Ein Tag in der Geschichte: Die Schlacht von Fabela



Am 15. August 2825 griff ein Vanduul-Clan die Caliban-Siedlung Fabela an. Die Öffentlichkeit glaubte, dass die UEE in der anschließenden Schlacht einen Sieg errungen hatte, was auf die sensationelle Berichterstattung in den Nachrichten zurückzuführen war, wie z. B. die Schlagzeile der Terra Gazette „Marine stoppt Vanduul-Angriff eigenhändig“. Als die Nachrichtenorganisationen schließlich in die abgelegene, längst vergessene Bergbausiedlung strömten, zeigten ihre Aufnahmen jedoch schwelende Trümmer und Interviews mit Anwohnern, die ihre Wiederaufbaupläne mit aller Entschlossenheit kundtaten. In der Zwischenzeit erschienen Regierungsbeamte auf dem Spectrum, die den abgewehrten Vanduul-Überfall ihrem strategischen Politikwechsel zuschrieben.

Die Schlacht von Fabela kam für die UEE zu einem günstigen Zeitpunkt. Weniger als ein Jahrhundert zuvor waren Millionen von Menschen aus Orion, Tiber und Virgil geflohen, als die Vanduul rücksichtslos Territorium eroberten und jeden töteten, der sich ihnen in den Weg stellte. Nach dem Sturz der Messers lenkten Imperatorin Toi und der Senat den Fokus des Militärs von der Verfolgung politischer Dissidenten weg, hin zu einer verstärkten Verteidigung entlang der Grenze zu den Vanduul. Außenposten der Marines und fortschrittliche Militärausrüstung tauchten bald in den Städten und Siedlungen von Caliban, Elysium und Vega  auf. Diese Einrichtungen halfen bei der Verteidigung von Fabela, doch die öffentliche Version der Schlacht entsprach nicht den Tatsachen vor Ort.

Gefangen zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und der Realität war Paul Barlow, der als einziger Marine seines Trupps überlebte. Barlow wurde zum Helden und im ganzen Imperium vorgezeigt. Im Laufe der Jahre verblasste die Schlacht von Fabela aus dem öffentlichen Bewusstsein und wurde zur Legende. Als die Presse nach dem Fall von Caliban im Jahr 2884 Barlow für einen Kommentar aufspürte, legte der berühmteste lebende Held der Marines ein verblüffendes Geständnis ab – dass er unter dem Druck seiner Vorgesetzten über die Schlacht von Fabela gelogen hatte. In einem explosiven Interview in der New United bezeichnete sich Barlow selbst als: „Kein verdammter Held, nur ein Überlebender, der damit kämpft, in meinem eigenen Schatten zu leben“.

Eine gute Lüge

Die weit verbreitete offizielle Geschichte begann damit, dass Barlow auf wundersame Weise den initialen Bombenangriff der Vanduul überlebte. Er befreite sich unter den Trümmern und rannte zu einer Anvil Ballista, um ein Notrufsignal auszusenden. Als die Vanduul-Bomber für einen erneuten Anflug drehten, benutzte Barlow die Ballista, um mehrere Ziele zu zerstören. Barlow schaffte es, den zweiten Angriff zu überleben, und als die übrigen Vanduul-Schiffe aus einer anderen Richtung zurückkehrten, ereilte sie ein ähnliches Schicksal. Verstärkungen der UEE trafen kurz darauf ein und berichteten, dass ein einzelner Marine eine ganze Vanduul-Staffel besiegte hatte. Eingebettete Reporter verbreiteten diese Version der Geschichte schnell, jeder begierig darauf, exklusiv zu berichten.

Jahrzehnte nach seinem Geständnis arbeitete Barlow zusammen mit der Journalistin Melania Andrieux an einem Buch, das seine Version der Ereignisse dem offiziellen Bericht gegenüberstellte. In „Eine gute Lüge“ legte Barlow die Wahrheit offen, die ihn jahrzehntelang verfolgt hatte. Er behauptete, dass die Nacht des Angriffs wie jede andere begann. Der größte Teil seines Trupps war durch die dritte Wache abgelöst worden und hatte sich in der Kaserne versammelt, um zu trinken und Trigger zu spielen. Als rangniedrigster Marine wurde Barlow beordert, weiteres Bier zu holen. Er stolperte betrunken auf den kleinen Gemischtwarenladen der Siedlung zu, als ein grauenhaftes Geräusch den Nachthimmel durchdrang. Sekunden später verwandelten Vanduul-Bomber den Raumhafen von Fabela und die unterstützende militärische Infrastruktur in Schutt und Asche.

