Ein Tag in der Geschichte: Die Schlacht von Idris IV



1. Oktober 2544 Standard-Erdenzeit


Die Schlacht, die die Menschheit veränderte

Der Tevarin-Krieg wütete schon das zweite Jahr. Obwohl die United Planets of Earth bereits ein paar entscheidende Siege verbuchen konnte, kämpften die Tevarin unablässig weiter, gewannen im Centauri-System an Boden und drängten die Streitkräfte der UPE bis in das Ferron-System zurück.

Im späten August 2544 SET (Standard-Erdenzeit) wurde der Hohe General Trevor schließlich ungeduldig. In einer Strategiebesprechung mit seinen Beratern sprach er seine Befürchtung aus, dass eine Begradigung der Kampflinien dazu führen könnte, dass beide Seiten selbstgefällig werden und sich der Konflikt in einen langen Zermürbungskrieg verwandeln könnte. Er wollte „die Tevarin aus dem Gleichgewicht bringen und ihre Erwartungen, wie wir bisher in diesem Krieg gekämpft haben, in Frage stellen.“ Während der folgenden Woche entwickelten der Hohe General und seine Berater das Gerüst, das schließlich zu Operation Nemesis werden sollte.

Der militärische Geheimdienst hatte eine Schiffswerft der Tevarin auf der Oberfläche von Idris IV entdeckt, die als ihre Hauptreparatureinrichtung, als bedeutender Ausgangspunkt für einen Großteil der Tevarin-Jäger im System und als das Hauptquartier für mehrere unbekannte Einrichtungen diente, die auf dem Planeten verteilt waren. Operation Nemesis hatte den Zweck, dieses Territorium zu erobern, zu besetzen und als vorgelagerte Operationsbasis zu benutzen, um im Idris-System wieder Fuß fassen zu können.

Die Abteilung für Forschung und Entwicklung der UPE hatte die Produktion ihrer neuen R27HE „Hull Shredder“-Torpedos vorangetrieben und sie bis zum 17. September kampfbereit gemacht, damit sie während der Mission zum Einsatz kommen konnten. Streitkräfte der Marine versammelten sich am Ferron-Sprungpunkt, während die Bodentruppen der Army und der Marines unermüdlich neue (und unerprobte) Techniken der planetaren Invasion trainierten.

Operation Nemesis war ein gewagter und umstrittener Plan. Nach Ankunft im Idris-System sollte die erste Invasionswelle von Trägern, Zerstörern, Korvetten und Transportschiffen die Großkampfschiffe der Tevarin zunächst ignorieren und tief in das System eindringen, in dem Versuch, die Tevarin in einen Kampf in der Nähe von Idris IV zu verwickeln. Vorbestimmte Schiffe würden sich dann aus der Formation lösen, um eine defensive Linie zwischen dem Ziel und dem Ferron-Sprungpunkt zu bilden. Daraufhin würden die Schiffe der Army und der Marines auf der Oberfläche des Planeten landen, die Kontrolle über strategisch wichtige Punkte übernehmen und diese halten, bis ein stetiger Strom an Verstärkungen das System erreicht hatte, um die Verteidigungslinie zu unterstützen und sich mit der erste Angriffswelle zu vereinen, die den Planeten im Orbit belagerte.

Die Operation wurde offiziell am 30.09.2544 um 13:45 SET gestartet. Sofort nach Erreichen des Idris-Systems gab es den ersten Feindkontakt. Umgebaute Raketenboote drangen zuerst in das System ein und schossen eine Vielzahl von Raketen ab, noch bevor der Rest der Flotte im System eintraf. Dann flog die erste Angriffswelle in Richtung Idris IV.

Als die Army und die Marines schließlich auf dem Planeten gelandet waren, wendete sich die Navy der feindlichen Flotte zu. Die Schlacht von Idris IV nahm wirklich ihren Anfang, als die Jäger des Gegners von der Oberfläche heraneilten und drei Truppentransporter während ihres Anfluges zerstörten, noch bevor sich der Kampf auf die Oberfläche des Planeten ausweiten konnte.

Das 112. Infanterie-Bataillon (Army) unter Oberst Tio Koshi griff die Schiffswerft (als „der Hügel“ designiert) an und wurde dabei von den Grenadieren der Alpha-, Bravo- und Charlie-Kompanie unterstützt, die dem dritten Expeditionskorps angehörten. Nach sechs Stunden des Kampfes eroberte die 112te zusammen mit den Marines den Hügel. Für den Moment schien es, als würde die Operation ein durchschlagender Erfolg werden.

Doch dieser Moment verging.

