Ein Tag in der Geschichte: Das Walzer-Massaker



10. Januar 2935, Standard-Erdenzeit

Seit seiner Entdeckung vor über 500 Jahren hat sich Nexus den Ruf eines wilden Systems bewahrt, und dies gilt bis zum heutigen Tag. Die beiden bekanntesten Ereignisse dieses Jahrhunderts in diesem System haben nicht nur mit kriminellen Machenschaften zu tun, sondern sind auch noch miteinander verknüpft.

Der erste Vorfall war Kellar‘s Run (Kellars Flucht) im Jahr 2931. Dean Kellars Gefecht mit den UEE-Sicherheitskräften zog sich über mehrere Systeme und endete bekanntlich in Nexus. Was als einfacher Raumkampf begann, weitete sich auf mehrere Systeme mit dutzenden beteiligten Schiffen von Gesetzlosen, Polizisten und sogar Zivillisten aus. Die Unfähigkeit der Regierung, Herr der Lage zu werden, zeigte, wie wenig Kontrolle das Imperium über das Nexus-System tatsächlich hatte. Innerhalb weniger Monate brachte der UEE-Senat ein Vorhaben auf die Beine, mit dem Recht und Gesetz in das System zurückgebracht werden sollten.

Eines der ersten strategischen Ziele der UEE war die Rückeroberung von Nexus III. Auf dem von Natur aus bewohnbaren Planeten hatten sich Splittergruppen von Gesetzlosen in den von der Hathor-Gruppe aufgegebenen Einrichtungen eingenistet. Als der Angriff der UEE begann, legten die verfehdeten Outlaw-Parteien ihre Differenzen beiseite und schlossen sich zusammen, um ihren Planeten zu verteidigen. Die Horizon-Gruppe wurde der faktische Anführer des Widerstandes und führte diese Patchwork-Verteidigung in einen verbissenen Kampf. Letztendlich wurden sie vom UEE-Militär überrannt und die Gesetzlosen, die nicht geflohen waren, wurden entweder gefangen genommen oder beim Widerstand gegen die Festnahme getötet.

Die heimatlosen Kriminellen verteilten sich in die dunklen Ecken des Nexus-Systems oder wechselten in eines der benachbarten, von der UEE nicht beanspruchten Systeme. Die Horizon-Gruppe versuchte anderswo Fuß zu fassen, wurde aber von größeren Syndikaten aus den dortigen Raumsektoren wieder zurückgedrängt. Damit blieb ihr nur eine akzeptable Option: zu kämpfen, um ihren Platz in Nexus zurückzuerobern. Drei Jahre nach Kellars Flucht, am 10. Januar 2935, ereignete sich das zweite herausragende Ereignis des 30. Jahrhunderts: Die Horizon-Gruppe verübte das berüchtigte Walzer-Massaker.

Die Operationsstation Demien war im 25. Jahrhundert als Operationsbasis, Verteilungsknoten und Zwischenunterkunft für Arbeiter der Regierung gebaut worden, die versuchten, den Smogplaneten Nexus II zu terraformen. Nachdem die Versuche mit der neuen Terraformingtechnologie schließlich gescheitert waren, verkaufte die UEE das gesamte System an die Hathor-Gruppe, die diese Station dann zur Sicherheitsaußenstelle umfunktionierte. Ab dem Jahr 2672, als die Hathor-Gruppe das System aufgab, wechselten sich für die nächsten Jahrhunderte verschiedenste Hausbesetzer und gesetzlose Banden auf der Station ab. Mit dem Eindringen der UEE in das System wurde die Operationsstation Demien eine der ersten „sicheren“ Orte im Rahmen der groß angelegten Polizeiaktion. Die Station beherbergte Nachschub sowie Familien von Militärangehörigen, die auf einen offiziellen Wohnsitz auf Lago (Nexus IV) warteten. Dabei machten die abgelegene Lage und die schwachen Sicherheitsmaßnahmen die Station zu dem idealen Ziel des rücksichtslosen Plans der Horizon-Gruppe.

Der 10. Januar 2935 begann für alle auf der Operationsstation Demien wie jeder andere Tag: Das Sicherheitspersonal führte seine Routinepatrouillen um die Station aus, aber alles war ruhig (laut den Aufzeichnungen). Frachtkapitäne entluden Vorräte und blieben, um ein warmes Essen außerhalb ihres Schiffes genießen zu können; das Servicepersonal der Station füllte die Verkaufsautomaten und bereitete Frachtcontainer für den Abtransport vor. Niemand von ihnen ahnte, dass sich langsam ein getarntes Landungsschiff näherte.

In den als Zwischenunterkunft genutzten Wohneinheiten erhielt derweil die Familie der Advocacy-Agentin Emily Walzer gute Nachrichten: Für sie war auf Lago ein dauerhafter Wohnsitz gesichert worden und ein Militärtransporter würde sie am folgenden Tag auf einem Versorgungsflug dorthin bringen. Francis Walzer und seine drei Kinder hatten tagelang auf der Operationsstation Demien gewartet. Obwohl sie wussten, dass das System immer noch gefährlich war, waren die Grundstücksangebote in Toplagen, die Regierungsmitarbeitern und deren Angehörigen gemacht wurden, zu verlockend, um diese Chance nicht zu nutzen. Nachdem nun ihre Parzelle gesichert war, würde die Familie erstmals wieder zusammenkommen können, seitdem Agentin Emily Walzer im vergangenen Jahr nach Lago versetzt worden war.

