechs Monaten an dem Projekt gearbeitet und noch nicht viel vorzuweisen, als der Aufruf des Imperators sie erreichte.
Die drei schenkten der Ausschreibung zunächst keine Beachtung, kamen aber eines Abends bei einem Drink in einer Bar in der Nachbarschaft ins Grübeln. Das Gespräch wurde immer intensiver, je mehr Runden sie bestellten, und am Ende des Abends hatten sie eine Idee.
Clara war in einer sehr armen Familie auf Hyperion aufgewachsen. Ihr Vater hatte immer versucht, das windgepeitschte Grundstück vor ihrem bescheidenen Haus zu bewirtschaften, in der Hoffnung, eigene Lebensmittel zu produzieren. Und immer hatte er gesagt: „Es muss nichts Besonderes sein, nur ein einfaches Gemüse, das wir kochen können.“ Doch wenn der Boden die Pflanze nicht von vornherein ablehnte, würden die ständigen Wüstenstürme ihr den Garaus machen.
Die drei begannen über den Revenant-Baum (altrucia lacus) zu sprechen und darüber, wie er sich schnell an die Windverhältnisse und den trockenen Boden Hyperions anpassen konnte. Inspiriert durch den Wein erzählte Edward von der alten Blattlausplage Phylloxera, welche die Weinberge der Erde einst bedrohte. Entomologen fanden heraus, dass sie blattlausresistente Wurzelstöcke an die anfälligen Rebstöcke pfropfen konnten, um dem schädlichen Insekt zu widerstehen. Sie fragten sich, ob eine ähnliche Lösung auch für Claras Familie auf Hyperion anwendbar wäre. Wenn es gelänge, die Wurzeln einheimischer Pflanzen auf gängige Nutzpflanzen zu pfropfen, könnten sich für das gesamte Imperium zahlreiche landwirtschaftliche Möglichkeiten ergeben. Sie wussten, dass die größeren Unternehmen die Mittel hatten, diese Verfahren anzuwenden, nicht aber die unabhängigen Landwirte. Und so beschlossen sie, einen einfachen und erschwinglichen Weg zu finden, um diese Technologie in die Hände der Öffentlichkeit zu legen.
Die Bar schloss und die drei gingen direkt zurück ins Labor. In den nächsten Monaten verbrachten sie jede wache Minute damit, die Durchführbarkeit ihrer Idee zu prüfen und eine Präsentation für das Büro des Imperators zu erstellen.
Zu ihrer Überraschung wurden sie als eines von sechzehn Projekten für eine Finanzierung ausgewählt. Die drei verabschiedeten sich nur allzu glücklich von dem Fermentationsprojekt und bauten eine neue Einrichtung und ein neues Team auf, um ihre Idee zu verwirklichen.
Drei Jahre später nahm das Imperium jedoch eine Wendung. In der Nacht, in der das Khanos-Stadion eröffnet werden sollte, putschte Linton Messer gegen seinen Vater und wurde als Messer XI. eingesetzt. Der neue Imperator war wesentlich bösartiger und kleingeistiger als sein Vater, so dass viele in der Regierung einfach versuchten, sich bedeckt zu halten und unbemerkt zu bleiben. Deshalb hofften Edward, Clara und Asif, dass sie ihre Arbeit in Ruhe fortsetzen durften.
Als auf Garron II empfindungsfähiges Leben entdeckt wurde, fand ihr Projekt jedoch ein schnelles Ende. Asif wurde ausgewählt, sich Dr. Michael Shiherlis und dessen Team anzuschließen, das mit der Untersuchung des Planeten beauftragt war, da er sich mit Xenogenetik auskannte. Als Edward respektvoll gegen die Auflösung ihres Landwirtschaftsprojekts protestierte, stellte das Büro des Imperators ihre Finanzierung ein. Edward wurde zu einer Forschungsstation auf Yar geschickt und Clara nach Bremen versetzt, wo sie schließlich in der Privatwirtschaft für Terra Mills arbeiten sollte.
Ihre Trennung sollte jedoch nicht von langer Dauer sein, denn 2792 kam es schließlich zu einer Revolution.