Barlow kroch unter einigen Wrackteilen hervor, als wirbelnder Staub und Trümmer ihn heftig husten ließen. In der offiziellen Geschichte war das der Moment, an dem Barlow erkannte, dass nur er die Siedlung retten konnte. In Wirklichkeit floh Barlow aus Angst Richtung Mine und hoffte, sich bis zum Ende des Angriffs darin verstecken zu können. Barlow rannte, bis er eine kleine Lichtung bei der Mine erreichte, auf der er Ignacio Assaf fand – den Mann, den Barlow als den wahren Helden der Schlacht von Fabela betrachtete.

Der vergessene Held

Assaf – ein ehemaliger Bergarbeiter, der seinen Lebensunterhalt mit der Bergung alter Ausrüstung verdiente – war während des initialen Bombenangriffs der Vanduul durch Schrapnell verwundet worden. Trotzdem war er entschlossen, alles zu tun, um die Invasoren aufzuhalten. Er war gerade dabei, einen Plan auszuarbeiten, als der betrunkene, schmutzige und geschockte Barlow auf der Suche nach einem Versteck eintraf. Assaf beruhigte Barlow und überzeugte ihn, seine militärische Freigabe zu nutzen, um Zugang zu einer nahe gelegenen Ballista zu erhalten, die für die Wartung bestimmt war. Da sie außerhalb des Hauptdepots gelagert wurde, war sie einer der wenigen militärischen Ausrüstungsgegenstände, die während des Angriffs nicht zerstört wurden. Die beiden kletterten hinein; Barlow sprang auf den Fahrersitz, um ein Notrufsignal zu senden, während Assaf den Platz des Bordschützen einnahm. Beim nächsten Anflug der Vanduul beschädigte Assaf den Void-Bomber, der die meisten Verwüstungen angerichtet hatte, schwer. Die übrigen Vanduul teilten sich auf und änderten ihre Taktik, indem sie ihren Angriff aus verschiedenen Richtungen ausführten. Assaf feuerte so schnell wie er konnte und zerstörte den anderen Bomber sowie zwei Scythe, bevor der Ballista die Raketen ausgingen.

Da die Munition aufgebraucht war, schleppte Barlow den verletzten Assaf aus der Ballista heraus und auf die Mine zu, in der Gewissheit, dass die Vanduul diese bei ihrem nächsten Überflug zerstören würden. Sie befanden sich zwischen der Ballista und der Mine, als das Geräusch sich nähernder Schiffe den Himmel erfüllte. Barlow glaubte, sie wären dem Tod geweiht, war aber stattdessen schockiert und erleichtert, als er sah, wie eine Navy-Staffel die Angreifer abfing.

Die Verstärkung berichtete, zerstörte Vanduul-Schiffe über das Schlachtfeld verteilt zu sehen und einen Marine, der sie zu Boden winkte. Leider kamen sie für Assaf zu spät, der seinen durch Schrapnell verursachten Wunden erlag. Erst nachdem Barlow vollständig von seinen Vorgesetzen befragt worden war, wurden sich diese der tatsächlichen Geschehnisse bewusst. Anstatt eine Korrektur an die verschiedenen Nachrichtenorganisationen herauszugeben, beschlossen sie, dass sein Bericht mit den sensationellen Schlagzeilen übereinstimmen sollte. Sie drängten ihn, seine Version der Ereignisse anzupassen und peinliche Details zu verschweigen oder sich einem möglichen Kriegsgericht zu stellen. Der junge Marine stimmte ihrem Plan zu, da er ihn für eine „gute Lüge“ und im besten Interesse des Imperiums hielt – eine Entscheidung, die ihn für den Rest seines Lebens verfolgen sollte.

Heute ist die Schlacht von Fabela in Nebel gehüllt. Barlows Enthüllungen schockierten das Imperium kurzzeitig, ersetzten aber nie die Geschichte, die im öffentlichen Bewusstsein verankert war. Die Marines blieben bei ihrer Version der Ereignisse und weigerten sich, seine Behauptungen zu kommentieren. Eine offizielle Untersuchung fand nie statt. Barlow widmete den Rest seines Lebens der Hilfe für Veteranen, die an posttraumatischer Belastungsstörung litten. Assafs Familie erhielt den gesamten Erlös seines Buches, das die folgende Widmung enthielt: „Die Geschichte mag dich vergessen, ich werde es nie“.