Nachdem er mit seiner Frau gesprochen hatte, schickte Francis Walzer seinen Sohn Arjun, um ein paar Flaschen Pips zu holen, während er den Zwillingen Joyce und Joanne noch etwas vorlas. Arjun stürmte aus der Wohneinheit, als würde seine Eile auch die Zeit antreiben. Obwohl er erst vierzehn war, wollte Arjun wie seine Mutter später der Advocacy beitreten. Freunde und Familie beschrieben ihn später als sehr aufgeweckt und ständig nachforschend. So scheint es sehr passend, dass er der erste Zivilist auf der Station war, der bemerkte, dass etwas nicht stimmte. An einem Punkt auf dem Weg zum Pips-Automaten wurde im klar, dass die Korridore gespenstisch leer waren und dass bestimmte Sicherheitstüren verriegelt und die Aufzüge deaktiviert waren. Kurz darauf entdeckte er den heute berühmten blutigen Handabdruck.

Zehn Minuten zuvor hatten die Sicherheitsleute der Station für den Wachwechsel ihre Posten verlassen. In diesem kritischen Moment hatte eine kleine, schwer bewaffnete Einheit der Gesetzlosen das Sicherheitsteam überwältigt. Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras zeigten, dass die Sicherheitsleute angesichts der Geschwindigkeit und Präzision dieses Angriffs nicht einmal die Chance hatten, ihre Waffen zu erheben.

Als sie die Sicherheitssysteme der Station unter ihre Gewalt gebracht hatten, landeten weitere Schiffe der Horizon-Gruppe. Stoßtrupps verteilten sich über die Station, die systematisch von Raum zu Raum gingen und jeden töteten, der ihnen dabei begegnete. Viele Opfer, die später gefunden wurden, waren von hinten mit Kopfschüssen exekutiert worden und hatten so nie erfahren, was sie getroffen hatte.

Anscheinend war es der Plan der Horizon-Gruppe, die Operationsstation Demien heimlich zu übernehmen, sie zu sichern und zu befestigen, um sie dann als neues Hauptquartier für ihre Aktivitäten im Nexus-System zu verwenden. Grundvoraussetzung für den Erfolg dieses Plans war, dass keinerlei Information über den Angriff die Station verlassen durfte. Damit hätten sie die Zeit gewonnen, um sich zu verschanzen und andere darüber zu informieren, dass die Station nun unter ihrer Kontrolle stünde. Beinahe wäre das auch so geschehen, wäre nicht Arjun Walzer und der blutige Handabdruck gewesen.

Über 20 verschiedene Versionen der Geschichte um das Walzer-Massaker sind seit diesem schicksalshaften Tag im Spectrum aufgetaucht. Jede von ihnen zeigt das einprägsame Bild des blutigen Handabdrucks, mit dem Arjuns Videobotschaft an seine Mutter nachweislich begann. Unglaubliche 50 Minuten blieb Arjun mit seiner Mutter in Verbindung. Mithilfe ihrer Anweisungen dokumentierte er den Horror, den die Horizon-Gruppe über die Station brachte, und entzog sich den Angreifern. Arjuns wagemutiges Handeln währte, bis ein Gesetzloser ein unbekanntes Signal von der Station bemerkte und sich entschied, dieses zu finden und zu eliminieren. Auch wenn die letzten Augenblicke dieser schicksalhaften Videoübertragung nur die wirklich kennen, die sie auch gesehen haben, wird immer wieder ein Wort benutzt, um sie zu beschreiben: verheerend.

Traurigerweise ist Arjuns tragisches Ende bei weitem kein Einzelfall, da niemand, der zum Zeitpunkt des Überfalls auf der Station war, überlebt hat. Dennoch: Dank Arjuns Heldentat erfuhren die lokalen Sicherheitskräfte von dem Überfall und konnten den Gegenangriff starten, bevor die Horizon-Gruppe ihre Schutzmaßnahmen für die gesamte Station umsetzen konnte. Eine örtliche Miliz traf zuerst am Schauplatz ein, war aber kaum auf das vorbereitet, was sie dort erwartete. Nur Augenblicke nachdem sie ihre Schiffe verlassen hatte, fand sie sich in einer Todeszone eingekesselt. Die taktisch überlegene Stellung der Gesetzlosen erwies sich als zu stark für die unerfahrenen, lokalen Sicherheitskräfte, sodass schnell klar war, dass die UEE-Marines gebraucht wurden.

Die Rückeroberung der Operationsstation Demien durch die Marines dauerte sechs Stunden. Die gefechtserprobte Horizon-Gruppe kämpfte um jeden letzten Zentimeter. Ohne Rückzugsmöglichkeit wusste die Gruppe, dass ihr Plan entweder aufgehen musste oder ihr Ende besiegeln würde. Dank der Marines stellte sich heraus, dass Letzteres der Fall sein sollte. Nach drei Jahren gefühlten Fortschritts im Kampf gegen die gesetzlosen Elemente des Nexus-Systems war das Walzer-Massaker, wie es später genannt wurde, eine eindringliche Erinnerung daran, dass dort noch viel Arbeit zu tun war.

Trotz der damaligen Auswirkungen auf die UEE steht das Walzer-Massakers heute nur an zweiter Stelle der Bekanntheit im Zusammenhang mit der Operationsstation Demien. Gegenwärtig ist diese vor allem als Schauplatz des beliebten Videospiels Star Marine und des aktuellen Films Star Marine 2: BloodLock bekannt. Dieses Thema wird sehr kontrovers diskutiert und einige glauben, dass InterDimension Software die Station bewusst als Schauplatz gewählt hat, um die öffentliche Diskussion zu provozieren und damit kostenfreie Publicity für den Titel zu bekommen.

Ungeachtet ihrer Darstellung in der Popkultur bleibt die Operationsstation Demien ein Symbol für den Kampf um die Befriedung des Nexus-Systems und die Ereignisse des 10. Januar 2935 werden ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des Systems bleiben.