Die Tevarin entfesselten einen verheerenden Schlag gegen die Flotte, die sich im Orbit von Idris IV befand. Es stellte sich heraus, dass es sich bei den Strukturen, welche die Tevarin erbauten, um ein planetares Verteidigungssystem handelte. Zwei Träger wurden in Sekunden vernichtet und die verbleibenden Schiffe der UPE verstreuten sich, um dem Beschuss vom Planeten zu entgehen. Schlimmer noch, die Hull-Shredder-Torpedos versagten und explodierten entweder bereits in ihren Abschussvorrichtungen oder wurden nach dem Abfeuern nicht scharf.

Auf der Oberfläche schlugen die Tevarin, die den Hügel aufgeben hatten, nun mit neuem Elan zurück.

Nachdem die 112te von der Situation im Orbit erfahren hatte, wurde ihr schnell bewusst, dass sie sehr bald auf sich allein gestellt sein würde. Ihre mechanisierte Eskorte hatte bereits 50 % ihrer ursprünglichen Stärke verloren und die Soldaten waren nicht annähernd so gut mit den Einrichtungen der Tevarin vertraut wie ihre Feinde und hatten aufgrund dessen Probleme diese zu sichern.

Die nächste Umdrehung des Planeten würde eine gefühlte Ewigkeit dauern. Die Schiffe der Navy bekämpften Welle um Welle von Tevarin-Jägern über Idris IV, sich weigernd auch nur einen Zentimeter preiszugeben, in dem Wissen, dass ein Rückzug für die Truppen auf der Oberfläche den Tod bedeuten würde. Die 112te erlitt verheerende Verluste, als ein Jäger der Tevarin den Gebäudekomplex mit einer Antimateriebombe angriff, welche Oberst Koshi und seinen Stab tötete. In der Folge wurden die Bodentruppen zusehends versprengt und demoralisiert, was den Tevarin nicht verborgen blieb.

Die Überreste der Bravo-Kompanie wurden während des Angriffs der Tevarin vernichtet und sowohl die verbliebenen Marines als auch die 112te fielen zurück auf ihre inneren Verteidigungspositionen. Als Major Michael Colorry von der Charlie-Kompanie des 112ten einen Rückzugsplan umsetzen wollte, wurde er von der Kugel eines Heckenschützen getroffen, die ihm schließlich das Leben kostete. Sein stellvertretender Kommandeur – ein junger, ambitionierter Offizier namens Ivar Messer – übernahm zu diesem Zeitpunkt das Kommando über die Kompanie.

Messer forderte Bombardierungen durch Retaliator-Bomber nahe an seiner Position an, während er mit den überlebenden Soldaten mehrere Hinterhalte organisierte. Für Stunden ließen die Bomber eine hochexplosive Sprengladung nach der anderen auf die sich nähernden Streitkräfte der Tevarin fallen. Doch Messer beließ es nicht dabei und organisierte eine kleine Kommandoeinheit, um das planetare Verteidigungssystem zu zerstören, das noch immer die Flotte unter Beschuss nahm. Die Einheit requirierte ein zusammengebrochenes Militärfahrzeug der Tevarin und schaffte es erfolgreich, durch die gegnerischen Linien zu schlüpfen.

Das Infiltrationsteam, geführt von Feldwebel Adam Corr, schaffte es nicht nur, den Hauptverbindungspunkt des planetaren Verteidigungssystems zu finden, sondern auch ihn zu erobern und die Kontrolle über ihn zu erlangen. Nun richteten sie diese verheerende Waffe gegen die sich zusammenziehende Flotte der Tevarin und hielten diese so lange in Schach, bis die Verstärkungen der UPE-Navy im System eintrafen.

Die Schlacht von Idris IV hatte also eine weitere Wende genommen. Während der nächsten Stunden begannen die Streitkräfte der Tevarin damit, sich zurückzuziehen. Unglücklicherweise mussten Corr und seine Truppe das Verteidigungssystem zurücklassen und zerstören, bevor die Verstärkung eintraf.

Als sich der Rauch auf Idris IV aufgelöst hatte, waren über einhundert Großkampfschiffe und  tausende Jäger zerstört worden und siebzigtausend Soldaten hatten auf beiden Seiten ihr Leben gelassen. Messer und sein Kräfte hielten noch immer den Hügel. Seine Taten hatten den Verlauf der Schlacht entscheidend verändert. Der Sieg auf Idris IV sollte die Bevölkerung der UPE wachrütteln, die Rekrutierungszahlen ansteigen lassen und dem Krieg einen Schwung verleihen, der die Eroberung weiterer Systeme der Tevarin begünstigen sollte.

Im Mittelpunkt all dieser Geschehnisse stand der junge, ambitionierte Hauptmann Ivar Messer, den dieser Vorgeschmack auf die Macht auf einen Weg leiten sollte, der den Lauf der menschlichen Geschichte in eine ganz neue Richtung lenkte.